Nur unsterblich – David Bowie als Filmwesen |
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Unter anderem in Just a Gigolo |
Von Felicitas Hübner
Zu verlieren – zumal in einer Leistungsgesellschaft – ist nie schön. Auch wenn es nur um eine schnöde Wette geht. So geschehen auf dem artechock-Neujahrsempfang am 16. Januar 2016. David Bowie, der Musiker, der Künstler, das Gesamtkunstwerk, war seit sechs Tagen tot. Man gedachte seiner, auch in den artechock-Katakomben. Wie nicht anders zu erwarten, ging es dann um seine Filmkarriere. Wir mutmaßten, wieviel Einträge er in der imdb, der Internet Movie Database, haben könnte. Herr Haberlander hatte recht. Ich nicht. Die verlorene Flasche Wein wurde jedoch spontan in einen Text über David Bowie im Filmwesen umgewandelt …
… und ich sehe David Bowie in einer Badewanne liegen, im Badezimmer neben ihm steht Curd Jürgens im Smoking und reicht dem Frischgewaschenen ein Handtuch. David Bowie spielt einen Eintänzer, einen Gigolo, einen Callboy. Im selben Film spielt Maria Schell Bowies „Muutti“. Es wird Marlene Dietrichs letzter Film sein. Günther Fischer, der viele Jahre später als IM (Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit) geoutet werden wird, hatte die Filmmusik geschrieben. Auf einem Friedhof geben sich die Linken und die Rechten dem bewaffneten Klassenkampf hin, in der dazugehörigen Friedhofskapelle gibt sich eine liebesbedürftige Offizierswitwe David Bowie hin. Die von Kim Nowak Gespielte feuert ihren Lover mit militärischem Vokabular beim Sex an. Der Film heißt Schöner Gigolo, armer Gigolo. David Hemmings schuf ihn im Jahr 1978. Und David Bowie ist so schön und so traurig.
… ich sehe David Bowie in Twin Peaks – Der Film (OT: „Twin Peaks: Fire Walk with Me“) und ich sehe ihn nicht. Das ist von Regisseur David Lynch so gewollt. Der Monitor einer Überwachungskamera zeigt Bowie, wie er durch die Gänge läuft, in der filmischen Wirklichkeit ist er nicht zu sehen. Und umgekehrt. Der als einzige Traumsequenz inszenierte Film greift in dieser Szene das mediale Bild des David Bowie zwischen kosmischer Gestalt, androgynem Glamourboy und überirdischem Astralwesen auf.
… ich sehe David Bowie aus allen Wolken fallen. Im Film Der Mann, der vom Himmel fiel aus dem Jahr 1976 spielt David Bowie schon wieder ein Wesen aus einer anderen Welt, das sich unnötig geheimnisvoll verhält. Die Vermarktungsmaschinerie seines Images für die Öffentlichkeit schnurrt, Bowie ist in allen Dimensionen unterwegs.
… kurz zu sehen ist David Bowie in Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (1981). Mit diesem Cameo-Auftritt rettet er den Film und die Karriere von Produzent Bernd Eichinger. Der Soundtrack besteht ausschließlich aus der Musik von Bowie, darunter „Heroes“.
… gut zu sehen war Bowie in Basquiat von 1996. In dem Film geht es um den jungen Maler Jean-Michel Basquiat. Er war der erste afroamerikanische Künstler, der den Durchbruch in der hauptsächlich weißen Kunstwelt schaffte. David Bowie spielt einen exaltierten Andy Warhol mit Strubbelperücke.
Es lag außerhalb meines Vorstellungswillens, dass ein Mensch wie David Bowie (69) eines Tages gehen muss. So einer konnte doch nur unsterblich sein! Bei ihm, dem Ewigschönen, dem Dorian Gray, dem fast Unmenschlichen, dem Artifiziellen, fehlte mir die Phantasie, dass so einer überhaupt auf die Toilette hätte gehen müssen, dass er der Schwerkraft und den Vorgängen des Stoffwechsels unterliegen müsste. Bei dem kurz vor Bowie gestorbenen Motörheader Lemmy Kilmister (70) war das
ganz anders. Der zählte sogar die von ihm aufgesuchten Prostituierten zu den Frauen, mit denen er „geschlafen“ hatte.
Als dann am 14. Januar 2016 auch noch Alan Rickman (69) an Krebs starb, twitterte das weltweite Netz „Fick dich, Krebs!“ Möge es nützen.