Trouble Shooting im Corona-Blues |
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Eis am Stiel: Kokon | ||
(Foto: Salzgeber) |
Von Felicitas Hübner
Bei einem Ereignis wie dem ortsansässigen Bimovie darf bei artechock schon mal gegendert werden. Die 26. Ausgabe der Frauenfilmreihe musste aus den bekannten kulturvernachlässigenden Gründen in diesem Jahr online stattfinden. Der Umgang der Politik (nicht nur) mit den Kinos fordert gerade mutig-wütende Kreativität und einen unbedingten Überlebenswillen der Menschen in der Kulturbranche. In diesem Jahr sind schon viele Filme aufgrund der Maßnahmen untergegangen. Das Bimovie-Team will dazu beitragen, dass zumindest eine kleine Auswahl an wunderbaren Filmen die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Aus dem anfänglich konzipierten Hybrid-Festival musste ein rein digitales Filmfest werden. Acht Filme konnte mensch – im Streaming allein vor dem Monitor des Home Office oder in geselliger Runde vor dem WG-Beamer – dem geschundenen Gemüt zuführen. Sehr schöne Filme waren es wieder.
Die Coming of Age-Geschichte Kokon von Leonie Krippendorff hatte der Verleih dann glücklicherweise doch noch für die Online-Plattform freigegeben. Im mehrfach heißen Sommer 2018 mit Blutmond und erster Periode verliebt sich die von Lena Urzendowsky hinreißend gespielte Nora in die wilde Romy (Jella Haase).
Heavy Craving aus Taiwan ist ein poppig bunter und zuweilen schwergewichtiger Kommentar zu Body-Normativity und das Spielfilmdebüt von Pei-Ju Hsieh. Der Film ist eine Dramödie, die sich mit »female troubles« wie Körperform, Essenslust und sexuellen Übergriffen beschäftigt.
In Mouthpiece von Patricia Rozema hat die Protagonistin Cassandra 48 Stunden Zeit, um das Begräbnis ihrer Mutter zu organisieren. Dabei gerät sie in eine immer absurder eskalierende Sinnkrise – ein atmosphärisches Drama über den Tod jenseits aller Genrekonventionen.
Der Kurzfilm Portrait of my Mother erzählt die Verarbeitung eines Missbrauchs und läuft als Vorfilm zu Overseas von Sung-a Yoon, der einen schonungslosen Blick auf die Misere moderner Sklaverei wirft. Dank der Solidarität der Frauen* untereinander wohnt dem Film ein kleiner Hoffnungsschimmer inmitten dieser düsteren Parallelwelt inne.
Als Reaktion auf den strukturellen Rassismus innerhalb der französischen Filmbranche entsteht 2017 Amandine Gays dokumentarisches Debüt Speak Up – ein afro-feministisches Manifest, mit dem sie der Schwarzen Weiblichen Perspektive endlich Gehör verschaffen will. Sie lässt Schwarze Frauen* aus Belgien und Frankreich zu Wort kommen.
Der Künstler Tristan Meecham trägt die Mission in sich, queere Senior*innen mit einem Festball in die Community zurückzuholen. Sue Thomsons Film Coming Back Out Ball Movie dokumentiert Meechams Ball-Projekt. Sie gewährt einen Einblick in eine Generation, die als Vorhut der LGTBIQ* Bewegung die Weichen für sämtliche queerpolitischen Erfolge stellte.
Um lesbisches Lieben und Leben in der DDR geht es in Barbara Wallbrauns Film Uferfrauen. Die Regisseurin hat sechs Frauen gefunden, die bereit waren, ihre Geschichte zu teilen – eine jede liebenswert, mit Eigenart, Esprit und Charme. Nicht immer lustig, aber kraftvoll und ermutigend.
Janna Ji Wonders dokumentarische Erzählung Walchensee Forever erstreckt sich über 80 Jahre einer traumatisierten Familiengeschichte. Sie erzählt die Geschichte ihrer Familie aus Sicht der Frauen, von denen jede auf ihre Weise den patriarchalen Strukturen ihrer Zeit trotzt.
Bimovie startete im Jahr 1988. Aufgrund der langen Geschichte arbeitet schon eine zweite Generation im Bimovie-Team mit. Zum Einspielergebnis befragt, zeigte sich Pressefrau Anne Daschkey zufrieden mit den Click-Zahlen. Selbstverständlich hätten sie die Offline-Variante mit Gästen vor Ort bevorzugt. Der direkte Austausch mit den Besucher*innen musste entfallen. Und die immer im Neuen Maxim aufgestellte Feedback-Wand konnte in diesem Jahr nicht beschrieben werden. Ob das sehr diverse Publikum die Filme bezaubernd, schrecklich oder gar verstörend fand, musste es auf Facebook hinterlassen. Trotz allem war es eine spannende Kinowoche.