16.05.2019

»Good Boy« Eddie

Eddie Ugbomah (1940-2019)
Eddie Ugbomah (1940-2019)

Ugbomah setzte sich bis ins hohe Alter für das nigerianische Filmerbe ein; ein Kampf, der so vergeblich war, wie der Versuch, über einen verzweifelten Spendenaufruf seine Arztkosten zu bezahlen.

Von Axel Timo Purr

Einer der Wegbe­reiter Nolly­woods und früher Verfechter der Resti­tu­tion von afri­ka­ni­schem Kultur­erbe, der legendäre Regisseur und Produzent Chief Eddie Ugbomah, ist am vergan­genen Samstag in Lagos mit 78 Jahren gestorben.

Ohne ihn ist Nollywood, die zweit­größte Film­in­dus­trie nach Bollywood und vor Hollywood, kaum denkbar. Seine 13 Filme, die er seit den 1970ern produ­ziert, für die er selbst Regie geführt hat und immer wieder nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera stand, sind Meilen­steine des nige­ria­ni­schen Kinos. Denn als einer der ersten nige­ria­ni­schen Regis­seure inter­es­sierte sich Ugbomah für das ganz normale Leben, den Alltag von Nige­ria­nern, ihre sozialen Probleme, die Politik und die Geschichte. Inspi­riert zu diesem Schritt wurde der damals 18-jährige Ugbomah durch einen Ausspruch Charlton Hestons, der 1959 während der Premiere von Ben Hur in der Glover Memorial Hall in Lagos darüber klagte, dass Nigeria keine eigene Film­in­dus­trie besitze.

Bis Ugbomah jedoch seinen Beitrag zu einer indigenen, nige­ria­ni­schen Film­kultur leisten konnte, durchlief er, wie fast alle nige­ria­ni­schen Intel­lek­tu­ellen seiner Zeit, eine Ausbil­dung in London. Er studierte Theater, Jour­na­lismus und Film an verschie­denen Insti­tu­tionen und verdiente sich mit Neben­rollen im Film (Guns at Batasi, James Bond – 007 jagt Dr. No) und als Regisseur der Afro-Kari­bi­schen Drama-Gruppe in Stoke ein Zubrot. 1975 kehrte Ugbomah nach Nigeria zurück, arbeitete kurz­zeitig als Konzert-Promoter, gründete dann aber sehr schnell seine eigene Produk­ti­ons­firma Edifosa Film Enter­prise. Und begann das, wofür er bekannt werden sollte: das »wahre Leben« Nigerias zu Film­ge­schichten zu trans­for­mieren.

Ugbomahs erster Film, The Rise and Fall of Dr. Oyenusi (1977), erzählte mit einer klaren didak­ti­schen Botschaft, dass sich Verbre­chen nicht auszahlt, die Geschichte des berüch­tigten Gangsters Ishola Oyenusi, der bis zu seiner Festnahme und Hinrich­tung 1971 das Land in Atem hielt.

Auch Ugbomahs zweiter Film, The Mask (1979) war eine Reaktion auf reale Ereig­nisse, in diesem Fall eine Ausein­an­der­set­zung mit der in den 1970ern erstmals gestellten Frage nach der Resti­tu­tion afri­ka­ni­schen Kultur­erbes (die durch Fewline Sarr und Bénédicte Savoy im letzten Jahr ein weiteres Mal gestellt wurde). Nigeria hatte anläss­lich des FESTAC 77 (Second World Black and African Festival of Arts and Culture) von England die Rückgabe einer benin­schen Königs­maske gefordert, die England nach der Nieder­lage von Oba Ovon­ramwen 1897 ins Britische Museum überführt hatte. England weigerte sich jedoch mit der Begrün­dung, dass die Elfen­bein­masken zu fragil für einen Transport seien. In Ugbomahs The Mask unter­läuft der von Ugbomah selbst gespielte, an James Bond angelegte Held Major Obi diese Entschei­dung. In geheimer Mission bricht er ins British Musuem ein und resti­tu­iert die Masken zurück nach Nigeria. Ugbomahs brachte in seinem Film Nige­ria­nern nicht nur erfolg­reich ihre Kolo­ni­al­ge­schichte nahe, sondern war mit »The Mask« auch so erfolg­reich, dass die britische Regierung Nigeria anbot, die Masken zurück­zu­kaufen.

Auch in seinen folgenden Filmen blieb Ugbomah nicht nur am Puls der Zeit, sondern deutete über histo­ri­sche Exegese oder radikalem Lesen aus dem Kaffee­satz des Alltags kommende Krisen an. Der preis­ge­krönte Oil Doom (1979) analy­sierte brutal die durch den Ölboom ausgelösten gesell­schaft­li­chen Verwer­fungen und prangerte Korrup­tion und die Ausbeu­tung einer ganzen Gene­ra­tion von Jugend­li­chen an; Themen, die später auch der hinge­rich­tete Autor Ken Saro-Siwa in seinen Schriften aufgreifen sollte. Death of a Black President (1983) thema­ti­siert nicht nur das Attentat auf Nigerias früheren, reform­wil­ligen General und Staats­prä­si­denten Murtala Muhammed, sondern wirkt auch heute noch wie ein Blaupause für kommende präsi­diale Krisen und Hoff­nungen. Und The Boy Is Good (1982) erklärt die Struk­turen, die den zu Inter­net­zeiten zu traurigem Ruhm aufge­stie­genen Betrugs-Orga­ni­sa­tionen Nigerias zu Grunde liegen – Ugbomah porträ­tiert in seinem Film lose das Schicksal des Sohnes eines Freundes von ihm, der mit Univer­sität-Abschluss und besten Absichten nach Nigeria zurück­kehrt, aber wegen Triba­lismus und Nepo­tismus nicht nur keine Arbeit findet, sondern auch schnell seinen Idea­lismus verliert und sich schließ­lich mit kleineren und größeren Betrü­ge­reien ein Überleben sichert.

1988 wurde Ugbomah Vorsit­zender der »Nigerian Film Corpo­ra­tion« und enga­gierte sich bis zu seinem Tod für das nige­ria­ni­sche Filmerbe. Er erinnerte an verges­sene Filme wie die zwei 35mm-Werke von Wole Soyinke oder an verschol­lene Meis­ter­werke wie Bisi, Daughter of the River, fluchte über die fehlende Moral von Nollywood und die fehlende Aufmerk­sam­keit gegen­wär­tiger Filme­ma­cher an der von ihm inau­gu­rierten »Movie and Music Makers Hall of Fame«.

Doch die Gelder für diese Projekte und die Aufmerk­sam­keit für die eigene, nationale (Film-) Geschichte waren ebenso schwer einzu­for­dern, wie die für sein eigenes Leben. Zwar wurde ein erster Hilferuf letzten Oktober noch gehört und Ugbomah in eine Klinik in Lagos überführt; und auch Präsident Muhammadu Buhari gratu­lierte ihm am 19. Dezember anläss­lich seines 78. Geburts­tages noch, aber als Ugbomah Anfang April in einem Posting über Facebook ein weiteres Mal die Öffent­lich­keit suchte und daran erinnerte, dass er schon seit neun Monaten in einem Kran­ken­haus dahin­sieche, ohne behandelt werden zu können, weil es an Geld fehle, war es schon zu spät; die im Laufe des Monats eintref­fenden Gelder ermög­lichten erst eine Operation am letzten Montag, zwei Tage nach Ugbomahs Tod.