28.06.2012

Mit Hannelore Hoger am Strand

Hannelore Hoger in Ludwigshafen
Hier zwar nicht am Strand, sondern gut gelaunt in Ludwigshafen, wo Hannelore Hoger als Bella Block in »Unter den Linden« präsent war

Experimentelles, Populäres, Filmgespräche und Kaffeekränzchen beim 8.»Festival des Deutschen Films« in Ludwigshafen

Von Lina Hauschild

Das Festival des deutschen Films fand im Juni zum achten Mal auf der Parkinsel in Ludwigs­hafen statt. Wenn man zum ersten Mal als Besucher dort ist, mag man zu Recht über­rascht sein, im ansonsten relativ unan­sehn­li­chen Indus­trie­standort Ludwigs­hafen ein wahres Bild der Idylle vorzu­finden: Am Ufer des Rheins stehen zwischen riesen­großen, alten Platanen zwei eigens aufge­baute Kinozelte mit ausge­zeich­netem Projek­ti­ons­system, die jeweils über 1000 Zuschauer fassen. Daneben gibt es anspre­chende Gastro­nomie, einla­dende Sitz­ge­le­gen­heiten, auf denen die Menschen auf ihren nächsten Film warten oder die eben erlebte Vorstel­lung inbrünstig mitein­ander disku­tieren. Überall auf dem kleinen Gelände der Parkinsel wird man von herz­li­cher Gast­freund­schaft umfangen, und im VIP-Bereich schenkt der Festi­val­di­rektor Michael Kötz gegen Abend seinen geladenen Gästen einen unschlag­baren Grau­bur­gunder aus. In eben dieser Atmo­s­phäre trifft man auf entspannte Filme­ma­cher und ein unge­wöhn­lich aufge­schlos­senes Publikum. Völlig Unter­schied­li­ches, wie der vergleichs­weise expe­ri­men­telle, für normale Zuschauer zunächst scheinbar schwie­rige Essay-Film Bezie­hungs­weisen von Calle Overweg findet hier ebenso eine unge­teilte Aufmerk­sam­keit wie der eher popu­lis­ti­sche Wohl­fühl­film Bis zum Horizont, dann links! mit Otto Sander, der wie Sandra Hüller in diesem Jahr den Preis für Schau­spiel­kunst entge­gen­nahm.

Obgleich diese bunte Mischung an Filmen im Rahmen eines vergleichs­weise kleineren, priva­teren Festivals über­rascht, ist sie durchaus nach­voll­ziehbar. Neben einer erlesenen Auswahl an »Kriti­ker­lieb­lingen«, also Filmen, die etwas Neues auspro­bieren, und deswegen unbedingt in ein schönes Kino mit vielen Zuschauern gehören, gibt es Filme der längst bestä­tigten und erprobten Art, die der Insel zugleich den regen Besuch aus den Reihen der deutschen Film- und Fern­seh­pro­mi­nenz bescheren. Der Besuch von beispiels­weise Hannelore Hoger (zwar auch »Bella Block«, aber eben auch Haupt­dar­stel­lerin in Filmen von Alexander Kluge und Edgar Reitz) rief ganze Kaffee­kränz­chen an Damen im ähnlichen Alter auf den Plan, für die es eine will­kom­mene Sensation war, sich mit der souver­änen Frau Hoger foto­gra­fieren zu lassen oder ihr ganz direkt Kompli­mente über ihre Garderobe zu machen.

Etwas ganz Beson­deres sind die Film­ge­spräche, die im Anschluss an die Vorstel­lungen in der Privat­sphäre eines eigenen kleinen, aber offenen Zeltes statt­finden, und für jeden zugäng­lich sind. Anwesende Filme­ma­cher und Schau­spieler des zuvor gezeigten Films werden zunächst von Film­kri­ti­kern befragt, anschließend darf auch aus dem Publikum jeder, der Lust hat, Fragen stellen oder Anmer­kungen machen. So ging die Diskus­sion nach Schuld sind immer die anderen zum Beispiel irgend­wann gar nicht mehr um den Film an sich, sondern drehte sich leiden­schaft­lich um den Sinn von Sozi­al­ar­beit, um Politik und Gesell­schaft, was daran erinnerte, dass sich das breite Publikum von Filmen in erster Linie aufgrund von persön­li­chen Erfah­rungen oder Bedürf­nissen ange­spro­chen fühlt. Doch das bedeutet keines­wegs, dass sich nicht genauso mit Struktur oder Machart ausein­an­der­ge­setzt wird, und hierzu auch klare Position bezogen wird: Bei der Diskus­sion nach Für Elise zum Beispiel kamen selbst die Mode­ra­toren ins Staunen, als ein älterer Herr ganz sensible und detail­lierte Äuße­rungen zur Montage machte, die auf einen absoluten Kenner schließen ließen, und dann am Schluss die unschul­dige Frage stellte, was eigent­lich der Produzent überhaupt macht. Diese Art von unmit­tel­barem Austausch kommt nicht nur bei den Zuschauern gut an, auch die Filme­ma­cher profi­tieren vom direkten, unge­fil­terten Kontakt zum Publikum und seinen Gedanken. Man mag sich viel­leicht darüber wundern, dass ein »Bella Block«-Fern­seh­rei­hen­s­tück nun gleich im Wett­be­werb läuft und nicht besser Jan Specken­bachs mutiger Kino­spiel­film Die Vermissten, der lediglich in einer Neben­s­ek­tion gezeigt wurde, aber eine ganz entschei­dende Sache macht das Festival des deutschen Films radikal richtig: Es bekommt die 1000 Plätze pro Vorstel­lung mühelos voll, und das selbst bei Filmen, die anderswo um jeden einzelnen Zuschauer kämpfen müssen.