Mit Hannelore Hoger am Strand |
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Hier zwar nicht am Strand, sondern gut gelaunt in Ludwigshafen, wo Hannelore Hoger als Bella Block in »Unter den Linden« präsent war |
Von Lina Hauschild
Das Festival des deutschen Films fand im Juni zum achten Mal auf der Parkinsel in Ludwigshafen statt. Wenn man zum ersten Mal als Besucher dort ist, mag man zu Recht überrascht sein, im ansonsten relativ unansehnlichen Industriestandort Ludwigshafen ein wahres Bild der Idylle vorzufinden: Am Ufer des Rheins stehen zwischen riesengroßen, alten Platanen zwei eigens aufgebaute Kinozelte mit ausgezeichnetem Projektionssystem, die jeweils über 1000 Zuschauer fassen. Daneben gibt es ansprechende Gastronomie, einladende Sitzgelegenheiten, auf denen die Menschen auf ihren nächsten Film warten oder die eben erlebte Vorstellung inbrünstig miteinander diskutieren. Überall auf dem kleinen Gelände der Parkinsel wird man von herzlicher Gastfreundschaft umfangen, und im VIP-Bereich schenkt der Festivaldirektor Michael Kötz gegen Abend seinen geladenen Gästen einen unschlagbaren Grauburgunder aus. In eben dieser Atmosphäre trifft man auf entspannte Filmemacher und ein ungewöhnlich aufgeschlossenes Publikum. Völlig Unterschiedliches, wie der vergleichsweise experimentelle, für normale Zuschauer zunächst scheinbar schwierige Essay-Film Beziehungsweisen von Calle Overweg findet hier ebenso eine ungeteilte Aufmerksamkeit wie der eher populistische Wohlfühlfilm Bis zum Horizont, dann links! mit Otto Sander, der wie Sandra Hüller in diesem Jahr den Preis für Schauspielkunst entgegennahm.
Obgleich diese bunte Mischung an Filmen im Rahmen eines vergleichsweise kleineren, privateren Festivals überrascht, ist sie durchaus nachvollziehbar. Neben einer erlesenen Auswahl an »Kritikerlieblingen«, also Filmen, die etwas Neues ausprobieren, und deswegen unbedingt in ein schönes Kino mit vielen Zuschauern gehören, gibt es Filme der längst bestätigten und erprobten Art, die der Insel zugleich den regen Besuch aus den Reihen der deutschen Film- und Fernsehprominenz bescheren. Der Besuch von beispielsweise Hannelore Hoger (zwar auch »Bella Block«, aber eben auch Hauptdarstellerin in Filmen von Alexander Kluge und Edgar Reitz) rief ganze Kaffeekränzchen an Damen im ähnlichen Alter auf den Plan, für die es eine willkommene Sensation war, sich mit der souveränen Frau Hoger fotografieren zu lassen oder ihr ganz direkt Komplimente über ihre Garderobe zu machen.
Etwas ganz Besonderes sind die Filmgespräche, die im Anschluss an die Vorstellungen in der Privatsphäre eines eigenen kleinen, aber offenen Zeltes stattfinden, und für jeden zugänglich sind. Anwesende Filmemacher und Schauspieler des zuvor gezeigten Films werden zunächst von Filmkritikern befragt, anschließend darf auch aus dem Publikum jeder, der Lust hat, Fragen stellen oder Anmerkungen machen. So ging die Diskussion nach Schuld sind immer die anderen zum Beispiel irgendwann gar nicht mehr um den Film an sich, sondern drehte sich leidenschaftlich um den Sinn von Sozialarbeit, um Politik und Gesellschaft, was daran erinnerte, dass sich das breite Publikum von Filmen in erster Linie aufgrund von persönlichen Erfahrungen oder Bedürfnissen angesprochen fühlt. Doch das bedeutet keineswegs, dass sich nicht genauso mit Struktur oder Machart auseinandergesetzt wird, und hierzu auch klare Position bezogen wird: Bei der Diskussion nach Für Elise zum Beispiel kamen selbst die Moderatoren ins Staunen, als ein älterer Herr ganz sensible und detaillierte Äußerungen zur Montage machte, die auf einen absoluten Kenner schließen ließen, und dann am Schluss die unschuldige Frage stellte, was eigentlich der Produzent überhaupt macht. Diese Art von unmittelbarem Austausch kommt nicht nur bei den Zuschauern gut an, auch die Filmemacher profitieren vom direkten, ungefilterten Kontakt zum Publikum und seinen Gedanken. Man mag sich vielleicht darüber wundern, dass ein »Bella Block«-Fernsehreihenstück nun gleich im Wettbewerb läuft und nicht besser Jan Speckenbachs mutiger Kinospielfilm Die Vermissten, der lediglich in einer Nebensektion gezeigt wurde, aber eine ganz entscheidende Sache macht das Festival des deutschen Films radikal richtig: Es bekommt die 1000 Plätze pro Vorstellung mühelos voll, und das selbst bei Filmen, die anderswo um jeden einzelnen Zuschauer kämpfen müssen.