09.03.2006

Ermüdungserscheinungen

Brokeback Mountain
Totgequatscht: Brokeback Mountain
(Foto: Tobis Film)

Über Brokeback Mountain und die Vogelgrippe.

Von Nani Fux

Ein Film über schwule Cowboys. Gewiss: Tabubruch! Dachte man bei sich, als man erstmals etwas über Brokeback Mountain las. Und dann auch noch: Ang Lee. Der fabel­hafte Eiss­türmer. Und hat sich schon drauf gefreut.

Aber dann: Golden Globe. Oscar­no­mi­nie­rung. Und schon müssen alle Film­jour­na­listen schreiben wie wild. Über den Film und den Tabubruch und so weiter. Und dann auch noch: Oscar. Für die beste Regie. Sofort müssen alle noch mal was schreiben. Und weil so viele so vieles schreiben, ist der Film bald ausge­lutscht wie eine alte Zitrone. Alle zentralen Szenen, alle bewe­genden Momente, alle kleinen Gesten: schon beschrieben. Der „Focus“ versucht den Dreh und schreibt einfach auch über schwule Cowboys – aber echte. Titel: „Küsse unterm Cowboyhut“. So verzwei­felt kann man sein. Und man selbst stellt sich die essen­zi­elle Frage: Muss ich mir den jetzt überhaupt auch noch anschauen? Muss ich jetzt eigent­lich auch noch meinen Senf dazugeben? Eigent­lich nicht. Einer­seits.

Ande­rer­seits hat George W. Bush den Film angeblich auch noch nicht gesehen („Spiegel“). Und mit diesem Menschen möchte man natürlich möglichst wenig gemein haben. Ande­rer­seits kann der „Spiegel“ das natürlich selbst nicht so genau wissen, ob George den nun gesehen hat oder nicht. Was anderes bleibt ihm zu sagen schließ­lich gar nicht übrig. Denn wenn er zugeben würde, ihn gesehen zu haben, dann müsste er ihn in Grund und Boden verdammen. Schwule Cowboys, also bitte. Unter­mi­nie­rung der ameri­ka­ni­schen Moral. Stammt das Skript viel­leicht von Al Qaida? Schnell mal ein paar Soldaten in das verant­wort­liche Holly­wood­studio schicken? Aber das ginge nicht wegen: Oscar.

Ein bisschen ist es so wie mit der Vogel­grippe. Da müssen jetzt auch alle deutschen Jour­na­listen drüber schreiben. Tote Schwäne auf Rügen! Drei Katzen ange­steckt und tot! Alle Politiker werfen sich in Position – vorzugs­weise neben Männern in Schutz­an­zügen. Mit ernster Mine. Alle Experten sind schon fix und alle, weil sie dauernd State­ments abgeben sollen. Kommt die Pandemie? Wer ist schuld? Und haben wir genug Tamiflu im Keller? Allen geht es auf den Wecker. Den Jour­na­listen. Den Lesern. Dabei haben 83 Prozent aller Deutschen nicht mal Angst vor dem „Killer-Virus“ („Bild“).

Zurück zu Brokeback Mountain: Um 16 Uhr startet die Pres­se­vor­füh­rung. Die letzte in München vor dem Deutsch­land­start. Jetzt ist es fünf vor vier. Und ich beschließe: Die können mich mal, die schwulen Cowboys. Gewis­ser­maßen Total­ver­wei­ge­rung. Irgend­wann schau ich mir den Film ganz gemütlich im Fernsehen an. Nicht sehr cine­as­tisch, aber entspannt und von neuer Lässig­keit. Weil: Dem Medien-Hype entkommen.