Europameister Dänemark |
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Aus vielen Gründen sehr angemessene Preisträger: Mads Mikkelsen (bester Schauspieler) in Thomas Vinterbergs (beste Regie, bestes Drehbuch) Der Rausch (bester Film) | ||
(Foto: Weltkino) |
Bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, bester Hauptdarsteller – wieder einmal regnete es die Europäischen Filmpreise auf einen einzigen Film – wie so oft, wenn Filmpreise nicht durch eine Jury vergeben werden, die zu differenzieren und zu gewichten weiß, sondern per Massenabstimmung, also per plumper Sympathie.
Aber Der Rausch vom Dänen Thomas Vinterberg ist ein guter Film, und ein nicht unverdienter Sieger, allemal unter den Filmen, die nach der Vornominierung überhaupt noch zur Auswahl standen.
Er ist dies vor allem, weil er die verschiedene Seiten dessen, was das Kino bedeuten kann, in sich vereint: Komödie und Tragödie.
Sympathie erntete er wohl auch, weil er bei allem Ernst am Ende ein leichter, heiterer Film ist – ein Film, der guttut in düsteren Pandemie-Zeiten, wie diesen.
Es geht darin um vier Männer, die zu viel trinken. Sie sind deswegen aber noch nicht gleich Alkoholiker – dies ist ein Film, der angenehm wenig moralisiert.
Man könnte ihn sogar als eine Anti-Political-Correctness-Komödie umschreiben.
Ein Film, der die Kultur des Alkohols aufs Korn nimmt, ihre schlechten Seiten aber eher ironisiert, ebenso wie die guten, die auch vorhanden sind – es ist auch ein Film über verschiedene Generationen. Im Zentrum stehen vier Lehrer, vier Männer, die in einer Art Midlife-Crisis sind und sich im Laufe des Films in ihrem Beruf, aber auch privat neu erfinden.
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Dies war auch einmal mehr eine Auszeichnung für das Dänische Kino als solches – eine der besten Kinematographien in Europa: Ein kleines Land, das gerade angesichts seiner Größe einen ungemeinen Output hat, große kreative Vielfalt – von weltweit erfolgreichen Serien wie Borgen bis hin zu strengen Kunstformen wie im Kino des Lars von
Trier.
Schauspieler wie Mads Mikkelsen, der gestern ebenfalls eine Auszeichnung erhielt, oder Ulrich Thomsen sind ebenfalls in die USA gegangen und zu europäischen Weltstars geworden.
Es ist auch das Land mit einer großen Flexibilität in der Filmförderung – maximal sechs Jahre dürfen dort Förderer auf ihren Posten sitzen: Eine Amtszeit wie die 20 Jahre der derzeitigen Chefin des Berliner Medienboards wären dort vollkommen undenkbar und würden als irgendwie obszön empfunden.
Und Dänemark ist das Land mit dem größten Publikumszuspruch Europas: Über 8 Mal pro Jahr geht jeder Däne ins Kino.
Das heißt, den Dänen gelingt etwas, was größeren klassischen Kino-Nationen wie den Franzosen, den Italienern, von den Deutschen erst gar nicht anzufangen, zurzeit eben nicht gelingt – vielleicht haben ja diese verschiedenen Faktoren auch etwas mit dem Erfolg des dänischen Films zu tun – so wie unsere Zustände mit dem internationalen Misserfolg des deutschen Films.
Insofern ist der Preis vom Samstag ein sehr angemessener Preis.
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Der deutsche Film kann mehr als zufrieden sein: Paula Beer wurde beste Schauspielerin für Christian Petzolds sprödes Märchenmelo Undine, und gewann damit auch über Nina Hoss, der man den Preis gleich für ihre drei Hauptrollen – in Das Vorspiel, Pelikanblut und Schwesterlein – etwas mehr gegönnt hätte.
Die Döblin-Verfilmung Berlin Alexanderplatz gewann den Preis für die beste Filmmusik.
Und der deutsch-rumänische Regisseur Alexander Nanau gewann für den Film Colectiv über das rumänische Gesundheitswesen den Preis als bester Dokumentarfilm.
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Ein repräsentatives Bild des gegenwärtigen europäischen Films und seiner Vielfalt bieten die Preise vom Samstag aber eher nicht.
Tatsächlich sind die Nominierungen beim Europäischen Filmpreis sehr oft eher der kleinste gemeinsame Nenner, eine Art Mittelmaß des europäischen Kinos, in dem die Extreme ausgeschlossen sind, die überraschenden, ungewöhnlichen, irritierenden Filme.
Filme, die das Publikum spalten, werden hier erst gar nicht nominiert – denn schon
die Nominierung findet ja als Massen-Abstimmung unter den immerhin 3800 Mitgliedern der Europäischen Filmakademie statt.
Hier geht es also um Mehrheits-Kino, nicht etwa um Minderheits-Kino und nicht etwa um Filme, die die Ränder des Mediums repräsentieren.
Das Ganze auf gleich fünf Tage zu verteilen war auch nicht der allerschlaueste Einfall. Schon in normalen Jahren ist die Verleihung der Europäischen Filmpreise eine überaus zähe Angelegenheit – und wer hat sich jetzt überhaupt alle fünf Tage angeschaut?
Außer den Preisvergaben gab es da auch noch Diskussionspanels. Das konnte auf die Dauer schon ziemlich öde werden.
Auch eine Zustandsbeschreibung – warum sollte der Filmpreis anders sein, als die EU?