Wahlverwandtschaften und andere Wechselbeziehungen |
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Das »süße Schiff« hatte Zuckerrohr aus Kuba geladen, machte Halt in Albanien und nahm Zehntausende von Menschen auf, die ihr Glück in Italien suchen wollten: La nave dolce |
Von Elke Eckert
Der Circolo Cento Fiori, Mitglied der Filmstadt München e.V., stellt mit seiner diesjährigen Filmreihe mit Apulien eine Region in den Mittelpunkt, die auch bei Italienreisenden immer beliebter wird. In ihren Dokumentationen und Spielfilmen zeigen einheimische Regisseure die unterschiedlichen Gesichter dieser Gegend, die von archäologischen Schätzen, kulturellen Bräuchen und modernen Unternehmen, aber auch von mafiösen Strukturen und Migration geprägt ist.
Den Anfang der Filmreihe macht eine Erfolgsgeschichte. In Focaccia Blues (2009) spielt eine kulinarische Köstlichkeit die Hauptrolle. Die Focaccia, ein schmackhaft gewürztes Fladenbrot, setzte sich erst im nahe der apulischen Hauptstadt Bari gelegenen Altamura gegen namhafte amerikanische Fast-Food-Produkte durch, bevor sie ihren Siegeszug nach New York antrat. Wie es dazu kam und was die Brüder di Gesù damit zu tun haben, erzählt Nico Cirasola in seiner unterhaltsamen Docufiction. (Sa., 1.4., 17:30 Uhr)
Dass selbst die gelungenste Integration ins Chaos führen kann, zeigt Regisseur Mimmo Mancini in seiner Komödie Ameluk (2014) am Beispiel eines jungen Jordaniers: Jusuf, genannt Ameluk, wird in der Kleinstadt Mariotto von allen geschätzt. Doch als Wahlkampf und Passionszug zusammenfallen, und Moslem Ameluk bei beiden eine zentrale Rolle spielen soll, ist bei vielen der Gemeindemitglieder Schluss mit lustig. Beim Zuschauer geht der Spaß da erst richtig los. (Sa., 1.4., 20:00 Uhr)
Pinuccio Lovero – Sogno di una morte di mezza estate spielt ebenfalls in Mariotto. So lange er denken kann, hat Titelheld Pinuccio davon geträumt, Totengräber und Friedhofswärter zu werden. Als sein Traum mit vierzig endlich in Erfüllung geht und Pinuccio sich voller Tatendrang in seine neue Aufgabe stürzt, mangelt es dem Spätberufenen plötzlich an seiner Geschäftsgrundlage. Pippo
Mezzapesas Docufiction von 2008 punktet mit ihrer Hauptfigur und der skurrilen Geschichte. (So., 2.4., 17:30 Uhr)
Ein faszinierendes Schauspiel sind die Ballon- und Messertänze, Danze di palloni e di coltelli, die in der Provinz Lecce zum Kulturgut gehören und von Generation zu Generation weitergegeben werden. In Paràbita werden beide Kunstformen zu Ehren des Heiligen Antonius
in der Abenddämmerung aufgeführt. Die Künstler bringen ihre selbstgefertigten Ballons und beim Fechten auch ihre Messer zum Tanzen. In Chiara Idrusa Scrimieris Dokumentarfilm von 2009 steht Leonardo Donadei im Mittelpunkt, der diese einzigartige Darbietung perfekt beherrscht und als »ballunaru« und »schermidore« sein Publikum begeistert. (So., 2.4., im Anschluss an Pinuccio Lovero)
Auch Alessandro Pivas Komödie von 2003 überzeugt mit einem außergewöhnlichen Duo. Mio cognato – Mein Schwager erzählt von zwei Männern, die zur gleichen Familie gehören, aber sonst nicht viel miteinander anzufangen wissen. Toni bewegt sich auch als Vater und Kleinunternehmer gerne am Rand der Legalität und darüber hinaus. Sein Schwager Vito führt dagegen ein ruhiges und geregeltes Leben. Als Tonis Sohn getauft und währenddessen Vitos Auto gestohlen wird, verschlägt es die beiden gemeinsam in Baris Altstadt – in Ecken, in denen Vito noch nie war, Toni sich aber bestens auskennt. Am Ende der Nacht ist ihre Beziehung eine andere. (So., 2.4., 20:00 Uhr)
Eine Verwandtschaft ganz anderer Art führt in der deutsch-italienischen Koproduktion Pizzicata (1996) zu einer Tragödie: Toni, ein amerikanischer Bomberpilot mit italienischen Wurzeln, stürzt 1943 auf Salento über dem Hof des Bauern Carmine ab. Dieser gibt Toni fortan als Verwandten aus, um ihn zu schützen. Toni bedankt sich dafür mit seiner Mitarbeit auf dem Feld. Er entdeckt die Sitten und Bräuche seiner Vorfahren und verliebt sich in Carmines Tochter. Doch die ist bereits einem Anderen versprochen… In Edoardo Winspeares Drama wirken fast ausschließlich Laiendarsteller mit, nur die Rolle des Bauern Carmine ist von einem Schauspieler besetzt. (Mo., 3.4., 19:30 Uhr)
Italien ist wegen seiner Randlage eines der europäischen Länder, das am stärksten von Migration betroffen ist. Und das nicht erst in den letzten Jahren. Schon im Sommer 1991, am 8. August, erreichte ein Frachtschiff mit 20.000 Menschen den Hafen von Bari. Bei dem Schiff handelte es sich um einen mit Zucker beladenen Handelsfrachter, der tags zuvor von Albanern gekapert wurde, die auf ein besseres Leben hofften. Daniele Vicari zeigt mit seiner Dokumentation La nave dolce (2012), wie an diesem Augusttag eine Nation von Auswanderern begonnen hat, sich zum Einwanderungsland zu wandeln. (Di., 4.4., 19:30 Uhr)
Apulien: Modernität und Tradition. Filmreihe vom 1. – 4. April 2017, Carl-Amery-Saal (ehem. Vortragssaal der Bibliothek), Gasteig, Rosenheimer Str. 5, 81667 München
Am 4.4. findet ab 21 Uhr findet zum Abschluss der Filmreihe ein Empfang in der Stadtbibliothek am Gasteig statt.
Alle Filme werden in der italienischen Originalfassung mit deutschen oder englischen Untertiteln gezeigt.
Eine Veranstaltung der Filmstadt München e.V.