Ja, jetzt is' es wieder soweit, die Stadt ist vollgepflastert mit
häßlichen Plakaten, die uns sagen: es ist wieder Filmfest München
und zwar vom 30.6. bis 7.7.2001. Für's Plakat wurde diesmal Frau
Monroe mißbraucht, und wie (fast) jedes Jahr weiß wieder kein
Mensch wieso nun gerade dieses Motiv, in diesem Fall die Ikonen der
Ikonen, auf dem Plakat gelandet ist. Denn keine Monroe
Retrospektive (die sich der Herr Oehmann so sehnlichst gewünscht
hatte) und auch kein Film mit ihr befinden sich im Programm. Wieso
nicht ein Plakat mit Jacqueline Bisset, die mit dem CineMerit Award
und einer kleinen Reihe geehrt wird? Traut man dem Konterfeit von
Frau Bisset nicht zu, allen sofort zu signalisieren, daß es sich
bei der beworbenen Veranstaltung um ein "internationales"
Filmfestival handelt und nicht um eine Bratwurstwettesserei? Man
könnte jetzt sagen, das zeugt wieder von der Münchnerischen Sucht
recht weltmännisch daherzukommen, was gerade solchen
Veranstaltungen immer im Weg steht - oder sind es diese
Veranstaltungen, die der Stadt (zu einem Teil) dieses wenig
schmeichelhafte Image geben? Wir wissen nicht wirklich was hinter
der Münchner Marilyn steht, und so bleibt es ein Rätsel, dessen
Lösung vermutlich nur der Eberhard Hauff persönlich kennt. Apropos
Hauff: er hat dieses Jahr keine Einleitung für die Filmfest
Illustrierte geschrieben - Gott sei Dank - oder vielleicht doch
leider? Insgeheim haben wir doch gehofft, daß er seinen
hochnotpeinlichen Rap-Text des letzten Jahres noch zu toppen
versucht... aber wie gesagt: leider hat er es nicht getan.
Doch leiten tut er das Festival nach wie vor und dementsprechend
hat sich auch kaum was geändert. Man hat zwar dieses Jahr etwas
weniger Filme im Angebot, übersichtlicher wurde das Fest deswegen
nicht. Denn trotz dem Verschwinden der französichen Reihe gibt es
wohl mehr Reihen denn je. Und das funktioniert indem man z.B. die
Reihe World Cinema nochmal in eine kleine Spezial Reihe mit dem
Titel "Der besondere Blick" ausdifferenziert oder indem man drei,
vier Werkschauen bzw. Porträts von Filmaktiven veranstaltet, die es
bisher auf drei oder auch ein paar mehr Filme bringen oder von
deren Filmen man nicht einmal die Hälfte im Programm hat. Daß sich
unter den erwähnten Personen auch Jean-Pierre Jeunet (DELICATESSEN,
ALIEN 4 und sein neuer Film DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE) und
Terence Davis (DISTANT VOICES, STILL LIVE und der neue HAUS BELMONT
(THE HOUSE OF MIRTH)) befinden, ist schön und löblich - diese Filme
kann man auch gleich empfehlen, wenn man sie nicht eh schon
mehrfach gesehen hat. Aber übersichtlicher macht diese Anhäufung
von Reihen, Sondervorführungen, Porträts, Tributes und wie sie alle
heißen mögen den ganzen Münchner Gemischtwarenladen nicht. Mit
anderen Worten: es fehlt mal wieder am großen Konzept hinter dem
großen Anspruch. Der Anspruch wird diesmal zumindest mit einem
Symposium mit dem Titel "Die Zukunft der Bilder" erhoben. Da sind
dann durchaus interessante Referenten wie Percy Adlon, Harun
Farocki oder Knut Hickethier kostenlos zu hören, jedoch zu Zeiten
wo sonst überall die Filme laufen. Und das Hochschulfestival läuft
ja auch noch parallel. Und all' das ergibt halt mal wieder einen
bunten Flickerlteppich und kein Festival mit erkennbarem
Konzept.
Aber alles Schimpfen hilft ja wieder nichts. Und ein bißchen
Licht ins Dunkel wollen wir schon noch bringen. So lassen sich die
neuen Filme von James Toback HARVARD MAN, Julian Schnabel BEFORE
NIGHT FALLS und Todd Solondz STORYTELLING ungesehen empfehlen, da
sie zumindest interessant sein werden für den Freund des
mehr oder weniger unabhängigen amerikanischen Kinos. Tom DiCillo
DOUBLE WHAMMY reiht sich sehr schön in Liste seiner Vorgänger ein,
ein kleines schräges Oevre mit deutlichen Leitmotiven scheint hier
zu entstehen. Wie in LIVING IN OBLIVION und ECHT BLOND (THE REAL BLONDE)
geht es um das Filmemachen, Männerphantasien und auch immer wieder
um die Gewalt in der "Realität" und Medien - und das alles im
Gewand einer entspannten Komödie. Ebenso gesehen und für wahrhaft
hervorragend befunden ist der Eröffnungsfilm: Jeunets DIE
FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE - aber den können Sie auch noch in einem
Monat ganz regulär im Kino sehen; im August läuft er in Deutschland
an. Auch MEMENTO wird demnächst in unseren Kinos anlaufen, und
eines können wir Ihnen sagen: ob Sie den Film nun auf dem Festival
sehen oder später - Hauptsache ist Sie lassen ihn sich nicht
entgehen. MEMENTO vermittelt eine Spannung wie es lange kein
Thriller mehr geschafft hat, wobei die wunderbare Struktur des
Films ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordert. Soweit zu den
offensichtlichen Dingen. Dann gibt es noch den alten, restaurierten
Budd Boetticher Western SEVEN MEN FROM NOW und den neuen Film von
Allison Anders THINGS BEHIND THE SUN, ein sehr sehenswert Drama.
Schließlich haben wir ein paar ganz spezielle Tips (bzw.
Wahrnungen) von unserem Cannes Besucher Claus Schotten
anzubieten, die vor allem die Reihe "Junges Asiatisches Kino"
betreffen:
MÖGLICHE LIEBEN (AMORES POSEIVES) Brasilien 2001, R:
Sandra Werneck Nach 15 Jahren trifft Carlos seine geliebte
Julia wieder. Ein Anlaß, das bisherige Leben Revue passieren zu
lassen und Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Sandra
Werneck dekliniert diese Grundidee an drei sehr unterschiedlichen
Konstellationen durch. Alle sind in der oberen Mittelklasse
Brasiliens angesiedelt, so daß die Protagonisten frei von
wirtschaftlichen Zwängen, sich ganz auf ihr Gefühlsleben
konzentrieren können. Leider kommt der Film dabei über
mittelprächtige Unterhaltung nicht hinaus. Sa. 30.06.2001,
20:00 Uhr, Arri Mo. 02.07.2001, 22:30 Uhr, Münchner
Freiheit
WÜSTENMOND (TSUKI NO SABAKU) Japan 2001, R: Shinji
Aoyama. Gelang es Aoyama Shinji auf dem letztjährigen Filmfest
noch, uns mit EUREKA dreieinhalb Stunden lang zu fesseln,
verbreitet WÜSTENMOND nur noch gepflegte Langeweile. Die Story
handelt von einem nach außen hin erfolgreichen Unternehmer der New
Economy. Dabei steht er kurz vor dem Zusammenbruch. Seine Frau ist
Alkoholikerin und verläßt ihn gerade. Die Firma ist kurz vor der
Pleite, weil er wichtige Mitarbeiter vergrault. Alles irgendwie
schon mal dagewesen und WÜSTENMOND kann dem Thema keine neuen
Facetten abgewinnen. Mo. 2.7. 20:00 und Do. 5.7. 17:30,
Münchner Freiheit
KANDAHAR (SAFAR E GHANDEHAR) Iran 2000, R: Mohsen
Makhmalbaf Das Reisetagebuch einer Frau, die ins von den
Taliban beherschte Kandahar reisen will, um ihrer Schwester zu
helfen. Sie selbst war vor 20 Jahren aus Afghanistan geflohen und
hat sich in Kanada eine erfolgreiche Existenz aufgebaut. Jetzt gibt
sie alles auf, um zu ihrer Schwester zu gelangen, die damals in
Afghanistan zurück bleiben mußte. Dem Film ist deutlich anzumerken,
dass er für den internationalen Markt produziert wurde. Viele
Szenen wurden auf Englisch gedreht. Dadurch wirkt der Film etwas
glatt gebügelt und läßt an einigen Stellen den rauhen Charme
anderer iranischer Filme vermissen. Insgesamt ist er aber sehr
sehenswert, da es Makhmalbaf gelang, poetische Bilder zu finden,
die den Wahnsinn und die Absurdität der Situation in Afghanistan
vermitteln. Fr. 06.07. 17:00 Uhr, Gasteig -
Carl-Orff-Saal Sa. 07.07. 20:30 Uhr, Gasteig - Vortragssaal
der Bibliothek
TRÄNEN AUS GLAS (BOLI CHAONU) HK 2001, R: Carol Lai
Wu, ein pensionierter Polizist, sucht seine 16jährige Enkelin
in den Straßen von Hongkong. Sie ist von zu Hause angehauen. Die
Spur führt ihn zu P., einer Freundin der Gesuchten. Von Erwachsenen
will P. nichts wissen. Sie versucht Wu zu entwischen. Nur langsam
gelingt es Wu mit seiner beharrlichen Art das Vertrauen von P. zu
gewinnen... Der Film beeindruckt durch seine einfühlsamen Blick in
die Welt der Jugendlichen, denen Straße und Clique Heim und Familie
ersetzen. Es ist ein Blick von außen, aus Wus Perspektive, ohne
falsche Glorifizierung, aber auch ohne erhobenen Zeigefinger. Die
überzeugenden schauspielerischen Leistungen tragen das ihre zum
Gelingen des Filmes bei. Di. 03.07. 17:15 Uhr, Maxx 1 Do.
05.07. 15:15 Uhr, Maxx 4
P.S.: Auch wenn wir mit der web site des Filmfests
diesmal wirklich überhaupt NICHTS zu tun haben und sie nach
unserer Meinung absolut augenkrebserzeugend ist, setzen wir
doch diesen link, denn auf www.filmfest-muenchen.de
finden Sie weitere Infos.
Max Herrmann und
Claus Schotten
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