27.11.2014

Der Münchener Literatur-Fern­seh­preis

Lawinen der Erinnerung
Der Autor und Dramaturg Oliver Storz in Dominik Grafs Lawinen der Erinnerung

Storz, Brasch und die anderen

Von Dunja Bialas

Das Fernsehen und die Literatur sind seit dem Ende des berühmt-berüch­tigten »Lite­ra­ri­schen Quartetts« eine bisweilen proble­ma­ti­sche Liaison einge­gangen, die aber, trotz ihrer Unsicht­bar­keit mit Sende­plätzen oft erst nach Mitter­nacht, durchaus vital ist. Die Landes­haupt­stadt München vergibt, um durch Aner­ken­nung der Literatur im Fernsehen zu ihrem Recht zu verhelfen, seit 1991 zusammen mit dem Lite­ra­tur­haus den Liter­aVi­sion-Preis für Fern­seh­bei­träge, die sich vorbild­haft, vermit­telnd, im audio­vi­su­ellen Medium mit Literatur befassen. Dotiert ist der Preis, der in den Kate­go­rien Kurz- und Lang­bei­träge vergeben wird, mit jeweils 5000 Euro, was als Signal für die jewei­ligen Fern­seh­pro­du­zenten und Programm­re­dak­teure verstanden sein will, Literatur im Fernsehen zu wagen.

Anders als im Fernsehen, das in vielen Bereichen, die es produ­ziert, so auch im Doku­men­tar­film, oftmals nicht den eigenen Produk­tionen zu vertrauen scheint – indem es diese, trotz viel­fäl­tiger Kritik, beharr­lich in den letzten Winkeln seines Programms versteckt – stellt Liter­aVi­sion die Literatur-Fern­seh­bei­träge in öffent­li­chen Vorfüh­rungen auf großer Leinwand aus. Erstmals im Rahmen des Münchner Lite­ra­tur­fests können am kommenden Freitag und Samstag die zwölf kurzen und langen Anwärter auf den Preis, ausge­wählt aus über sechzig bundes­weiten Einrei­chungen, im Lite­ra­tur­haus gesehen und der öffent­lich abge­hal­tenen Jury­sit­zung beige­wohnt werden.

Um eine ungefähre Ahnung zu geben, wie hoch­karätig Fernsehen sein kann, sei auf zwei Lang­bei­träge hinge­wiesen, die allemal die große Projek­tion verdient haben. Dominik Graf ist bekannt als TV-Regisseur, der sich auch in Kino und Literatur bestens zurecht findet (soeben wurde sein Schiller-Film Die geliebten Schwes­tern als deutscher Beitrag um den Oscar für den besten auslän­di­schen Film ins Rennen geschickt). Er hat sich mit der Größe des deutschen Fern­seh­schaf­fens ausein­an­der­ge­setzt. In Lawinen der Erin­ne­rung lässt er Oliver Storz, Dreh­buch­autor, Dramaturg und Produzent von Fern­seh­spielen, aber auch später Autor von Literatur (sein bekann­testes Werk ist der Erin­ne­rungs­roman »Die Frei­bad­clique«) in die Tiefe der Vergan­gen­heit und seiner Memoiren hinab­steigen. Ein dichtes Doku­men­tar­film-Essay, das in seiner unauf­ge­regten Form, in der sich Gespräche, Archiv­ma­te­rial und Film­aus­schnitte abwech­seln, aufmerk­same Unter­hal­tung wider­spie­gelt, gerade so, wie es beim Lesen von Literatur wichtig wird. (Freitag, 28.11., 14:00 Uhr, Lite­ra­tur­haus Forum)

Ein anderer Literat, der sich dem Film öffnete, ist Thomas Brasch, der Dichter zwischen DDR und BRD. 1976 verließ er infolge eines Ausrei­se­an­trags die DDR, fand Aufnahme im mächtigen P.E.N.-Zentrum der Bundes­re­pu­blik. Sein Freund Christoph Rüter hat ihn bei seinen Lesungen und Zusam­men­künften mit anderen Größen der Lite­ra­tur­szene oft mit der Kamera begleitet. Mit seinen Aufnahmen und den zahl­rei­chen selbst gedrehten Film­ent­würfen Braschs, erzählt »Brasch. Das Wünschen und das Fürchten« von dessen wider­sprüch­li­chen Existenz und seinem Schaffen zwischen den Welten, poli­ti­schen wie emotio­nalen. (Samstag, 29.11., 14:00 Uhr, Lite­ra­tur­haus Forum)