Talentschmiede für das Kino von Morgen |
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Großer Preis der Stadt Oberhausen: I GOT MY THINGS AND LEFT |
Der nur knapp fünfminütige »Elvis: Strung Out« vom Kanadier Mark Oliver ist ein filmischer Edelstein: Mit minimalen Mitteln spielt der Film mit Elvis-Klischees, dekonstruiert Pop-Mythen und vor allem das Pop-Publikum zwischen seiner Lust an Vergöttlichung wie Erniedrigung.
»Der Film lässt Elvis gegen Elvis antreten«, lobte die Jury, die dem Film gestern den Preis des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen zuerkannte.
»Elvis: Strung Out« ist ein Beispiel für die Möglichkeiten und die Vielfalt des Mediums Kurzfilm.
Oft gerät dieses Potential in Vergessenheit.
Der Kurzfilm ist überall. Die ersten beiden Jahrzehnte der Filmgeschichte bestanden nur aus kurzen Filmen, von denen heute fast alle verschollen sind.
Die allermeisten YouTube-Clips sind Kurzfilme, wenn auch nicht immer gute. Die meisten Handy-Filme, Musikvideos und Werbefilme im Fernsehen.
Zugleich ist der Kurzfilm ein prekäres Medium. Denn heute behauptet man, ein Film habe genau 89 Minuten lang zu sein, damit er in den Programmschema genannten Setzkasten der Fernsehsender passt.
Aus dem Kino, wo Kurzfilme einmal selbstverständlich waren, ist er verschwunden, abseits von Studentenfestivals und den wenigen Spezialveranstaltungen.
Unter diesen sind die Oberhausener Kurzfilmtage nicht nur die wichtigste in Deutschland – auch im weltweiten Vergleich muss sich Oberhausen nicht verstecken, im Gegenteil: Vor nicht langer Zeit krönte es ein Fachmagazin zu einem der 25 wichtigsten Filmfestivals der ganzen Welt. Nicht nur Kurzfilmfestivals, sondern überhaupt.
Was Oberhausen einmalig und den regelmäßigen Besuch dort unverzichtbar macht, sind zum einen die Filme selbst und ihre Macher. Es gibt regelmäßige Gäste, die Gemeinde der auf Kurzfilm spezialisierten Regisseure, wie der Engländer John Smith, der auch in diesem Jahr mit seinem neuesten Film »A State of Grace« zu Gast war.
Die Andern sind die allermeisten, die, die mit kurzen Filmen beginnen, hier frei experimentieren, bevor sie sich entscheiden, ob ihr Weg ins Kino, ins Fernsehen oder eher in den Bereich der Video- und Installationskunst führt. Denn Oberhausen ist eine internationale Talentschmiede: Die Französin Laure Prouvost, in wenigen Tagen einer der Stars auf der nächsten Kunst-Biennale von Venedig, begann hier ebenso mit ihren ersten Arbeiten wie die russische Dokumentarfilmerin Alina Rudnitskaya, deren neuster Film ab morgen beim Münchner Dokumentarfilmfestival Premiere feiert.
Die zweite Stärke dieses Festivals ist, dass es der Gegenwart immer mehr als eine Kurzfilmlänge voraus ist. In der Zusammenschau der Filme, in den Diskussionen über das Programm und in sorgfältig kuratierten themenübergreifenden Diskussionspodien begegnet man den Diskursen von Morgen und Übermorgen. »3 D« wurde hier diskutiert, bevor alle Welt davon redete, und um Tierfilme ging es auch schon lange bevor alle Welt den Mensch im Tier entdeckte.
Diesmal ging es um den »Neustart von Zelluloid« und um »Video on Demand«
Ob es mit dem Kino, nicht dem Film, aber dem Abspielort, zu Ende gehen könnte, ist schon seit längerem eine Frage, die in Oberhausen gestellt wird, verbunden mit der zweiten, wie sich das erhalten lässt.
Was kann Oberhausen beitragen?
Die Antwort, die die Kurzfilmtage geben, lautet: Filmbildung. Und zwar in vielen Facetten. So lief eine Retrospektive des bekannten russischen Regisseurs Alexander Sukurow. Ebenso wie man Filmtrailer analysierte.
Nur die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen scheint noch nicht zu verstehen, welche Vorlagen ihr in Oberhausen alljährlich geboten werden.
Gleich mehrere Preise gingen an Filme aus Afrika. Den »Großen Preis der Stadt Oberhausen« gewann »I Got My Things and Left« von Philbert Aimé Mbabazi Sharangabo aus Ruanda – eine filmische Meditation über Verlust und Vergänglichkeit. Der zweite Preis ging an »Zombies«, einen Musik-Thriller über die digitale Zombifizierung aus dem Kongo.
Man sei ein »kleines gallisches Dorf«, meinte Lars Henrik Gass, der Leiter der Kurzfilmtage, zur Eröffnung und kritisierte die Verengung unseres Kinobegriffs durch Formatierung und die industrielle Zurichtung.
Man sollte Quote nicht mit Nachfrage verwechseln, mahnte Gass. Der Unterschied von Kultur zum Markt sei die Kraft des Angebots.
Gass formulierte eine radikale Kritik an der gängigen Kulturpolitik: Geschäftsmodelle, die sich als nicht wirtschaftlich erweisen, dürften nicht gefördert werden, eine kulturelle Praxis jedoch, deren Preis höher als die Nachfrage ist, müsse musealisiert werden, wie das für Theater und Oper längst der Fall ist.
Die Filmförderung des Bundes gehe nicht konform mit dem EU-Vertrag und die Filmförderung der Länder nicht konform mit der Verfassung.
Arne Schmidts Film »Stadt – Gegenstadt« handelt auf den Spuren des Ludwigshafener Philosophen Ernst Bloch vom spannungsreichen Verhältnis der Städte Mannheim und Ludwigshafen.
Hier sieht man im Kleinen, Konkreten den Unterschied zwischen Kultur und Industrie, Moderne und Postmoderne, was passiert, wenn die Schildbürger den Ton angeben.