Was haben der Papst, der amerikanische Präsident, japanischen
Atomkraftwerksbetreiber und ein nicht unerheblicher Teil der
deutschen Politiker gemeinsam ? Richtig, sie haben sich
entschuldigt. Zu dieser illustren Gruppe ist nun auch der Regisseur
Lars von Trier zu zählen, der seit dem Filmfestival von Cannes ein
permanentes "I'm sorry" mit sich herumträgt. Im Gegensatz zu den
vorher genannten sehe ich bei von Trier jedoch keine Veranlassung
zu solcher Demut, da er mit seinem Film DANCER IN THE DARK etwas
Großartiges geleistet hat und er sich deshalb erlauben könnte mit
einem "Ihr könnt mich !" durchs Leben zu gehen. Wenn von Trier
die Entschuldigungen an seine Hauptdarstellerin Björk tatsächlich
ernst meint, dann ist die künstlerischen Freiheit der Regisseure
wieder ein Stückchen kleiner geworden. Doch der Reihe nach.
Während der Dreharbeiten zu DANCER IN THE DARK gab es einige Streitereien zwischen dem
Regisseur von Trier und der Darstellerin Björk. Ursache für den
Streit war vor allem die Auslegung von Björks Rolle. Während sie
die menschlich natürliche Note der Figur herausheben wollte, lag
von Triers Augenmerk bei deren Leiden und Verzweiflung, eigentlich
typisch für von Trier. Sowohl der Film als auch Björk als
Hauptdarstellerin gewannen in Cannes und von Trier nutzte vor,
während und nach der Preisverleihung jede Möglichkeit, sich in
aller Öffentlichkeit für sein Verhalten bei Björk zu entschuldigen.
Vereinfacht gesagt: Lars von Trier verhilft der
hauptberuflichen Sängerin Björk in ihrem Spielfilmdebüt auf anhieb
zum Darstellerpreis in Cannes (eine Ehrung auf die unzählige
professionelle Darstellerinnen ein Leben lang vergeblich warten)
und muss sich dafür bei ihr entschuldigen. I don't get it.
Mag sein, dass während der Dreharbeiten einige unschöne Worte
zwischen den beiden gefallen sind, aber so etwas regelt man
entweder unter vier Augen oder gar nicht. Der Hauptstreitpunkt war
und ist dagegen ohnehin die Auslegung von Björks Rolle, wobei die
Sängerin selbst jetzt nicht müde wird, das Thema in Interviews
immer wieder anzuschneiden. Warum aber, so frage ich mich, muss
sich ein Regisseur für seine filmische Vision entschuldigen ? Warum
glaubt Björk besser zu Wissen was für den Film gut ist als einer
der wichtigsten, mutigsten und kreativsten Regisseure unserer Zeit
? Seit wann sind Darsteller überhaupt maßgebender als Regisseure
?
Es gab Zeiten, da waren Filmemacher wie Hitchcock, Otto Preminger
oder Sam Peckinpah berühmt für ihre Ruppigkeit gegenüber den
Darstellern. Mag sein, dass es für die Schauspieler nicht angenehm
war mit diesen Regiediktatoren zu arbeiten. Aber im Gegensatz zur
alltäglichen Arbeitswelt, die nicht minder von selbstherrlichen
Vorgesetzten bestimmt wird, dauerte die Zusammenarbeit mit den
schwierigen Regisseuren nur relativ kurze Zeit, wurde ziemlich
üppig bezahlt und am Ende stand in der Regel ein guter Film, der
auch den Namen der Darsteller für immer in die Filmgeschichte
einschrieb.
Die kommenden Generationen von Regisseuren waren vielleicht nicht
mehr so augenfällig autoritär, ihr Verhältnis zu den Darstellern
war aber immer noch eindeutig genug. Harrison Ford hat vergeblich
mit Ridley Scott endlos über BLADE RUNNER gestritten, Coppola
ruinierte beinahe Martin Sheens Gesundheit für APOCALYPSE NOW (man
vgl. hierzu die Doku HEART OF DARKNESS über die Entstehung des
Films) und Abel Ferrara zeigt uns seine sehr eigenwillige Methode
mit Schauspielern umzugehen anhand von Madonna in DANGEROUS GAME.
Es ist bezeichnend, dass in diesem Film von Ferrara ein Clip zu
sehen ist, in dem sich Werner Herzog, der Klaus Kinski beinahe
einmal umbringen ließ (man vgl. hierzu MEIN LIEBSTER FEIND), zu den
Dreharbeiten von FITZCARRALDO äußert. Und es verwundert nicht, dass
Lars von Trier in einem Interview gesagt hat, dass er sich bei den
Dreharbeiten von DANCER IN THE DARK ein bisschen wie Herzog gefühlt
habe und das Björk seine Entsprechung für Kinski gewesen sei, somit
seine "liebste Feindin".
Dabei ist es ja schon tröstlich, dass von Trier die
Unstimmigkeiten auf dem Set überhaupt zugibt. Die Praxis heute
sieht meist so aus, dass Regisseure in Interviews und billigen
Making Off-Reportagen das rosige Bild der wunderbaren Dreharbeiten
zeichnen und endlos wiederholen, wie toll es doch war, mit dem
Schauspieler XY zusammenzuarbeiten. Diese glorreichen Schilderungen
sind möglicherweise gelogen, aber wer einmal gesehen hat, wie z.B.
Quentin Tarantino vor seinen Darstellern kriecht, der weiß, dass
sich im Verhältnis Regisseur - Darsteller seit den Tagen Hitchcocks
manches geändert hat. Es besagt schon einiges über die
Machverhältnisse und Prioritäten in der Filmindustrie, dass es (im
Gegensatz zu den Schauspielern) keine Regisseure gibt, denen man
pro Film 20 Millionen Dollar zahlt. Die Position als "Zugpferd"
eines Films nutzen viele Darsteller zur Einflußnahme auf den
Regisseur, wobei es an kreativer Selbstüberschätzung nicht zu
fehlen scheint, wie die unzähligen Schauspieler, die sich dazu
berufen fühlen selber Regie zu führen oder Filme zu produzieren,
beweisen.
Wenn Superstars ihre 20 Millionengagen als Machtinstrument im
"Kampf" mit dem Regisseur benutzen, dann ist das ein Sache. Wenn
aber filmische Laien (trotz ihrer starken Leistung in DANCER IN THE
DARK ist sie ein solcher nun einmal) wie Björk glauben, sie wüßten
a priori wie ein guter Film zu machen sei, dann ist das schon eine
arge Dreistigkeit. Bei jeder Kritik an den kreativen
Entscheidungen von Lars von Trier sollte Björk immer daran denken,
dass es auch seine (sehr mutige und auch richtige) Entscheidung
war, sie überhaupt für diese Hauptrolle zu besetzten.
Es beruhigt zu sehen, dass es aber auch noch einen Filmemacher
wie Woody Allen gibt, der genau weiß, was die Schauspieler ohne
einen guten Regisseur wert sind und der sich eine gewisse Arroganz
gegenüber den Darstellern erhalten hat. Dass selbst die größten
Stars trotzdem angekrochen kommen, um für ein geradezu lächerliches
Einheitsgehalt für Allen zu arbeiten, spricht für sich.
Michael Haberlander
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