Kinos in München – Theatiner Cinema Europas Award 2018
Das beste Kinoprogramm Europas |
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Nur eine der vielen Sehenswürdigkeiten des Theatiner: der in hellem Ahornholz gehaltene Kinosaal | ||
(Foto: Theatiner Filmkunst) |
Von Dunja Bialas
Schon immer war es ein Ausnahmekino. Gegründet 1957 von Walter Kirchner, wurde die Theatiner Filmkunst, wie das Kino offiziell heißt, in der gleichnamigen Passage bald zum cinephilen Herzen Münchens. Während noch alle an das Wirtschaftswunder glaubten und es eilig hatten, die Nachkriegsgeschichte hinter sich zu lassen, öffnete der Göttinger Verleihpionier den auf sich gerichteten Blickwinkel der Deutschen, indem er ihnen das Kino Europas nahebrachte. Als einer der ersten zeigte er mit seinem hauseigenen Verleih die Filme des italienischen Neorealismus, die sowjetischen Tauwetter-Filme und Eisenstein, die spanischen Surrealisten Dalí und Buñuel, später die Filme der Nouvelle Vague. Er erinnerte die Deutschen an ihre Kultur, von der sie der Krieg getrennt hatte, und zeigte, als es noch keine Filmmuseen in Deutschland gab, die Filme aus der Weimarer Zeit. Filme, deren Aufführung im Dritten Reich verboten waren, und mit denen sich die Exilgeschichten der Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler verbanden. Filme, die während ihrer Projektion immer auch auf ihre eigene Wieder-Sichtbarkeit hinwiesen: Auch Filmezeigen kann ein politisches Statement sein.
Das Theatiner brachte den Münchnern so wieder die Kultur zurück und öffnete die Stadt auf Europa zu einer Zeit, als man noch keine Fremdsprachen sprach. Die Filme liefen meist im Original, mit Untertiteln, alle europäischen Sprachen waren willkommen. Nur die englischsprachigen Filme blieben ausgespart. Das war noch lange bevor der angelsächsische Filmmarkt die Leinwände der Welt mit ihren Blockbustern eroberten, auch lange vor dem Aufbegehren der Franzosen dagegen, mit einer Leinwand-Quote für die eigenen Filme. Das Theatiner war durch und durch von Cinephilie angetrieben. Es war ein Haus des europäischen Autorenfilms, bevor das heute allseits beliebte »Arthouse« in die Kinos drängte, zum Mainstream wurde – und die Filmkunst zum Nischenphänomen machte.
Marlies Kirchner, die seit 43 Jahren das Theatiner alleine führt, ist seit über sechzig Jahren mit der Programmierung des Kinos beschäftigt. Sie kennt Cannes und Venedig, alle internationalen Vertriebe und die deutschen Verleiher. Meist bringt sie ihnen mit den Originalfassungen die besten Einspielzahlen. Als es noch das Zelluloid gab, gab es spezielle Theatiner-Kopien, in die die Untertitel ins Original eingelasert waren.
Mit der digitale Wenden können nun auch andere Kinos OmU zeigen. Das ist neue Konkurrenz, aber das Theatiner ist dennoch konkurrenzlos geblieben. Denn Marlies Kirchner ist eine Ausnahme-Cinephile unter den Kinobetreibern, die genau weiß, welche Filme die guten sind, leider nicht immer die mit den guten Zahlen. Spielen tut sie sie trotzdem. Vielleicht eignet sich Marlies Kirchner so auch zu einem Role Model, als hellwache Frau des Kulturbetriebs, die genau weiß, wo die Geschäfte die Grenzen setzen. Manchmal wünscht sie sich selbst bessere Filme herbei, und doch findet sie immer die guten.
Das große Netzwerk »Europa Cinemas« mit Kinos, die sich auf die europäischen Filme konzentrieren, hat nun unter 3000 Lichtspielhäusern aus 43 Ländern die Theatiner Filmkunst als Kino mit dem besten Programm ausgewählt. Das Theatiner erhält nun den Europa Cinemas Award 2018, die höchste Auszeichnung für Kino überhaupt. Der Preis wird am kommenden Mittwoch, dem 5. Dezember 2018, vom Generaldirektor von Europa Cinemas, Claude-Eric Poiroux, verliehen. Und wie es sich gehört, verbindet sich die Ehrung des Hauses mit der Vorführung eines Films: Gezeigt wird das neueste Werk von Robert Guédiguian, La villa (Das Haus am Meer). Natürlich in OmU. Karten gibt es ganz normal an der Kinokasse. Denn auch das ist Marlies Kirchner wichtig: Unaufgeregtheit und Normalität, auch wenn sich die Ehrungen – nicht erst in jüngster Zeit – häufen.
Wir danken dem Theatiner für die vielen schönen Filme, die wir dort gesehen haben. Sie haben unsere Cine-Biographie geprägt und uns die Liebe zum Kino geschenkt.
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La villa (Das Haus am Meer) (Preview), Mittwoch, 5.12.2018, 20 Uhr
Davor feierliche Verleihung des Europa Cinemas Award 2018 für das beste Kinoprogramm an Marlies Kirchner