You don’t have to get drunk to kiss Catherine Deneuve! |
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Das Leben als Fiktion und Verkleidung: JT Leroy |
Von Dunja Bialas
Zu Beginn ein schönes Gebot: Frauen soll man nicht nach dem Alter fragen. Auch wenn das Münchner »Bimovie – Eine Frauenfilmreihe« ab diesem Donnerstag das 25. Jubiläum begeht, heißt das noch lange nicht, dass es wirklich erst zarte 25 Lenze zählt, auch wenn die Ausgaben ordentlich durchnummeriert wurden: Dieses Jahr ist »Bimovie 25«.
Das Jubiläumsheft zu 30 Jahre Filmstadt führt 1988 als Gründungsjahr der »Geierwallis«. Hinter diesem schönen Namen verbirgt sich eine Frauengruppe des Kulturladens Westend, die seit Anbeginn die Frauenfilmreihe organisiert. Seit 1991 ist sie mit ihrer Filmreihe Mitglied in der Filmstadt München, das sind 28 Jahre. Zwischendurch wurde auch mal pausiert, und so blickt Bimovie zwar auf insgesamt 31 Jahre Geschichte zurück und ist trotzdem »erst« ein Vierteljahrhundert alt.
Eine Retrospektive in zehn Programmen ist das Jubiläums-Herzstück von Bimovie. Zu sehen sind Filme aus 25 Festivaljahren, darunter der Belle-Epoque-Mädcheninternatsfilm Olivia (FR 1951) von Jacqueline Audry, eine der frühen französischen Regisseurinnen, Begierde (USA 1982) von Tony Scott, Bruder von Ridley Scott, in dem Catherine Deneuve und David Bowie ein Vampir-Paar spielen, in der glanzvollen »Cinema du Look«-Ästhetik der 1980er Jahre. Oder Katzenball (CH 2005) der Bernerin Veronika Minder, der eine Zeitreise durch fast 100 Jahre Lesben- und Frauengeschichte liefert.
In der Gründungszeit gab es das große, unerfüllte Bedürfnis, Frauenfilme zu sehen. »Aber wo?«, schreiben die Geierwallis im Filmstadt-Jubiläumsheft. München war damals aus filmfeministischer Perspektive Provinz, also begannen sie, Filme zu zeigen, die sie selbst sehen wollten. Anders als die populär gewordenen Queerfilme befassen sich Frauenfilme nicht zwingend mit Geschlechtsidentitäten. Sie verstehen sich viel allgemeiner, politisch und gesellschaftlich, machen sich zugleich aber auch nicht mit den in Mode gekommenen Filmen über »starke Frauen« gemein. Ihre Protagonistinnen sind nicht Frauen, die sich in der Männerwelt behaupten, sondern Frauen, die sich selbst definieren, außerhalb des binären gesellschaftlichen oder geschlechtlichen Konzepts.
Frauen sind auch Spielerinnen, die die Welt durcheinanderbringen. Eine von ihnen ist Jeremiah »Terminator« Leroy, die sechs Jahre lang die Welt des Literatur-Pops narrte, als angebliche Transgender-Ex-Stricher-Autorin, HIV-positiv und mit noch weiteren Attributen, auf die sich der Literaturbetrieb stürzte, in der Gier nach der guten Story hinter den Büchern. JT Leroy war eine Kunstfigur, die die Künstlerin und Filmemacherin Savannah Knoop verkörperte, auf Anregung ihrer Freundin, der Schriftstellerin Laura Albert. Das Leben als Fiktion und Verkleidung – ein postmodernes Konzept, das dem Credo folgt, dass selbst nackt der Mensch nur seine Seele verkleidet. Der amerikanische Regisseur Justin Kelly hat daraus den Film JT Leroy gemacht, stilistisch ein American Independent, mit Laura Dern, Kristen Stewart und Diane Kruger. Der Film eröffnet am heutigen Donnerstag die 25. Bimovie-Frauenfilmreihe. (Spieltermine: Do, 7.11., 19:00, Wdh. am So, 10.11., 21:00)
Verkrustete Gesellschafts- und Gender-Strukturen sind in vielen osteuropäischen Ländern Alltag. In Nordmazedonien gibt es ein Neujahrsritual, bei dem Frauen ausgeschlossen sind: Ein Kruzifix wird in das eiskalte Flusswasser geworfen, wer es herausfischt, hat ein Jahr lang nur Glück. Petrunya hat schon zu Beginn des Jahres Glück und zieht das Kreuz verbotenerweise aus dem Wasser. Gott existiert, ihr Name ist Petrunya zeigt die Provokation der Gesellschaft durch eine handelnde Frau in Form einer Satire, in der auf einen Streich die Kirche, die Männergemeinde und die Traditionen herausgefordert werden. (Fr, 8.11., 19:00, zu Gast: Regisseurin Teona Strugar Mitevska, Wdh. am Mi, 13.11., 21:00)
Nicht immer müssen Frauen Einzelkämpferinnen sein. Eine der berühmtesten Ikonen des solidarischen Zusammenhalts ist die rote Zora, ein Mädchen aus Jugoslawien, Anführerin einer aus sozialer Not kriminell gewordenen Kinderbande, deren oberstes Gebot die Solidarität ist. Kurt Held schuf ihr 1941 ein literarisches Denkmal. In den 1970er Jahren formierte sich nach dem delinquent-politischen Vorbild eine militante Frauengruppe im Kontext der Revolutionären Zellen. Ihre als terroristisch eingestuften Aktionen richteten sich vor allem gegen die alltägliche Gewalt gegen Frauen, gegen den Reproduktionswahn, gegen die patriarchalen Strukturen. Das FrauenLesbenFilmCollectif hat über den Bruch mit der angeblichen Friedfertigkeit der Frau einen erhellenden Dokumentarfilm gemacht: Frauen bildet Banden. (Sa, 9.11., 17:00, Wdh. So, 10.11. 19:00, zu Gast an beiden Terminen: die Regisseurinnen)
Auch das Knüpfen gleichgeschlechtlicher Bande konnte Frauen in der Vergangenheit stark machen. Das zeigt im Kino gerade Céline Sciammas stimmungsvoller Porträt einer jungen Frau in Flammen über eine Portraitmalerin im 18. Jahrhundert. In Wild Nights with Emily der Amerikanerin Madeleine Olnek geht es um die lebenslange Affäre von Emily Dickinson zu ihrer Jugendfreundin Susan, die Emilys Bruder heiratet, um der Dichterin nahe sein zu können. Nach dem Tod von Dickinson adressierte die Verlegerin, jetzt wiederum selbst mit dem Bruder der Dichterin verheiratet, postum die Briefe, die Emily an Susan geschrieben hatte, an einen Mann um. Das klingt nach Verwechslungskomödie, und der Film wird auf IndieWire als »beste lesbische Komödie seit Jahren« gehandelt. (Sa, 9.11., 19:00, Wdh. Di, 12.11., 21:00)
Auffällig ist, dass von den Männern herbeigeführte Debatten bei Bimovie keine Rolle spielen. »Me too« ist für die selbstbewussten Frauen von Bimovie keine Kategorie, über die nachgedacht werden muss. Die Identifikation der Bimovie-Frau lässt sich eher in der Appellstruktur fassen: You too, komm her und schließ dich an.
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Bimovie 25 – Eine Frauenfilmreihe
07.-13.11.2019
Neues Maxim
Die Retrospektive findet im Werkstattkino statt.
Das ganze Programm mit allen Spielterminen gibt es hier.
Bimovie 25 ist eine Veranstaltung der Filmstadt München e.V.