Bleib zu Hause und geh ins Kino! |
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Sinnbild für unseren Zustand: von den Devices der Virtualität gekillt. Ab dem 18.3. im Videokanal von flimmern&rauschen. | ||
(Foto: flimmern&rauschen / smart home – Jonas Steinacker und Vincent Eckert) |
Von Anna Edelmann
Seit gut einem Jahr sitzen wir nun alle in unseren Stuben fest und streamen daheim voneinander abgekapselt Filme. Und auch das flimmern&rauschen-Filmfest darf nicht raus und muss eine zweite Runde rein online und virtuell einlegen. Aber wie es sich für ein Jugendfilmfestival gehört, das von Natur aus immer in Bewegung ist und nach vorne blickt, grämt und schmollt es nicht lange, sondern sucht lieber nach cleveren und innovativen Ideen, wie Publikum und Festival trotzdem
miteinander in Kontakt treten können, sich gar ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln kann. Denn es sind nicht nur die professionelle Projektion auf die große Leinwand und die ergonomischen Sitze, die uns am Kinobesuch fehlen.
Es ist das Zusammensein, das gemeinsame Fühlen und Erleben. Der angeregte Austausch vor und nach den Filmen; mit Freunden, die eben genau das Gleiche gesehen, es aber vielleicht ganz anders wahrgenommen haben.
Um diesem Dialog ein Forum zu geben, fasst sich flimmern&rauschen ein Herz, starrt dem Kinosterben allerorts furchtlos ins Gesicht und eröffnet sein eigenes Kino – wenn auch nur virtuell.
So soll ein Ort geschaffen werden, an dem man sich mit Gleichgesinnten verabreden kann, um sich Filmtipps zuzustecken oder einfach miteinander zu plaudern. Angeregte Gespräche führt
man entweder direkt in einem der drei Kinosäle – oder trifft sich anstandshalber doch lieber im Foyer. Schließlich soll sich hier niemand Unsitten angewöhnen, die man sich nach Öffnung der realen Lichtspielhäuser erst mühsam wieder abtrainieren muss.
Bleib daheim und geh ins Kino! – Das ist nun also nicht länger widersprüchlich.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses virtuelle Festivalzentrum so funktioniert wie geplant und von den Gästen angenommen wird. Ergibt sich
so doch vielleicht sogar die eine oder andere Bekanntschaft, die sich bald in einem realen Kino treffen kann.
Das Publikum ist nicht nur eingeladen, untereinander das Gespräch zu suchen. Es ist seit jeher ein Anliegen von Deutschlands ältestem Jugendfestival, schon die jüngsten Zuschauer nicht nur passiv vor die Leinwand zu setzen, sondern sie auch aktiv für’s Filmemachen zu begeistern. Der interessierte Nachwuchs wird ermutigt, den eigenen Geschichten, der eigenen Stimme Wert beizumessen. Es wird der Anstoß gegeben, selbst den Schritt hinter oder vor die Kamera zu wagen.
So entstehen Filme aus einer Perspektive, die sich als Erwachsener nur schwer nachahmen lässt. Keine Nostalgie verzerrt das Bild, sondern es eröffnen sich authentische Einblicke in das Leben und Denken von jungen Menschen, die die Welt noch für sich entdecken und sie sich zueigen machen.
Zwei Blöcke widmet das Festival diesen neuen Sichtweisen. Unter dem Titel »jung&wild« gruppieren sich Werke, die auf eine turbulente Reise durch die Jugendzeit einladen. Dazu passend findet an
zwei Tagen ein Workshop mit Regisseurin und Drehbuchautorin Melanie Waelde (Nackte Tiere) statt, der sich mit der Darstellung und Wahrnehmung von »Jugend« im Film beschäftigt.
In der Reihe »-topien« wird frei über mögliche zukünftige Welten spekuliert. Am 20. und 21.03. gewährt der Workshop »Erschaffe Deine eigenen Welten« mit dem Spieleentwickler Marco Plewnia einen Einblick in die
Schöpfung ganzer (Fantasie-)Welten.
Die Teilnahme an den kostenlosen Workshops ist nur nach vorheriger Anmeldung auf der Webseite des Festivals möglich, da die Teilnehmerzahl begrenzt ist.
Das flimmern&rauschen gilt generell als ein sehr publikumsnahes Festival. Doch dieses Jahr gibt es sich besondere Mühe, die Distanz zwischen Publikum, Filmfest und Filmemachern nicht größer als – den Umständen geschuldet – nötig werden zu lassen. Man soll nicht zeitlos im virtuellen Raum schweben und einander aus den Augen verlieren, sondern gemeinsam im Hier und Jetzt präsent sein. Das gilt auch für alle Filmemacher, die dieses Jahr einen Beitrag im Rennen um einen der Preise haben. »Wir rufen die Gewinner an. Seid erreichbar am 24.03.2021«, wird im Trailer angekündigt. Aufgeregt werden an dem Tag die Teilnehmer neben dem Telefon warten, ob es denn während der Preisverleihung klingelt und sie mit der Gewinnnachricht überrascht werden. Das geschieht ganz klassisch, direkt altmodisch, unter Zuhilfenahme eines analogen Schnurtelefons. Keine vorab aufgezeichneten Dankesreden, die bis in die letzte Formulierung ausgefeilt wurden und dem Publikum auf Knopfdruck vorgespielt werden. Nein: hier nimmt man Teil an der direkten und spontanen Freude der Gewinner.
Vergeben werden Preise im Gesamtwert von 4000€ in fünf nach Altersgruppen sortierten Kategorien, sowie ein Publikumspreis und ein Sonderpreis zum Thema »Diversität«. Die Preisverleihung findet bereits am 24.03. statt. Danach bleiben noch vier Tage, um sich die Gewinnerfilme anzusehen, die einem vorher vielleicht entgangen sind.
Und selbst für diejenigen, die einfach nicht genug der über sechzig Filme in die zehn Tage quetschen können, gibt es nach dem Festival eine
weitere Möglichkeit, das Versäumte nachzuholen. flimmern&rauschen kooperiert dieses Jahr zum ersten Mal mit dem Streamingportal OLAtv.de. Dort wird eine vom Filmfest kuratierte Auswahl der diesjährigen Beiträge gezeigt; jeden Monat ein neuer Film, bis zum Beginn des nächsten Festivals 2022.
Auf dem man sich dann hoffentlich wieder in einem echten Kino trifft.