Beruf Kinooperateur |
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Plakat der Kinotechnischen Abteilung an der Deutschen Filmschule in München, 1930. (Mit herzlichem Dank an Dieter Hinrichs und den Fachbereich Gestaltung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München) |
Von Petra Kraus
Nicht nur die sich verfeinernde technische Anwendung in Fotografie und Film machte im beginnenden Zwanzigsten Jahrhundert geregelte Ausbildungswege und wissenschaftliche Neueinordnungen im staatlichen Bildungssystem der Hochschulen und Akademien notwendig. Ein gemeinsamer Impuls durchzog diesen Zeitabschnitt auch auf neuen kulturwissenschaftlichen Gebieten wie Kunstgeschichte oder Theaterwissenschaften. Deutlicher Markierungspunkt für die technischen
Ausbildungswege auf dem Gebiet der Kinematografie war unzweifelhaft der Erste Weltkrieg, der frühe filmische Verwertungen im Bereich der Dokumentation und Information erkennbar machte, so die beginnende Wochenschauberichterstattung, vor allem jedoch die Möglichkeiten der Propaganda, worauf auch Martin Loiperdinger (1995) hinweist.
Ein Pressevergleich anhand von deutschen Makroaufnahmen mit der, während des Krieges entwickelten amerikanischen Aufnahmetechnik,
bringt einen deutschen Journalisten im Jahr 1919 zum Urteil: man könne absolut mithalten. Die Qualität des neuen Makroaufnahmeverfahrens war augenscheinlich, nach Beurteilung des Berliner Kritikers Jli: Natur im Film in der Vossischen Zeitung am 26.9.1920, bahnbrechend.
Die Ausbildungssituation jedoch – nicht stets in Hand seriöser Unternehmen und in rein privatwirtschaftlicher Eigen-Regie, galt es künftig zu kontrollieren, um sie den staatlichen Interessen
unterzuordnen. Früh erkannt hatte vor allem die Sowjetunion diese Notwendigkeit, so wurde die weltweit erste staatliche Filmschule, das russische Staatsfilminstitut S.A. Gerasimow im Jahr 1919, als Schlussfolgerung der revolutionären Notwendigkeiten gegründet. Bereits im folgenden Jahr kam es trotz anfänglicher Beschaffungsschwierigkeiten von Filmmaterial zu einer international beachteten Filmvorführung in Berlin, die aufgrund der hinzugewonnenen Lehrer
Eisenstein, Pudowkin, Dowschenko bahnbrechende Einflüsse versprachen, welche sich zuerst im deutschen Stummfilm niederschlagen sollten. Dies fand immerhin neun Jahre vor der Gründung der südkalifornischen UCS statt, an der man ab 1932 als erstem amerikanischen College mit dem Bachelor in Kinematografie abschließen konnte.
An der ersten Schule in Deutschland, der Deutschen Filmschule in München von 1921, deren Kinotechnische Abteilung an die Höhere Fachschule für
Phototechnik (die spätere Bayerische Staatslehranstalt für Lichtbildwesen, bis 2003 als Staatliche Fachakademie für Fotodesign München wirkend und seitdem als Fachbereich Gestaltung an die Münchner Fachhochschule angeschlossen), ausgegliedert war, studierten u. a. der Regisseur Willy Zielke, der Bildjournalist Hans Schreiner oder die als Fotografin bekannte Lotte Jacobi. Ihr folgte unmittelbar die »Prüf- und Versuchsanstalt« an der Technischen Hochschule in
Berlin.
Die Suche nach künstlerischer Qualität führte den Präsidenten der Künstlergewerkschaft Bayern, Julius Freiherr von Klinkowström, in einem Schreiben an den Kultusminister Hofmann am 18. Januar 1919 zu folgender Klage: »Die Künstlergewerkschaft Bayerns hält es für Ihre Pflicht, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass in den letzten Monaten eine Reihe von Filmschulen in München eröffnet worden sind, die zum Teil auf einer unreellen Basis fussen..., die keineswegs einem höheren
Kunstinteresse dienen, sondern lediglich eine Ausbeutungspolitik Laien gegenüber betreiben, indem sie ihnen grosse Honorare für einen Unterricht abnehmen, der kein Unterricht ist.« (Bayer. HstA, MK 50671)
Der »Wildwuchs« an privaten Filmschulen nahm ebenso überhand wie unüberprüfte Schauspielschulen und andere zweifelhafte Ausbildungsinstitute. Eine staatlich kontrollierbare Regelung wurde nötig. Die Umsetzung empfahl einen Rückgriff auf bereits vorhandene Strukturen.
So entstand Deutschlands erste Filmschule, die Deutsche Filmschule in München e. V., ein Verbund aus dem Otto-Falckenberg-Verein e. V. zur Ausbildung von Schauspielern und Regisseuren, und der Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie. Eine ihrer Klassen war die Kinotechnische Abteilung, die in erster Linie Kinooperateure, in der heutigen Bezeichnung Filmtechniker aber auch Kameraleute ausbildete. Sie befand sich im Gebäude der Fotoschule.
Ein grundsätzliches
Problem auf dem Weg zur ersten staatlich anerkannten Filmschule ergab sich durch die mangelnde Akzeptanz der beiden Gründerväter Ernst Reicher und Julius von Klinkowström. Reicher war Filmschauspieler und wurde am 13. Juli 1919 vom Kultusministerium als Gründer einer Filmschule genannt, die von der Kammer des Innern beschleunigt zu genehmigen sei (Bayer. HstA, MK 50671). Klinkowström sah sich durch Reichers Angebot im September 1919 bereits als Akademiedirektor, erfragte
jedoch auch die Zustimmung des Ministeriums für Kultus. Im Verlauf des Frühjahrs 1920 wurden dort vermutlich seitens der Filmindustrie Zweifel an der Kompetenz beider Schulinitiatoren laut. Eine entscheidende Rolle spielt die Eingabe des Staatsministeriums für Handel, Industrie und Gewerke an das Kultusministerium vom 19.3.1920: Der Verband der Filmfabrikanten wollte als neu zu gründender bayerischer Wirtschaftsverband Träger der Filmschule sein. Man
argumentierte, dass die »...Genehmigung an den Wirtschaftsverband das geeignete Mittel für [die] Bekämpfung des bekannten Filmschulenschwindels« (Bayer. HstA, MK 50671, Minister Meinel am 19.3.1920) sei. Bis Ende 1922 waren 37 Firmen und 5 Einzelpersonen dem Verein der Münchner Filmschule beigetreten. Die Interessen des Staates und der Filmunternehmen bestanden darin, die neue, stark zu Markte drängende Berufsgruppe der Filmschaffenden zu schützen und dadurch
selbstverständlich auch zu kontrollieren.
Erster Vorsitzender des Wirtschaftsverbands war der Großindustrielle Peter Ostermayr, Geschäftsführer der Emelka-Filmstudios (Münchner Lichtkunst GmbH seit 1918, seit 1932 zusammen mit anderen Produktionen die Bavaria-Filmstudios) auf dem heutigen BAVARIA-Studiogelände in Geiselgasteig zwischen München und Grünwald.
Doch auch andere Verbände nahmen Einfluss auf das künftige Ausbildungsrecht im Filmgewerbe, so die Münchner
Studiengesellschaft für das Film- und Kinowesen. Deren Kuratorium bestand aus Mitgliedern einer akademischen Oberschicht, das die allzu freie Entwicklung der Filmindustrie auch künstlerisch zu zügeln versuchte: »Als ein weiteres Ziel...ist die Errichtung einer Film-Akademie in München von der Gesellschaft ins Auge gefaßt, in welcher Regisseure, Darsteller und andere bei der Filmerzeugung stilbestimmend mitwirkende Kräfte eine sachgemässe Ausbildung erfahren und
dadurch in den Stand gesetzt werden sollen, einwandfreie Filme zu schaffen, welche statt die Bevölkerung moralisch zu schädigen, einen günstigen, erhebenden und geistig fördernden Einfluß ausüben und insbesondere auch der Jugenderziehung dienen können.« (Bayer. HStA, MK 40522, Prof. Fuchs für das Kuratorium am 30.10.1919, Kuratoriumsmitglieder u. a.: Redakteur Baumgärtner, Münchener Neueste Nachrichten, Rabbiner Dr. Baewald, Generalvikar Dr. Buchberger, Freiherr von
Cramer-Klett, Prof. Halm, Direktor des Nationalmuseums, die Stadträte Held, Scharnagel und Weiss, der Vorstand der Zentralstelle für Volksaufklärung Paul Kampfmeyer, Geheimrat Dr. Oskar von Miller, F. X. Schönhuber, Oberlehrer, Samuel Weiss, Fabrikant). Diese Äußerungen sind trotz ihrer kulturpolitischen positiven Bedeutung auch noch im Sinne der »Kinoreformbewegung« der Zehner Jahre zu lesen. Die Sorge um die »geistige Volksgesundheit« angesichts der stark
angewachsenen Produktion von Kinodramen rief akademische Sittenwächter auf den Plan, die das Zensurwesen einführten, sich aber auch erstmals systematisch und in Vereinen organisiert mit dem Filmwesen auseinandersetzten, vgl. Jörg Schweinitz, Abwehr und Vereinnahmung: bildungsbürgerlicher Reformeifer; in: Jörg Schweinitz, Prolog vor dem Film, Leipzig 1992.
Das Kuratorium beschloss am 20. Mai 1920, ebenfalls eine Filmschule zu gründen. Die Vorhaben des
Wirtschaftsverbands und des Kuratoriums lösten Reichers und von Klinkowströms Projekt vermutlich ab. Am 5. Juli wurde der Rücktritt Reichers in einem Schreiben an den Ministerialrat Dr. Korn vom Kultusministerium bestätigt, zugunsten des Wirtschaftsverbands als Schulträger.
Am 17. Januar 1921 beschließt der Gründungsverein die Ausgliederung der Kinotechnik an die Fotoschule. Seitens der Staatsregierung ist seither generell »das Bedürfnis zur Errichtung einer
Filmschule (...) als gegeben anzunehmen.« (Bayer. HStA, MK 40522) Im September wurde die Schule vom Ministerium des Innern genehmigt. Als Direktor wurde der ehemalige Oberstleutnant Wilhelm von Berchem ernannt. Die Kinotechnische Abteilung leitete Dr. K. Wolter von der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft (D.K.G.). Am 4. November 1921 fand die offizielle Eröffnung der Filmschule statt, die ausführlich in der Fachpresse gewürdigt wurde. Die Kinotechnische Abteilung nahm
ihre ersten Schüler zum 1. Mai 1922 auf.
Obwohl das Schulkonzept bewusst mehrere Schulen einbezog, war es schwierig, engen Kontakt untereinander zu halten. Die Fotoschule lag in der Clemensstraße 33, mitten im Schwabinger Künstlerviertel. Viele Vorlesungen fanden in den Hörsälen der Ludwig-Maximilians-Universität an der Ludwigstraße statt. Der Rest der Deutschen Filmschule sollte zunächst bei den Emelka-Studios in Geiselgasteig in einem extra errichteten Neubau unterkommen
und zog dann in die zentral gelegene Sonnenstraße. Die Schüler trafen sich also nur zu den praktischen Filmübungen in den Semestern.
Die Büroräume der Filmschule befanden sich am Karlsplatz 6 und in der bereits erwähnten Sonnenstraße 15. Die Räume 85-86 im dritten Stock verlieh der erste Münchener Filmklub an die neue Filmschule. Die Suche nach geeigneten Räumen für die Kinotechnik führte zu einem Ausbau der Dachetage der Fotoschule mit zwei kleinen Filmateliers ohne
professionelle Ausstattung und drei Nachbearbeitungsräumen zum Schneiden und Kopieren.
Zum 1. Juli 1921 wurde die Fotoschule verstaatlicht. Dieses Privileg wurde am 22. Juli 1922 ebenso der eingegliederten Kinotechnischen Abteilung zuteil. Die staatliche Zuständigkeit konnte jedoch nicht auf die ganze Filmschule ausgedehnt werden. Für die herausgelöste Angliederung der technischen Abteilung sprach gewiss eine auf fünf Jahre gesicherte Finanzierung durch den
Berufsverband der Filmwirtschaft.
Als interessant erweist sich die Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Deutschen Filmschule. Der Produzent Rudi Attenberger ebenso wie Peter Ostermayr oder der Produzent Oskar Messter unterstützten einen geregelten Ausbildungsweg in der deutschen Filmwirtschaft. In einer werbewirksamen Beschwerde richtete sich der Wirtschaftsverband im Chor mit den Münchener Neuesten Nachrichten vom 16. Juni 1922 beim Kultusministerium gegen
den »Schwindel mit den Filmdarstellungskursen, ... unlauteres Geschäftsgebaren...sogenannte[r] Leiter von Filmschulen« (Bayer. HstA. MK 40522). Dies nahm der Vorsitzende Korn in seiner Eröffnungsrede zur Filmschule wieder auf. Er hoffe, »daß die Unkultur und [der] Kitsch von den Lichtspielbühnen fernzuhalten.« sei. In den Notizen des Staatsrats Doerry findet sich seit dem Frühjahr 1922 der Entwurf eines Reichsbühnengesetzes seitens des Innenministeriums zur
Ausbildungsregelung in Bühne, Film, Ballett, Chor und Musik. Der wichtigste Gesichtspunkt an der zumindest teilweise direkt staatlich unterstützten Gründung der Filmschule war »in bejahendem Sinne Stellung zu der Frage der Wichtigkeit der Kinematographie im Volksleben, in Wissenschaft, Kultur und Technik«, s. Die Kinotechnik, 3(1921)15, S. 585, zu nehmen.
Der Vertrauensmann der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft (D.K.G.) für Bayern, der Ingenieur Jaensch, vertrat den Verband bei der gemeinsamen Errichtung zweier Filmschulen in den beiden deutschen Filmmetropolen Berlin und München. Die Deutsche Filmschule stellte in ihrem breit gestreuten Ausbildungsspektrum tatsächlich die erste allgemein zugängliche Filmausbildungsstätte Europas dar. Sie folgte damit dem russischen Vorbild des Staatsfilminstituts. Die Pariser
Filmschule »École Technique de Photographie et Cinématographie« eröffnete erst gegen 1926. Die Berliner »Prüf- und Versuchsanstalt« an der Technischen Hochschule gab im gleichen Jahr gewissermaßen den Anstoß zur Umsetzung einer zum Teil ähnlich ausgerichteten Schule im Umfeld der Geiselgasteiger Filmstudios. Die D.K.G. garantierte der Filmindustrie eine schulübergreifende Zusammenarbeit. Diese parallele Entwicklung beschleunigte durchaus die Beschlussfreude
innerhalb der Münchner Film- und Ministerialkreise. Einen Vergleich der Lehrpläne gibt es durch Film-Ingenieur Lasally, D.K.G. Charlottenburg, Der Nachwuchs in der Kinotechnik; in: Die Kinotechnik, 5(1923)5, S. 119-121. Ziel in München war es Anwendungstechniker heranzuziehen, während Berlin Forschungstechniker ausbildete.
Neben dem Argument, dem »Wildwuchs« in der Branche Einhalt zu gebieten, bestanden noch andere Gründe, endlich die Ausbildung im Filmbereich zu
normieren. Das Stichwort der Standortkonkurrenz liegt nahe, derzufolge der innovative Vorreiter solch einer Schule zusätzliches Vertrauen im Zuge seiner erweiterten Kompetenzen genießt. Abgesehen von diesen Gründen, die einer gewissen, für jede Berufsgruppe typischen Eitelkeit entspringen, war es schwierig, ausreichend qualifizierten Nachwuchs in die florierende Filmwirtschaft einzubringen. Gehilfen, die den heute immer noch gängigen Praktikanten im Filmmarkt entsprechen,
konnten gar nicht in dem Maße angelernt werden, wie sie benötigt wurden. Fachzeitschriften wie Die Kinotechnik waren voller Berichte über technische Neuentwicklungen, neues Kamerazubehör, Tonaufnahme- und sogar Farbaufnahmeverfahren. Aber auch im Licht- und Nachbearbeitungsbereich versiegten die Innovationen über Jahrzehnte nicht. Die Aufbruchstimmung lässt sich hervorragend mit der heutigen Computerentwicklung in Hard- und Software und dem gesamten angrenzenden
Unterhaltungsmarkt in unserer Zeit vergleichen.
Solide fotografische und lichttechnische Kenntnisse waren ein nötiges Fundament zur anschließenden Spezialisierung. Diese Grundlage fehlte nur zu oft den freien Einsteigern in den Filmmarkt. Unabdingbar ist auch eine fachkundige Auseinandersetzung mit den ästhetischen Ausdrucksformen des Films. Genau hier setzte der Lehrplan der Münchner Filmschule an.
Die Deutsche Filmschule war in vier Bereiche gegliedert: die
Kinotechnik; die Abteilung für Szene, Regie und Darstellung; die kaufmännische Abteilung, welche der Produktion von heute nahe kommt, und die wissenschaftlich-literarische Abteilung. Diesen vier Bereichen stand erstmals ein Archiv für das Filmwesen gegenüber. Die Ausbildung zum Kinooperateur dauerte vier Semester, konnte aber bei entsprechender Voraussetzung, nämlich einer abgeschlossenen Fotografenlehre, mit dem dritten Semester beginnen. Im ersten Jahr lernten die
Filmschüler mit den Fotoschülern in der Abteilung I das Fach Berufsfotografie. Technik und Anwendung, Zeichnen, Optik, Chemie, Elektrik, Buchführung und Gesetzeskunde bildeten hier die Lehrinhalte. Hinzu kamen im zweiten Jahr Filmästhetik und praktische Kinematographie, auch Mikro- und später Luftbildkinematographie sowie vertieftes Filmrecht. Die Leiter der Kinotechnik waren von 1922 bis 1925 Dr. Wolter, von 1925 bis 1933 Ing. Ludwig Koch. In den letzten Jahren bis
1935 übernahm der langjährige Fachlehrer Wilhelm Hofinger, der seit 1926 in der Abteilung unterrichtete, die Filmausbildung im Alleingang. Der Kameramann Hans Schreiner, ein ehemaliger Absolvent der Kinotechnik aus dem Jahr 1925, lehrte Mikrophotographie.
Der spätere Filmregisseur Willy Zielke unterrichtete die Oberstufe von 1928 bis 1934 in Fotografie, speziell den Bromöldruck – bis zu seiner ersuchten Beurlaubung zur Erfüllung des Filmangebots der Reichsbahn. Zielke unterstützte den Filmunterricht durch sein praktisches Interesse, das ihn oft noch in den Abendstunden mit Beleuchtung und fotografischen Verfahren in den Schulräumen experimentieren ließ. Mit der zu Testzwecken von Agfa überlassenen
Schmalfilmkamera Movex (16mm) machte Zielke 1931 erste Filmerfahrungen im Selbststudium, die er bald an die Schüler weitergab. Bubi träumt von 1931 erzählt aus dem Leben eines Zooelefanten aus dem Münchner Tierpark Hellabrunn. Im gleichen Jahr folgte ein filmisches Porträt des stadtbekannten Anton Nicklas, ein Münchner Original. Über das Stadtporträt München. Willy Zielke zeigt seine Stadt kam Zielke zu seinem
nächsten Auftragsfilm, in dem er mit kleinstem Budget ein Bild des sozialen Elends in der Großstadt entwarf: Arbeitslos – Ein Schicksal von Millionen wurde 1932 durch Egon von Werner nach einer Idee Zielkes produziert. Vom Erlös des bis nach Berlin Beachtung findenden Streifens wurde im Münchner Erwerbslosenheim das erste Schmalfilmkino für Arbeitslose eingerichtet. Zielkes Film, an dem nicht
näher bekannte Kinotechnik-Schüler bei den Dreharbeiten beteiligt waren, lief im Beiprogramm Münchner Kinos. Die Handlung, die exemplarisch einen Arbeitslosen ins Zentrum stellte, verlegte Zielke für Fabrikaufnhmen in die Reparaturwerkstätten der Reichsbahn nach Freimann/Fröttmanning. Er entwickelte ein besonderes Aufnahmeverfahren, um ein sich drehendes und fortbewegendes Zugantriebsrad gleichmäßig in seiner Bildeinstellung zu zentrieren. Die Industriefotografie
lag Zielke trotz seiner Gewichtung auf Stilleben und Aktaufnahmen, die er parallel auf Ausstellungen zeigte, nahe. Der im Jahr 1933 entstandene Film „Die Wahrheit“ mit dem noch unbekannten Schauspieler Beppo Brem als »darbendem Arbeiter« ist tatsächlich ein von der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) unter Rudolf Heß unterstützter Umschnitt, wie Gesine Haseloff 2001, S. 7. ausführt, vonArbeitslos in einen »symphonischen Experimentalfilm«, laut Ulrich
Kurowskis Filmlexikon von 1970. Alle diese Filme, die bereits einige öffentliche Beachtung fanden, sind vermutlich nicht mehr erhalten.
Nach seinem frühen Erfolgsfilm Arbeitslos bekam er 1934 den Auftrag zum Film Das Stahltier der Reichsbahndirektion München, die auf den technisch-ästhetischen Effekt
des Zugrades aufmerksam geworden war, anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Eisenbahn. Hier arbeitete Zielke mit seinem Schüler Hubs Flöter zusammen. Zahlreiche Stills von Flöter und Dokumente, z. T. Zeichnungen, befinden sich im Nachlass Willy Zielkes im Archiv des Filmmuseums Potsdam. Der fotografische Nachlass von Flöter ist im Fotomuseum des Münchner Stadtmuseums aufgearbeitet. Der fertiggestellte Film wurde jedoch durch die Filmprüfstelle München mit einem
Aufführungsverbot belegt, »...die Verbotsbegründung lautete auf ›Schädigung des deutschen Ansehens‹. Ausschlaggebend sei vor allem gewesen, daß die Geschichte der ausländischen Eisenbahnpioniere zu sehr glorifiziert und die Verdienste der deutschen zu wenig gewürdigt worden wären.« (Wetzel/Hagemann in: Kurowski, 1970).
Ein Jahr danach arbeitete Zielke zum ersten Mal bei Leni Riefenstahl mit, um als ergänzender Kameramann das Massenspektakel »Tag der
Wehrmacht – Tag der Freiheit« in Szene zu setzen. Die Beauftragung Zielkes mit der Regie und Kamera für den Prolog des Olympiafilms »Fest der Völker« durch Leni Riefenstahl eine glückliche Folge. Trotz einiger Auseinandersetzungen während der Dreharbeiten betrachtete Leni Riefenstahl Zielke als einen der besten Kameramänner; laut Korrespondenz vom 29.12.1999. Doch entzündete sich eine lebenslanger Streit um Anerkennung zwischen den beiden Bildkünstlern. Willy Zielke
konnte als Regisseur nicht wesentlich Fuß fassen, schrieb verschiedene Drehbuchentwürfe und widmete sich zuletzt wieder sehr erfolgreich der Fotografie.
Der kombinierte Ansatz unterschied die Münchner Ausbildung von der Berliner Versuchs- und Prüfanstalt, die seitens der Filmwirtschaft als Außeninstitut der Technischen Hochschule Film- und Kinoingenieure zur Forschung und Erprobung von Materialien, Apparaten und Verfahren hervorbrachte. München konzentrierte sich im technischen Bereich auf Kinooperateure, also die professionellen Anwender der Verfahren. Aufgrund der herausragenden Ausbildung im optisch-ästhetischen Bereich brachte die Fotoschule erstklassige Kameraleute hervor. Anton Hafner seit den Dreißigern oder der Schauspieler und Reporter Ernst Firnholzer seit den Vierziger Jahren wurden bekannte Kameramänner und Filmregisseure für Fernsehdokumentationen. Ein bekannter Dokumentarfilmregisseur der Vierziger und Fünfziger Jahre in Rumänien wurde der 1912 in Hermannstadt geborene Wilfried Ott, Absolvent von 1935, dessen Bruder das Kölner Wallraff-Richartz-Museum leitete und in Köln auch Film unterrichtete. Ebenso erreichte die 1911 in Breslau geborene Eva Sandberg Anerkennung als Regisseurin. Nach ihrem Schulstudium in den Jahren 1929 und 1930 ging sie als Filmemacherin und Fotografin nach Stockholm. Doch den Hauptteil ihres Lebens verbrachte sie unter dem Namen Eva Siao in China. (Vgl. Siaos Memoiren »China mein Traum, mein Leben«.) Ein späteres »Tochter-Institut« der Fotoschule, das Institut für Bildjournalismus des Kinotechnik-Schülers und Ausbilders Hans Schreiner, setzte in den fünfziger Jahren diese Tradition fort. Viele dort ausgebildete Kameraleute arbeiten bis heute für das Bayerische Fernsehen. Einer von ihnen ist der Kameramann Luy Briechle, der im Alter von 24 Jahren nach dreijähriger Lehrtätigkeit am Institut im Jahr 1959 anlässlich Hans Schreiners unerwarteten Todes die Schulleitung übernehmen sollte. Briechle lehnte in Einschätzung seiner noch geringen Erfahrung ab, das Institut wurde im Herbst 1960 aufgelöst. Briechle erinnert sich an Schreiner als einen herausragenden Menschen und Lehrer, dessen reine und höchst präzisen Grundsätze der unverstellten, direkten Fotografie sich direkt aus seiner Lehrzeit an der Fotoschule in den Zwanziger Jahren ableiten lassen.
Die bekannteste Absolventin der Kinotechnischen Abteilung war Lotte Jacobi, sie war von 1925 bis 1927 unter ihrem eigentlichen Vornamen Johanna an der Schule eingeschrieben, jedoch nicht aufgrund ihrer Filme, sondern als Porträtfotografin in Berlin und in den USA. Einige erhaltene Fotografien belegen freundschaftliche Treffen zur Vorführung von Filmen bei Jakobis Mitschüler Willy von der Mühl. Lotte Jakobi ist die einzige Frau in der Runde ihres Jahrgangs, eine Situation, die ihr sichtlich gefiel. Aus ihren Schuljahren 1926 und 1927 sind vier Kurzfilme von ihr bekannt, zwei Porträts von befreundeten Münchner Künstlern und auch ein Trickfilm. Darunter ein zehnminütiger Film über den Maler Josef Scharl, den Lotte Jacobi 1926 kennenlernte und bewunderte. Er half ihr bei der Umsetzung eines Animationsfilms. Ein weiterer Film über einen Münchner Theaterwissenschaftler hieß »Dr. Kutscher und Familie beim Frühstück«. Über den Verbleib der Filme ist nichts bekannt. Im Jahr 1930 wanderte Jacobi in die USA aus und beschäftigte dort ihren ehemaligen Kinotechnik-Mitschüler Arnold Kirchheimer, Absolvent von 1926, als Mitarbeiter in ihrem Atelier.
Manche Fotoschüler waren später filmschaffend tätig, auch ohne die Kinotechnische Abteilung besucht zu haben. So wurde beispielsweise die Bildjournalistin und Fotografin Germaine Krull, die mit dem niederländischen Dokumentarfilmer Joris Ivens zusammenlebte und arbeitete, auch durch eigene Kultur- und Spielfilme bekannt. Sie war jedoch bereits von 1915 bis 1918 an der Fotoschule. Aus ihrer Begegnung mit Joris Ivens im Jahr 1923 resultierte eine eigene Beschäftigung mit dem Film. Im Jahr 1925 entsteht ihr erster Film Six pour dix Francs. Ihre Kamera- und Montage-Mitarbeit an zwei Kulturfilmen (Autour de Brazzaville, Text Pierre Bernard, und Amitié noire, Text von Jean Cocteau) aus dem Jahr 1943, die über den Belgisch-Kongo im zeittypisch kolonialistischen Tonfall berichten, folgte auf ein charmantes Frühwerk im Stile von Jean Vigo: »Il partit pour un long voyage« von 1932. Krull versteht es ausgezeichnet, dem Blick eines kleinen französischen Schuljungen und dessen wendigen Versteckmanövern zu folgen. Sein Traum ist auszureißen und mit den Schiffern der Pariser Flusskais auf weite Fahrt zu gehen. Gleichzeitig spiegelt der Film die alltägliche, raue Arbeitswelt ohne Beschönigung. Leider ist nur der erste Akt erhalten.
Die knapp über 30 Förderer der Abteilung befanden sich in ganz Deutschland und waren im wesentlichen Mitglieder des Filmwirtschaftsverbandes, so wie die IG Farben Agfa, Zeiss oder Perrutz. Dementsprechend erhielt die Filmschule hauptsächlich Sachspenden wie Papier, Lampen, Fotoplatten, Rohfilmmaterial, Retuschepinsel u. a. Die genaue Zahl der Unterstützer schwankte jährlich und nahm in den letzten Abteilungsjahren bedenklich ab. Unter ihnen waren: Papierfabriken
(Argenta München, Bergmann & Co, Wernigerode, Byk-Guldenwerke, Berlin, Dresdener Photochemische Werke, Gevaert, Berlin, Kodak, Berlin, Palaphot, Heilbronn), Fotoplattenhersteller (Bergmann & Co, Eisenberger Trockenplattenfabrik, Hauff-Leonhar, Wandsbeck, Herzog & Co, Hemelingen, Kranseder & Co, München, Schering-Kahlbaum, Charlottenburg, Westendorp & Wehner, Köln), Optik (Optische Werke G. Rodenstock, München, Optische Werke Dr. Staeble, München),
Lampenhersteller (Osram, Berlin, Körting&Mathiesen, Leipzig-Leutzsch), die Huber Farbenfabrik München, Hutschenreuther, Selb, lieferten Porzellan-Zeichenmodelle, oder diverse Barspender, z. B. der Süddeutschen Photographen-Verein oder der Münchener Stadtrat, der hohe Mietzuschüsse gewährte.
Die Münchner Ausbildung berücksichtigte aber nicht ausschließlich Aufnahme- und Wiedergabetechniken. Die Schüler stellten meist in kleinen Gruppen Kulturfilme für die
Wochenschau, meist dokumentarische Kurzformen, doch sogar auch Trickfilme her. Eine Zusammenarbeit mit den Regie- und Schauspielschülern wurde in diesen praktischen Übungen gesucht. Vor allem in den Dreißiger Jahren entstanden zahlreiche stumme Kurzfilme, die jedes Jahr anlässlich der Jahresausstellung vorgeführt und sogar von der Presseberichterstattung hervorgehoben wurden. So drehten die Schüler Gerd Schmid, Bernhard Kistner und Werner Goltz 1930/31 zusammen mit
dem indischen Schüler Sen Gupta in acht Tagen einen Skifilm auf der Brauneckhütte, denn Skifahren stand auf dem Schulsportplan. Viele Filme von Maifeiern, Bauernhochzeiten oder vom Segeln am Chiemsee liefen auch in den Kintopp-Wochenschauen. Die Münchener Zeitung hob anlässlich der Jahresausstellung der Fotoschule im Juli 1933 die »frisch und natürlich wirkenden Spielszenen des Segelfilms Ahoi hervor, die unter anderen Hans Asenkerschbaumer am Chiemsee
inszeniert hatte. Es entstanden aber auch Zeichentrickfilme oder Bewegungsstudien in Zeitlupe (Gerhart Althann und Dr. Walther Tröller: Aufnahmen ›von hoher Schönheit‹ von Tänzerinnen mit dem ›Hochfrequenzapparat‹ in Zeitlupe, s. Münchener Zeitung, Juli 1933), die repräsentativ das Spektrum des Erlernbaren vorwiesen. Im letzten Jahr der Kinotechnischen Abteilung, 1935, berichteten die Münchener Neueste Nachrichten (Staatliche Lehranstalt für
Lichtbildwesen. Kinotechnische Abteilung; in: Münchener Neueste Nachrichten, 19.7.1935) noch einmal sehr ausführlich über die Abschlussfilme der Absolventen. ›Gute Ansätze zur Bildführung‹ wurde die Bauernhochzeitsreportage in Dietramszell bescheinigt. Als ›vorzügliche Arbeit‹ wird ein Lehrfilm über die Gewinnung von Tonerde im rheinischen Industriegebiet durch den Schüler und Ingenieur Werner Goltz hervorgehoben. Diese frühen Zeugnisse
scheinen sich leider nicht erhalten zu haben. Erwähnt sind in der Münchener Zeitung vom Juli 1935: Kurt Schröder Formende Hände, gedreht in der Staatsschule für angewandte Kunst, Maurer und Zimmermann: Menschen arbeiten.«
Die in den Zwanziger Jahren mit großer Unterstützung eröffnete Deutsche Filmschule wurde 1934 in ihrer ursprünglichen Form aufgelöst. Trotz des verhalten völkisch-angepassten Tonfalls, der sich sofort nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler schon im Geschäftsbericht des Vereins im Jahr 1932/33 niederschlug, war das Ende der ersten staatlich anerkannten Schauspiel- und Filmschule in Deutschland bereits vorgezeichnet. Auch ein Appell der Schule, der »Heranbildung eines guten
Nachwuchses für die deutsche nationale Bühne und für den deutschen nationalen Film!« (Schulakten, Geschäftsbericht 1932/33) zu dienen, verhallte scheinbar ungehört. Der Verwaltungsrat der Schule berief sich im Geschäftsbericht von 1933/34 auf zwei Punkte, die maßgeblich zum Vereinsende beitrugen: So entzog der durch die Wirtschaftskrisen ohnehin verminderte und Ende September 1933 von der Reichsfilmkammer aufgelöste Wirtschaftsverband Bayerischer Filmfabrikanten dem
Schulverein die finanzielle Grundlage. Zum zweiten standen die sogenannten »Anordnungen zur Heranbildung des Nachwuchses für Bühne und Film« seitens der Reichsfilmkammer im Februar 1934 immer noch aus. Sie waren jedoch als obligatorische Direktiven angekündigt worden. Neue Schüler konnten in dieser unklaren Situation nicht zur Filmschule zugelassen werden. Sehr widersprüchlich erscheinen die Angaben aus der Deutschen Filmzeitung vom 4. März 1934. Zum einen sei das
Kultusministerium zunächst finanziell »...mit Zuwendungen aus dem außerordentlichen Etat in die Bresche« gesprungen, was es gar nicht getan hatte. Zum anderen sei die Reichsfachschaft Film nicht an der Münchner Filmschule interessiert, denn: »Wir gründen im ganzen deutschen Reich acht Akademien. Ab 1. Januar sollen die ersten eröffnet werden: eine in Dresden, eine in Weimar und eine in München.« (Die Deutsche Filmzeitung, 13(1934)9, S. 3; ein Hinweis lobt explizit das Verdienst
der Münchner Filmschule um die »Vernichtung« der »wilden Schulen«.) Deshalb wurde »...in voller Erkenntnis der großen entstehenden Nachteile für München und die deutsche Kultur« der Betrieb der Schule eingestellt. Die Schlussnote im letzten Jahresbericht von 1933/34, »Hoffen wir, daß recht bald München, das nach des Führers Wunsch und Willen die deutsche Kunststadt sein und bleiben soll, einen noch besseren Ersatz zur Heranbildung des Nachwuchses...erhält«. Die Deutsche
Filmzeitung, 13(1934)38 vom 23.9.1934, S. 1 greift in ihrem Titel das Thema auf: »Die Reichsfilmkammer in München...als der Stadt der deutschen Kunst...wobei der Nachdruck auf der bildenden Kunst liegt«. Auch die Erwähnung einer neuen Theaterakademie durch die Reichstheaterkammer sprach die Sprache der gezielten Neustrukturierung durch den Nationalsozialismus.
Die Kinotechnische Abteilung bestand noch ein Jahr weiter, litt aber unter wirkungslos gewordenen Absprachen
mit der deutschen Filmwirtschaft. Am heftigsten traf die unterbliebene Sachspende von Rohfilmmaterial in 35 mm im Wert von 3000,- Reichsmark die Schule. Diese Summe entsprach, zur Veranschaulichung, der Höhe des gesamten Schuletats für Lehrmittel im Jahr 1934. Weder die einzelnen Firmen noch der Verband der Deutschen Rohfilmindustrie sahen sich weiterhin veranlasst, den Branchennachwuchs in München zu fördern. Im Zuge der Auflösung der Filmschule entfielen ebenso die
allgemeinbildenden Vorlesungen an der Universität München in Dramaturgie, Filmkritik, Kunstgeschichte, Kostümkunde, Ästhetik im Film, Volkswirtschaft und Film. Noch zum 1. Oktober 1931 wurde der Verein zur Deutschen Schauspiel- und Filmschule in München e. V. erweitert, um die Schauspielausbildung stärker zu gewichten. Die künstlerische Leitung der Schule hatte Otto Falckenberg, der Direktor der Münchener Kammerspiele im Schauspielhaus und des Volkstheaters.
Doch
schon seit 1931 konnte die technische Ausstattung der Kinotechnik nicht um eine Tonfilmanlage und anderes erneuert werden. Bereits am 6. Februar 1931 forderte der Fotoschullehrer und Vertreter der Handelskammer Franz Grainer, die nicht mehr zeitgemäße Kinotechnik abzuschaffen, da die Leistungen der Schüler nicht dem aktuellen Standard entsprächen. Der Schulbeirat, darunter auch Direktor Spörl, beschloss einstimmig die »Rückgabe« der Kinotechnik an die Deutsche Filmschule, und
»..., daß die Aufhebung der Abteilung Kinotechnik, so wie sie jetzt besteht, gerechtfertigt ist.« (Schulakten, Beiratssitzung an der Bayer. Staatslehranstalt am 16.9.1931) Der seit 1932 amtierende Direktor der Staatslehranstalt Dr. Schlegel forderte am 28. Mai 1934 in seinem Schreiben an das Kultusministerium eine Aufstockung des Etats auf das doppelte sowie 100.000 Reichsmark zur Anpassung an neue technische Standards. Ein Umbau des Schulgebäudes wurde auch
berücksichtigt, da sich nur schlecht ausgestattete und nicht schalldichte Ateliers, aber kein richtiges Filmstudio im Hause befanden. Ohne diese Maßnahmen sei eine Weiterführung der Kinotechnischen Abteilung eigentlich nicht denkbar. Unter all diesen Aspekten geriet ihr einstmals optimales Ausbildungsziel ins Hintertreffen.
Am 14. November 1935 prüfte die D.K.G. im Auftrag der Reichsfilmkammer noch einmal die Ausbildungslage in München. Direktor Schlegel unterrichtete
sie umgehend von der beim Kultusministerium beantragten Schließung der Abteilung zum 1. September 1935. Zum 1. September 1934 wurden bereits keine neuen Schüler mehr angenommen, mit dem Schulende im Mai 1935 beendete die Deutsche Filmschule ihren Unterricht. Ein Brief Direktor Schlegels vom 30. September 1935 belegt jedoch weitere Gründe für die Schulschließung. Die D.K.G. als Repräsentantin der Filmwirtschaft und Förderin der Münchner Schule als auch der Berliner Prüfanstalt
plante offenbar selbst eine neue Filmschule. Angesichts der politischen Verhältnisse würde diese zentral in der Reichshauptstadt Berlin eingerichtet. In dem Berlin vorgelagerten Ort Babelsberg bei Potsdam befanden sich ebenso große Studios wie in der Münchner Bavaria am Geiselgasteig bei Grünwald. Die Voraussetzungen eines starken kinoproduzierenden Standorts war durch die UFA hervorragend gegeben. Die UFA warb bereits seit 1934 vehement in der Deutschen Filmzeitung für
ihre Nachwuchsausbildung. Schlegels Formulierung zeigt jedoch auch, dass man ihn im Unklaren über den Ort der neuen Filmschule gelassen hatte und eine Einbindung seiner Kinotechnik in München sogar vorgab. (Schulakten, Direktor Schlegel an Hans Weidemann, Leiter der Reichsfachschaft Film, am 30.9.1935: »Von der Reichsfilmkammer wurden wir an die Reichsfachschaft Film als die für die Ausbildung des Filmnachwuchses zuständige Stelle verwiesen. Im Frühjahr ds. J. fand daraufhin
eine Besprechung zwischen dem damaligen Leiter der Reichsfachschaft Film, Herrn Carl Auen, dem zuständigen Referenten des Bayer.Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Herrn Ministerialrat von Jan und mir in München statt, wobei Herr Auen seine Pläne über eine neu zu errichtende Filmschule entwickelte. Es wurde dabei auch eine etwaige Angliederung unserer kinotechnischen Abteilung an die neue Filmschule erwogen.«) Die Grundsteinlegung für die Deutsche
Filmakademie in Neubabelsberg fand am 4. April 1938 statt. Sie blieb die einzige Filmschule im Dritten Reich.
Auch Willy Zielke, der seit einiger Zeit sehr erfolgreich mit Film experimentierte und von Ulrich Kurowski in den kritischen Sechziger Jahren als einer der interessantesten Filmregisseure im Nationalsozialismus gewürdigt wird, hatte ein Konzept zur Verbesserung der Filmschulsituation im Kultusministerium eingereicht. Er sprach sich für eine flexiblere, auf die künstlerische Freiheit mehr Rücksicht nehmende Arbeitsweise aus. Seine geforderte Einrichtung von
Tonfilmapparaten und hauseigenen Studios waren kostenintensiver als die Eingaben Schlegels und wurden von der Regierung wegen anderer Perspektiven nicht weiter verfolgt. Im Schulbeirat führte Zielkes Vorstoß zu heftigen Verstimmungen.
Privat spitzte sich Zielkes Lebenslage hingegen zu einer tiefen Katastrophe zu. Ein Nervenzusammenbruch hatte die Einweisung in die Psychiatrie nach Haar zur Folge, wo ihm im Jahr 1937 das Unrecht der Zwangssterilisation wegen
angeblicher Schizophrenie zugefügt wurde. Zielke blieb bis 1942 interniert, im Arbeitslager Herzogsmühle und erneut in geschlossener Verwahrung in Haar. Dennoch war er im Jahr 1944 nochmals bei Riefenstahls Verfilmung Tiefland beschäftigt.
Den ersten Vorstoß nach dem Krieg in Richtung Filmausbildung unternahm Hans Schreiner. Als Lehrer und anschließend als freiberuflicher Bildjounalist tätig, war er nach dem Krieg von 1946 an wieder als Oberlehrer für Pressefotografie an der Fotoschule. Seine Eingabe vom 15. September 1947 zur Errichtung eines Instituts für Bildjournalismus und Film wurde vom Verband der Berufsjournalisten in Bayern und dem Verband der Zeitungsverleger auch finanziell unterstützt. Der Unterricht fand in einer Schule am Kurfürstenplatz statt. Franz Grainer, der kommissarische Leiter der Fotoschule nach 1945 unterstützte die Initiative seines langjährigen Lehrers in einem Schreiben an das Kultusministerium im Herbst 1947 und spielte darin auf eine Kooperation der Institute an. In einem weiteren Schreiben an das Kultusministerium vom Januar 1948 erwähnte Grainer Pläne für eine Filmschule, die jedoch nicht in Konkurrenz zum Berufsinstitut für Bildjournalismus stünde. Hierauf baute er die begründete Hoffnung auf, eine Fortsetzung für die Kinotechnische Abteilung zu bieten.
Während Schreiners Institut seinen Betrieb früh aufgenommen hatte, zogen sich die Überlegungen zur Wiedereinrichtung der Kinotechnischen Abteilung bis weit in die fünfziger Jahre hin. Zur Beiratssitzung von 1954 lud Grainers Nachfolgerin Hanna Seewald auch den Vorsitzenden der D.K.G. Dr. Adolf Kochs sowie den Vorsitzenden im Fachnormenausschuss für Kinotechnik und Direktor von Perutz, Leo Mayer, einem Absolventen der Kinotechnik von 1929. Man wollte die ehemalige
Abteilung wiederherstellen, sobald die provisorischen Räume im Diamalt-Haus an der Friedrichstraße 18/III wieder gegen die, trotz Revision des Besatzungsstatus seit 1951 noch besatzten Räume in der Clemensstraße ausgetauscht wären und die Industrie zu einer wesentlichen Kostenübernahme bereit sei. Eine Schule auf dem Bavariagelände schloss man allgemein aus, da die Filmindustrie in der Ausbildung nicht so eng wie die Fotoverbände kooperiere.
Ein Gesichtspunkt, der
sowohl dem bayerischen Ministerium als auch der Industrie zeigte, dass die Entwicklungen anderenorts rascher vorangingen, war die Eröffnung der Deutschen Hochschule für Filmkunst
in Babelsberg am 6. Oktober 1954, der heutigen HFF Konrad Wolff, Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg. Sie stellte in Anlehnung an die berühmten Schulen in Moskau und Prag die erste Hochschule dar, allerdings in der DDR. Hier wurden Regisseure, Kameramänner, Filmwissenschaftler in
Reaktion auf die »im Herbst 1952 in einer vom Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands mit führenden Filmschaffenden stattgefundenen Beratung« (in: Bild und Ton. Zeitschrift für Film- und Fototechnik; 7(1954)11, S. 317) ausgebildet. Man legte Wert auf ein hohes ideologisches, künstlerisches und technisches Niveau.
Doch auch Westberlin reagierte mit einer filmtechnischen Abteilung an der Fachschule für Optik und Phototechnik, die erstmals
seit März 1955 in vier Semestern Sensitometrie, Tontechnik, Filmbearbeitung, Wiedergabetechnik, BWL und Recht anbot.
In München fand man zu keiner Einigung. Nachdem in Ministeriumskreisen kurzzeitig sogar an der Kompetenz und Leistung Hanna Seewalds gezweifelt wurde, zog Leo Mayer sein Engagement im April 1955 enttäuscht zurück.
In der Presse diskutierte man dieses Defizit innerhalb der deutschen Filmausbildung im künstlerischen wie im technischen Bereich
wiederholt. Im Jahr 1951 wurde kein erster Platz des Deutschen Filmpreises vergeben, was einen Aufschrei in den Medien zur Folge hatte. Anlässlich verschiedener Verleihreden zum Deutschen Filmpreis äußerten sich sowohl Berlins Oberbürgermeister Willy Brandt als auch Innenminister Schröder erneut 1958 verwundert darüber, weshalb trotz des offenkundigen Mangels an qualifizierten Filmern nie die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen wurden.
Bereits im Jahr 1953
erkannte der damalige Universitätsstudent Eberhard Hauff, unter anderem ehemaliger Leiter des Münchner Filmfestivals, den Bedarf nach Filmausbildung und gründete in Eigeninitiative das Institut für Filmwesen. Es galt nicht als Fachschule, da der Bund zuletzt Zuschüsse strich und die Filmwirtschaft gegen die vorgesehene Ausbildungsform Bedenken anmeldete (Bayer. Staatszeitung, 26.1.1962). Das Institut konnte jedoch nach vorübergehender Schließung zum Sommersemester
1961 als Deutsches Institut für Film und Fernsehen (DIFF) in der Sonnenstraße mit Hilfe des Bayerischen Kultusministeriums über lange Jahre erfolgreich fortgeführt werden.
Eine Notiz vom 30. Juli 1962 belegt das nun verstärkte Interesse des Bayerischen Rundfunks an dieser Filmschule. Nach Rückfragen an Peter Ostermayr, einem der früheren Gründerväter der Deutschen Filmschule, begannen mit Ende des Jahres die Planungen für eine staatliche Akademie für Film und Fernsehen.
Diese fanden 1967 ihre Umsetzung in der heute noch bestehenden Hochschule für Fernsehen und Film, der HFF München. Ein Brief von Zielke an den Direktor Wiegand vom 18.8.1970 hat das Anliegen der Wiedereinrichtung der Kinotechnischen Abteilung mit ihm als Lehrer auf Zeit zum Inhalt. Die Vermutung liegt nahe, dass Zielkes Finanznot, durch eine längere Korrespondenz um Renten- und Entschädigungsausgleich aus der Zeit seiner Beurlaubung für den Film von 1935 an bis zu seiner
Verwahrung in der Psychiatrie bis 1942 belegt, der Auslöser für seine spontane Idee war. In Westberlin wurde im Jahr 1966 der ostdeutschen HFF die Westberliner Deutsche Film- und Fernsehakademie DFFB unter der Leitung des Regisseurs Erwin Leisers entgegen gesetzt. Zahlreiche weitere Ausbildungsorte folgten in Westdeutschland.
Die Geschichte der Deutschen Filmschulen scheint in Ihrer Gesamtheit von Kontinuität unterschiedlichster Initiativen und Zusammenschlüsse innerhalb einer, letztlich eng miteinander verknüpften Gruppe geprägt. In der vorliegenden Darstellung lassen sich jedoch leicht einige Zäsuren übersehen:
- Am wesentlichsten markiert die Tatsache einer eigenständig existierenden Filmwissenschaft die Trennlinie zu den Anfangszeiten: Film in Herstellung wie auch in Analyse und Geschichte lässt sich heute nicht mehr in der Vermittlung des stehenden oder unseriellen Bildes wie an einer Fotoschule subsummieren. Film erfordert wie ihrerzeit die Theater- oder die Kommunikationswissenschaft einen eigenen Ausbildungszugang, der seit den ersten universitären Lehrstühlen in
Köln und Berlin seit den siebziger Jahren etabliert ist.
– Deutlich schneidet die Zeit des Nationalsozialismus ein. Eine starke Bürokratie sorgte gezielt und sehr rasch für die gesetzlichen Voraussetzungen zu einer zentralistisch geregelten Filmindustrie. Schließlich wurde der Film von den Nationalsozialisten in seiner bereits vierzigjährigen Geschichte richtig als in ihrem Sinne kontrollbedürftiges Medium zur Verbreitung unerwünschter Botschaften erkannt,
das sie mit eigener Propaganda besetzten.
– Der dritte Einschnitt liegt jedoch in den wiederum restaurativen Fünfziger und frühen Sechziger Jahren. Alle vergeblichen ministeriellen Filmschul-Planungen helfen nur einer wieder erstarkten Filmindustrie, ihren gefügigen Nachwuchs aus Gewohnheit weiter selbst auszubilden, was ein beinahe fragloses Verständnis von Filmherstellungsprozessen nach sich zieht. Diese Fragen brechen verstärkt erst in den Sechziger Jahren auf.
Nicht umsonst wird die Entstehung mancher heutiger Filmhochschulen den protestorientierten Filmemachern des Oberhausener Manifests, der künftigen Generation von Autorenfilmern zugewiesen. Dies stimmt nur teilweise, denn der Protest gegen das herrschende Studiosystem beginnt erst richtig in den ersten Jahrgängen der neuen Filmhochschulen.
– Erstaunlich ist heute aber noch die nominelle Kontinuität einiger unterrichteter Inhalte laut Vergleich der
Vorlesungsverzeichnisse. Sie bedeutet zum einen eine tatsächliche Aktualität der Stundenpläne von 1922, z. B. die Grundlagen der Kalkulation, Verträge, Tarife, Versicherungen, Urheberrecht, Privatrecht im Film, öffentliches Recht, Verleihwesen bis hin zum Kinomarkt. Zum anderen bedeutet es auch, dass das Wesen des Films in der Wirtschaft und der Ästhetik prinzipiell bereits richtig eingeschätzt wurde und deshalb im Bereich des »Handwerkszeugs« auch heute so vermittelt
werden kann.
Literatur
Christian Bouqueret, Rencontres internationales de la photographie. Willy Zieke. Arles 1982
Gesine Haseloff, Willy Zielke – Das filmische Werk zwischen Avantgarde und nationalsozialistischer Ästhetik, unveröffentlichte Diplomarbeit bei Prof. Carlos Bustamente, Berlin 2001
Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Bd. 1: Kaiserreich (1895-1918) (hrsg. mit Uli Jung), Stuttgart 2005, 1995m
Martin Loiperdinger: Die
Geschichte vom »Stahltier« – Willy Zielke und die Reichsbahn. In: Karl Friedrich Reimers, Christiane Hackl, Brigitte Scherer (Hg.): Unser Jahrhundert in Film und Fernsehen. Beiträge zur zeitgschichtlichen Film- und Fernsehdokumenten (= kommunikation audiovisuell. Beiträge aus der Hochschule für Fernsehen und Film, Band 2) UVK-Medien / Ölschläger, München 1995, S. 40-57 [= Wiederabdruck von 1994b].
Lehrjahre – Lichtjahre. Die Münchner Fotoschule 1900-2000.
Ausstellungskatalog und Begleitband, Hg. Ulrich Pohlmann und Rudolf Scheutle, München 2000.
Peter C. Slansky: Filmhochschulen in Deutschland: Geschichte, Typologie, Architektur, München 2011.
Quellen
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Akten des Kultusministeriums, MK, siehe Fußnoten
Staatliche Fachakademie für Fotodesign:
Korrespondenzen
Personal- und Schülerakten
Filmmuseum Potsdam/Nachlass Willy Zielke (Stand 1999)