»Good Boy« Eddie |
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Eddie Ugbomah (1940-2019) |
Von Axel Timo Purr
Einer der Wegbereiter Nollywoods und früher Verfechter der Restitution von afrikanischem Kulturerbe, der legendäre Regisseur und Produzent Chief Eddie Ugbomah, ist am vergangenen Samstag in Lagos mit 78 Jahren gestorben.
Ohne ihn ist Nollywood, die zweitgrößte Filmindustrie nach Bollywood und vor Hollywood, kaum denkbar. Seine 13 Filme, die er seit den 1970ern produziert, für die er selbst Regie geführt hat und immer wieder nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera stand, sind Meilensteine des nigerianischen Kinos. Denn als einer der ersten nigerianischen Regisseure interessierte sich Ugbomah für das ganz normale Leben, den Alltag von Nigerianern, ihre sozialen Probleme, die Politik und die Geschichte. Inspiriert zu diesem Schritt wurde der damals 18-jährige Ugbomah durch einen Ausspruch Charlton Hestons, der 1959 während der Premiere von Ben Hur in der Glover Memorial Hall in Lagos darüber klagte, dass Nigeria keine eigene Filmindustrie besitze.
Bis Ugbomah jedoch seinen Beitrag zu einer indigenen, nigerianischen Filmkultur leisten konnte, durchlief er, wie fast alle nigerianischen Intellektuellen seiner Zeit, eine Ausbildung in London. Er studierte Theater, Journalismus und Film an verschiedenen Institutionen und verdiente sich mit Nebenrollen im Film (Guns at Batasi, James Bond – 007 jagt Dr. No) und als Regisseur der Afro-Karibischen Drama-Gruppe in Stoke ein Zubrot. 1975 kehrte Ugbomah nach Nigeria zurück, arbeitete kurzzeitig als Konzert-Promoter, gründete dann aber sehr schnell seine eigene Produktionsfirma Edifosa Film Enterprise. Und begann das, wofür er bekannt werden sollte: das »wahre Leben« Nigerias zu Filmgeschichten zu transformieren.
Ugbomahs erster Film, The Rise and Fall of Dr. Oyenusi (1977), erzählte mit einer klaren didaktischen Botschaft, dass sich Verbrechen nicht auszahlt, die Geschichte des berüchtigten Gangsters Ishola Oyenusi, der bis zu seiner Festnahme und Hinrichtung 1971 das Land in Atem hielt.
Auch Ugbomahs zweiter Film, The Mask (1979) war eine Reaktion auf reale Ereignisse, in diesem Fall eine Auseinandersetzung mit der in den 1970ern erstmals gestellten Frage nach der Restitution afrikanischen Kulturerbes (die durch Fewline Sarr und Bénédicte Savoy im letzten Jahr ein weiteres Mal gestellt wurde). Nigeria hatte anlässlich des FESTAC 77 (Second World Black and African Festival of Arts and Culture) von England die Rückgabe einer beninschen Königsmaske gefordert, die England nach der Niederlage von Oba Ovonramwen 1897 ins Britische Museum überführt hatte. England weigerte sich jedoch mit der Begründung, dass die Elfenbeinmasken zu fragil für einen Transport seien. In Ugbomahs The Mask unterläuft der von Ugbomah selbst gespielte, an James Bond angelegte Held Major Obi diese Entscheidung. In geheimer Mission bricht er ins British Musuem ein und restituiert die Masken zurück nach Nigeria. Ugbomahs brachte in seinem Film Nigerianern nicht nur erfolgreich ihre Kolonialgeschichte nahe, sondern war mit »The Mask« auch so erfolgreich, dass die britische Regierung Nigeria anbot, die Masken zurückzukaufen.
Auch in seinen folgenden Filmen blieb Ugbomah nicht nur am Puls der Zeit, sondern deutete über historische Exegese oder radikalem Lesen aus dem Kaffeesatz des Alltags kommende Krisen an. Der preisgekrönte Oil Doom (1979) analysierte brutal die durch den Ölboom ausgelösten gesellschaftlichen Verwerfungen und prangerte Korruption und die Ausbeutung einer ganzen Generation von Jugendlichen an; Themen, die später auch der hingerichtete Autor Ken Saro-Siwa in seinen Schriften aufgreifen sollte. Death of a Black President (1983) thematisiert nicht nur das Attentat auf Nigerias früheren, reformwilligen General und Staatspräsidenten Murtala Muhammed, sondern wirkt auch heute noch wie ein Blaupause für kommende präsidiale Krisen und Hoffnungen. Und The Boy Is Good (1982) erklärt die Strukturen, die den zu Internetzeiten zu traurigem Ruhm aufgestiegenen Betrugs-Organisationen Nigerias zu Grunde liegen – Ugbomah porträtiert in seinem Film lose das Schicksal des Sohnes eines Freundes von ihm, der mit Universität-Abschluss und besten Absichten nach Nigeria zurückkehrt, aber wegen Tribalismus und Nepotismus nicht nur keine Arbeit findet, sondern auch schnell seinen Idealismus verliert und sich schließlich mit kleineren und größeren Betrügereien ein Überleben sichert.
1988 wurde Ugbomah Vorsitzender der »Nigerian Film Corporation« und engagierte sich bis zu seinem Tod für das nigerianische Filmerbe. Er erinnerte an vergessene Filme wie die zwei 35mm-Werke von Wole Soyinke oder an verschollene Meisterwerke wie Bisi, Daughter of the River, fluchte über die fehlende Moral von Nollywood und die fehlende Aufmerksamkeit gegenwärtiger Filmemacher an der von ihm inaugurierten »Movie and Music Makers Hall of Fame«.
Doch die Gelder für diese Projekte und die Aufmerksamkeit für die eigene, nationale (Film-) Geschichte waren ebenso schwer einzufordern, wie die für sein eigenes Leben. Zwar wurde ein erster Hilferuf letzten Oktober noch gehört und Ugbomah in eine Klinik in Lagos überführt; und auch Präsident Muhammadu Buhari gratulierte ihm am 19. Dezember anlässlich seines 78. Geburtstages noch, aber als Ugbomah Anfang April in einem Posting über Facebook ein weiteres Mal die Öffentlichkeit suchte und daran erinnerte, dass er schon seit neun Monaten in einem Krankenhaus dahinsieche, ohne behandelt werden zu können, weil es an Geld fehle, war es schon zu spät; die im Laufe des Monats eintreffenden Gelder ermöglichten erst eine Operation am letzten Montag, zwei Tage nach Ugbomahs Tod.