Kinos in München – Wir lieben Kino
»Ein Erlebnisort mit erotischer Komponente« |
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Matti Bauer am kalten Ostermontag vor dem Studio Isabella | ||
(Foto: Matti Bauer) |
Von Matti Bauer
Seit letztem Montag bin ich mit den Vorbereitungen zu einem Dreh beschäftigt. Dunja Bialas von »artechock« wird unsere Kinoaktion »Wir lieben Kino« fortführen, am Pfingstmontag kommen noch die Leopold Kinos (mit dem ABC Kino) dran, am 31. Mai beenden wir die Aktion mit dem Arena Kino im Glockenbachviertel. Wir machen das Dutzend voll, dann werden wir ein Vierteljahr in diesem Wanderzirkus-Kino unterwegs gewesen sein!
Ich habe mir nie vorstellen können, eine solche Aktion zu starten. »Wir lieben Kino« ist aus einem ganz einfachen Grund entstanden: Ich wollte mal wieder meine Kolleg*innen sehen und mit ihnen ein paar Worte von Angesicht zu Angesicht austauschen. Keine langen Telefonate mehr, keine WhatsApp-Nachrichten, keine »Besprechungen«, sondern Smalltalk auf der Straße. Einfach so. Nach kurzer Überlegung, wo denn ein solcher Treffpunkt sein könne, fand ich schnell die Antwort: Natürlich vor einem Kino, dem Sehnsuchtsort von uns Kinofans. Das Ganze getarnt als »Schlange stehen«, jede Woche vor einem anderen Münchner Kino.
Und so fingen wir vor dem Studio Isabella an, dem Kino, das meiner Wohnung am nächsten liegt, nur drei Gehminuten entfernt, an der Ecke Isabella/Neureuther Straße. Ein Kino, das noch den Charme eines Nachbarschaftskinos hat, für viele ein nach außen verlängertes Wohnzimmer. Ein Kino, das allein durch seine Anwesenheit, seine Beleuchtung und die Filmplakate ein ganzes Viertel belebt.
Die Botschaft »Wir lieben Kino« wurde verstanden und das informelle Treffen geriet zur Aktion gegen das Vergessen des Sehnsuchtsortes Kino. »Wir lieben Kino« war nie eine Anti-Corona-Maßnahmen-Demo. Sondern eine Liebeserklärung an eine bedrohte Institution. Denn Kinos stehen, besonders in einer Stadt wie München, unter mehrfachem Druck. Boden und Mietpreise steigen ins Astronomische und allerorten wird systematisch verdrängt: Mieter, kleine Läden, Galerien – Kinos. Wir wissen, dass das Kinosterben nicht nur mit dem Streaming zusammenhängt, sondern auch ganz entscheidend mit der Gentrifizierung. So ist das Foyer des Isabella-Kinos wahrscheinlich kleiner als das Gästebad jener, die in Luxus-Dachwohnungen leben und das Kino noch nie von innen gesehen haben, obwohl sie wahrscheinlich gerade wegen solch exotischer Accessoires hierher gezogen sind.
Weiter ging es mit dem Rio Filmpalast, dem Rottmann, den Museum Lichtspielen, dem Neuen Maxim, dem Filmtheater am Sendlinger Tor, dem Werkstattkino und den City Kinos. Dazwischen lag der Ostermontag, ein bitterkalter Tag, an dem ich allein vor dem Isabella stand, weil ich niemandem zumuten wollte, den Feiertag zu opfern. Allerdings hatte ich es den Kinofans offen gelassen, ihrerseits vor ihrem Nachbarschaftskino zu stehen. Ob sie es getan haben, weiß ich nicht. Ich stand da, um den Faden nicht reißen zu lassen: Am Montag ist Kinotag, und da stellen wir uns in die Schlange. So wird nächsten Montag die 11. Edition von »Wir lieben Kino sein!«
Kino ist ein Sehnsuchtsort, der durch kein Streaming ersetzt werden kann. Ein Kino-Abend ist eine Reise in eine neue Welt, die um die Ecke liegen kann wie das Isabella-Kino. Niemand möchte ständig nur zu Hause kochen und essen. Jeder möchte mal ausgehen, auf ein Bier, zum Essen, um etwas zu erleben. Und so ist Kino: Ein Erlebnisort mit erotischer Komponente, man sieht sich vorher, man sieht sich nachher und dazwischen ist es dunkel … Selbst ein Multiplex kommt da nicht hinterher, weil schon das Foyer eher einem U-Bahnhof gleicht als einem Filmtheater. Kommt man aus dem Kino, steht man auf der Straße und taucht in die Menge ein.
Wir wissen, was wir zu verlieren haben. Wenn die Kinos in der Stadt sterben, dann reißen sie vieles andere mit in den Tod. Das zu verhindern, stehen wir hier und wollen das Kino retten.
Matti Bauer studierte Völkerkunde und Portugiesische Philologie an der LMU in München. Von 1978 bis 1988 unternahm er Forschungsreisen zu Indigenen in Brasilien. Nach einigen Jahren als Editor für Regisseure wie Peter Buchka oder seinen Bruder Christian Bauer begann er 1993 Dokumentarfilme in eigener Regie zu realisieren, meist in Bayern. Sein Motto bei allem, was er macht: »Klarheit und Hingabe«.