Im Treibhaus Bonn |
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Christian Droemer als SPD-Abgeordneter Felix Keetenheuve |
Von Dunja Bialas
Politik liegt in der Luft: Willy Brandt hat soeben seinen 100. Geburtstag gefeiert, die Große Koalition wurde besiegelt. Fragen kommen auf: Wieso freut sich Sigmar Gabriel so? Warum lächelt Merkel? Was macht die Opposition? Ist Politik wieder aufregend?
Vor sechzig Jahren war alles noch anders. Da fragte man nicht nach solchen Dingen, Politik war eine schlichte Notwendigkeit. Unter Adenauer wurde die sogenannte »Westintegration« beschlossen, die wirtschaftliche, politische und militärische Eingliederung Deutschlands in die westeuropäischen Staaten und die USA. Eine wegweisende Weichenstellung, die uns alle maßgeblich geprägt hat. Doch, es muss eine aufregende Zeit gewesen sein damals, als noch alles offen war.
Deshalb auch hat der Schriftsteller Wolfgang Koeppen in seiner »Trilogie des Scheiterns« die Adenauer-Jahre der Nachkriegs-Ära begleitet und ein politisches Sittenbild der damaligen Bonner Republik gezeichnet. In dem zweiten Roman der Trilogie, »Das Treibhaus« von 1953, geht es um den fiktiven SPD-Abgeordneten Felix Keetenheuve, der in Bonn genau diesen entscheidungsträchtigen Moment in Form einer Rede mitgestalten soll. Am Ende des Tages wird er gegen seine pazifistischen Überzeugungen gesprochen, beinahe eine 16-Jährige geliebt haben und seinem Leben, als er dessen Fratzenhaftigkeit erkennt, ein Ende setzen.
Viel wurde diskutiert, inwiefern »Das Treibhaus« historischen Tatsachen entspricht und als Schlüsselroman gelesen werden kann, wogegen sich Koeppen zwar vehement, aber erfolglos verwehrt hat, zu erkennbar konnten einzelne Romanfiguren auf Personen des politischen Lebens bezogen werden. Peter Goedel, Regisseur von oftmals fiktiv durchsetzten Dokumentarfilmen, hat genau dieses Flirten mit den Tatsachen stark gemacht, und 1987 den Roman unter demselben Titel, Das Treibhaus, verfilmt. In die Spielfilmhandlung lässt er immer wieder historisches Material einfließen, was die Handlung auf eine Weise mit der Adenauer-Zeit verschränkt, wie es nur ein Film leisten kann. Das ist künstlerische Freiheit, die aus dem Rückblick ein großer Glücksfall ist.
Aber: Hat der Schriftsteller den Film gesehen? Wie findet er die Durchsetzung der Fiktion mit Fakten? In seiner Dokumentation Gespanntes Verhältnis, Literatur und Politik im Treibhaus Bonn zwei Jahre nach der Verfilmung von »Das Treibhaus« hat Goedel dies Koeppen zwar nicht gefragt, geht aber im Gespräch mit Zeitzeugen und dem Schriftsteller der Überlegung nach, inwiefern der Roman die politische Realität von damals abbildet bzw. nachzeichnet. Goedel stellt sich also der Legitimität seines Vorgehens. Im Zeitalter von »historischen« Spielfilmen, die es mit Faktentreue nicht sonderlich ernst nehmen, ein wunderbares Zeugnis aus einer Zeit, als Filme noch politisch waren und sich selbst sehr ernst nahmen.
Film – Diskussion – Dokumentation: DAS TREIBHAUS von Peter Goedel. Anschließend an die Vorführung von Das Treibhaus findet eine Podiumsdiskussion mit Peter Goedel (Regisseur), Franziska Augstein (Journalistin) und Hans-Ulrich Treichel (Koeppen-Experte und Herausgeber der neuen Werkausgabe) statt, die dem Geist und dem Wirken des Romans nachgeht. Die Dokumentation Gespanntes Verhältnis, Literatur und Politik im Treibhaus Bonn wird abschließend gezeigt.
Do., 19.12.13, 19.00 Uhr in der »Open Scene«, Filmmuseum München, St.-Jakobs-Platz 1.