Ermüdungserscheinungen |
||
Totgequatscht: Brokeback Mountain | ||
(Foto: Tobis Film) |
Von Nani Fux
Ein Film über schwule Cowboys. Gewiss: Tabubruch! Dachte man bei sich, als man erstmals etwas über Brokeback Mountain las. Und dann auch noch: Ang Lee. Der fabelhafte Eisstürmer. Und hat sich schon drauf gefreut.
Aber dann: Golden Globe. Oscarnominierung. Und schon müssen alle Filmjournalisten schreiben wie wild. Über den Film und den Tabubruch und so weiter. Und dann auch noch: Oscar. Für die beste Regie. Sofort müssen alle noch mal was schreiben. Und weil so viele so vieles schreiben, ist der Film bald ausgelutscht wie eine alte Zitrone. Alle zentralen Szenen, alle bewegenden Momente, alle kleinen Gesten: schon beschrieben. Der „Focus“ versucht den Dreh und schreibt einfach auch über schwule Cowboys – aber echte. Titel: „Küsse unterm Cowboyhut“. So verzweifelt kann man sein. Und man selbst stellt sich die essenzielle Frage: Muss ich mir den jetzt überhaupt auch noch anschauen? Muss ich jetzt eigentlich auch noch meinen Senf dazugeben? Eigentlich nicht. Einerseits.
Andererseits hat George W. Bush den Film angeblich auch noch nicht gesehen („Spiegel“). Und mit diesem Menschen möchte man natürlich möglichst wenig gemein haben. Andererseits kann der „Spiegel“ das natürlich selbst nicht so genau wissen, ob George den nun gesehen hat oder nicht. Was anderes bleibt ihm zu sagen schließlich gar nicht übrig. Denn wenn er zugeben würde, ihn gesehen zu haben, dann müsste er ihn in Grund und Boden verdammen. Schwule Cowboys, also bitte. Unterminierung der amerikanischen Moral. Stammt das Skript vielleicht von Al Qaida? Schnell mal ein paar Soldaten in das verantwortliche Hollywoodstudio schicken? Aber das ginge nicht wegen: Oscar.
Ein bisschen ist es so wie mit der Vogelgrippe. Da müssen jetzt auch alle deutschen Journalisten drüber schreiben. Tote Schwäne auf Rügen! Drei Katzen angesteckt und tot! Alle Politiker werfen sich in Position – vorzugsweise neben Männern in Schutzanzügen. Mit ernster Mine. Alle Experten sind schon fix und alle, weil sie dauernd Statements abgeben sollen. Kommt die Pandemie? Wer ist schuld? Und haben wir genug Tamiflu im Keller? Allen geht es auf den Wecker. Den Journalisten. Den Lesern. Dabei haben 83 Prozent aller Deutschen nicht mal Angst vor dem „Killer-Virus“ („Bild“).
Zurück zu Brokeback Mountain: Um 16 Uhr startet die Pressevorführung. Die letzte in München vor dem Deutschlandstart. Jetzt ist es fünf vor vier. Und ich beschließe: Die können mich mal, die schwulen Cowboys. Gewissermaßen Totalverweigerung. Irgendwann schau ich mir den Film ganz gemütlich im Fernsehen an. Nicht sehr cineastisch, aber entspannt und von neuer Lässigkeit. Weil: Dem Medien-Hype entkommen.