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28.06.2001
 
 
   
 

Filmfest München 2001

 
Guy Pearce in MEMENTO
     
 
 
 
 

Ja, jetzt is' es wieder soweit, die Stadt ist vollgepflastert mit häßlichen Plakaten, die uns sagen: es ist wieder Filmfest München und zwar vom 30.6. bis 7.7.2001. Für's Plakat wurde diesmal Frau Monroe mißbraucht, und wie (fast) jedes Jahr weiß wieder kein Mensch wieso nun gerade dieses Motiv, in diesem Fall die Ikonen der Ikonen, auf dem Plakat gelandet ist. Denn keine Monroe Retrospektive (die sich der Herr Oehmann so sehnlichst gewünscht hatte) und auch kein Film mit ihr befinden sich im Programm. Wieso nicht ein Plakat mit Jacqueline Bisset, die mit dem CineMerit Award und einer kleinen Reihe geehrt wird? Traut man dem Konterfeit von Frau Bisset nicht zu, allen sofort zu signalisieren, daß es sich bei der beworbenen Veranstaltung um ein "internationales" Filmfestival handelt und nicht um eine Bratwurstwettesserei? Man könnte jetzt sagen, das zeugt wieder von der Münchnerischen Sucht recht weltmännisch daherzukommen, was gerade solchen Veranstaltungen immer im Weg steht - oder sind es diese Veranstaltungen, die der Stadt (zu einem Teil) dieses wenig schmeichelhafte Image geben? Wir wissen nicht wirklich was hinter der Münchner Marilyn steht, und so bleibt es ein Rätsel, dessen Lösung vermutlich nur der Eberhard Hauff persönlich kennt. Apropos Hauff: er hat dieses Jahr keine Einleitung für die Filmfest Illustrierte geschrieben - Gott sei Dank - oder vielleicht doch leider? Insgeheim haben wir doch gehofft, daß er seinen hochnotpeinlichen Rap-Text des letzten Jahres noch zu toppen versucht... aber wie gesagt: leider hat er es nicht getan.

Doch leiten tut er das Festival nach wie vor und dementsprechend hat sich auch kaum was geändert. Man hat zwar dieses Jahr etwas weniger Filme im Angebot, übersichtlicher wurde das Fest deswegen nicht. Denn trotz dem Verschwinden der französichen Reihe gibt es wohl mehr Reihen denn je. Und das funktioniert indem man z.B. die Reihe World Cinema nochmal in eine kleine Spezial Reihe mit dem Titel "Der besondere Blick" ausdifferenziert oder indem man drei, vier Werkschauen bzw. Porträts von Filmaktiven veranstaltet, die es bisher auf drei oder auch ein paar mehr Filme bringen oder von deren Filmen man nicht einmal die Hälfte im Programm hat. Daß sich unter den erwähnten Personen auch Jean-Pierre Jeunet (DELICATESSEN, ALIEN 4 und sein neuer Film DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE) und Terence Davis (DISTANT VOICES, STILL LIVE und der neue HAUS BELMONT (THE HOUSE OF MIRTH)) befinden, ist schön und löblich - diese Filme kann man auch gleich empfehlen, wenn man sie nicht eh schon mehrfach gesehen hat. Aber übersichtlicher macht diese Anhäufung von Reihen, Sondervorführungen, Porträts, Tributes und wie sie alle heißen mögen den ganzen Münchner Gemischtwarenladen nicht. Mit anderen Worten: es fehlt mal wieder am großen Konzept hinter dem großen Anspruch. Der Anspruch wird diesmal zumindest mit einem Symposium mit dem Titel "Die Zukunft der Bilder" erhoben. Da sind dann durchaus interessante Referenten wie Percy Adlon, Harun Farocki oder Knut Hickethier kostenlos zu hören, jedoch zu Zeiten wo sonst überall die Filme laufen. Und das Hochschulfestival läuft ja auch noch parallel. Und all' das ergibt halt mal wieder einen bunten Flickerlteppich und kein Festival mit erkennbarem Konzept.

Aber alles Schimpfen hilft ja wieder nichts. Und ein bißchen Licht ins Dunkel wollen wir schon noch bringen. So lassen sich die neuen Filme von James Toback HARVARD MAN, Julian Schnabel BEFORE NIGHT FALLS und Todd Solondz STORYTELLING ungesehen empfehlen, da sie zumindest interessant sein werden für den Freund des mehr oder weniger unabhängigen amerikanischen Kinos. Tom DiCillo DOUBLE WHAMMY reiht sich sehr schön in Liste seiner Vorgänger ein, ein kleines schräges Oevre mit deutlichen Leitmotiven scheint hier zu entstehen. Wie in LIVING IN OBLIVION und ECHT BLOND (THE REAL BLONDE) geht es um das Filmemachen, Männerphantasien und auch immer wieder um die Gewalt in der "Realität" und Medien - und das alles im Gewand einer entspannten Komödie. Ebenso gesehen und für wahrhaft hervorragend befunden ist der Eröffnungsfilm: Jeunets DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE - aber den können Sie auch noch in einem Monat ganz regulär im Kino sehen; im August läuft er in Deutschland an. Auch MEMENTO wird demnächst in unseren Kinos anlaufen, und eines können wir Ihnen sagen: ob Sie den Film nun auf dem Festival sehen oder später - Hauptsache ist Sie lassen ihn sich nicht entgehen. MEMENTO vermittelt eine Spannung wie es lange kein Thriller mehr geschafft hat, wobei die wunderbare Struktur des Films ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordert. Soweit zu den offensichtlichen Dingen. Dann gibt es noch den alten, restaurierten Budd Boetticher Western SEVEN MEN FROM NOW und den neuen Film von Allison Anders THINGS BEHIND THE SUN, ein sehr sehenswert Drama. Schließlich haben wir ein paar ganz spezielle Tips (bzw. Wahrnungen) von unserem Cannes Besucher Claus Schotten anzubieten, die vor allem die Reihe "Junges Asiatisches Kino" betreffen:

MÖGLICHE LIEBEN (AMORES POSEIVES)
Brasilien 2001, R: Sandra Werneck
Nach 15 Jahren trifft Carlos seine geliebte Julia wieder. Ein Anlaß, das bisherige Leben Revue passieren zu lassen und Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Sandra Werneck dekliniert diese Grundidee an drei sehr unterschiedlichen Konstellationen durch. Alle sind in der oberen Mittelklasse Brasiliens angesiedelt, so daß die Protagonisten frei von wirtschaftlichen Zwängen, sich ganz auf ihr Gefühlsleben konzentrieren können. Leider kommt der Film dabei über mittelprächtige Unterhaltung nicht hinaus.
Sa. 30.06.2001, 20:00 Uhr, Arri
Mo. 02.07.2001, 22:30 Uhr, Münchner Freiheit

WÜSTENMOND (TSUKI NO SABAKU)
Japan 2001, R: Shinji Aoyama.
Gelang es Aoyama Shinji auf dem letztjährigen Filmfest noch, uns mit EUREKA dreieinhalb Stunden lang zu fesseln, verbreitet WÜSTENMOND nur noch gepflegte Langeweile. Die Story handelt von einem nach außen hin erfolgreichen Unternehmer der New Economy. Dabei steht er kurz vor dem Zusammenbruch. Seine Frau ist Alkoholikerin und verläßt ihn gerade. Die Firma ist kurz vor der Pleite, weil er wichtige Mitarbeiter vergrault. Alles irgendwie schon mal dagewesen und WÜSTENMOND kann dem Thema keine neuen Facetten abgewinnen.
Mo. 2.7. 20:00 und Do. 5.7. 17:30, Münchner Freiheit

KANDAHAR (SAFAR E GHANDEHAR)
Iran 2000, R: Mohsen Makhmalbaf
Das Reisetagebuch einer Frau, die ins von den Taliban beherschte Kandahar reisen will, um ihrer Schwester zu helfen. Sie selbst war vor 20 Jahren aus Afghanistan geflohen und hat sich in Kanada eine erfolgreiche Existenz aufgebaut. Jetzt gibt sie alles auf, um zu ihrer Schwester zu gelangen, die damals in Afghanistan zurück bleiben mußte. Dem Film ist deutlich anzumerken, dass er für den internationalen Markt produziert wurde. Viele Szenen wurden auf Englisch gedreht. Dadurch wirkt der Film etwas glatt gebügelt und läßt an einigen Stellen den rauhen Charme anderer iranischer Filme vermissen. Insgesamt ist er aber sehr sehenswert, da es Makhmalbaf gelang, poetische Bilder zu finden, die den Wahnsinn und die Absurdität der Situation in Afghanistan vermitteln.
Fr. 06.07. 17:00 Uhr, Gasteig - Carl-Orff-Saal
Sa. 07.07. 20:30 Uhr, Gasteig - Vortragssaal der Bibliothek

TRÄNEN AUS GLAS (BOLI CHAONU)
HK 2001, R: Carol Lai
Wu, ein pensionierter Polizist, sucht seine 16jährige Enkelin in den Straßen von Hongkong. Sie ist von zu Hause angehauen. Die Spur führt ihn zu P., einer Freundin der Gesuchten. Von Erwachsenen will P. nichts wissen. Sie versucht Wu zu entwischen. Nur langsam gelingt es Wu mit seiner beharrlichen Art das Vertrauen von P. zu gewinnen... Der Film beeindruckt durch seine einfühlsamen Blick in die Welt der Jugendlichen, denen Straße und Clique Heim und Familie ersetzen. Es ist ein Blick von außen, aus Wus Perspektive, ohne falsche Glorifizierung, aber auch ohne erhobenen Zeigefinger. Die überzeugenden schauspielerischen Leistungen tragen das ihre zum Gelingen des Filmes bei.
Di. 03.07. 17:15 Uhr, Maxx 1
Do. 05.07. 15:15 Uhr, Maxx 4

P.S.: Auch wenn wir mit der web site des Filmfests diesmal wirklich überhaupt NICHTS zu tun haben und sie nach unserer Meinung absolut augenkrebserzeugend ist, setzen wir doch diesen link, denn auf www.filmfest-muenchen.de finden Sie weitere Infos.

Max Herrmann und Claus Schotten

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