Leuchten in knalligem Pink |
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Geigerzähler für das aktuelle japanische Kino | ||
(Foto: 21. Nippon Connection) |
Von Jens Balkenborg
Es wird die zweite rein digitale Ausgabe werden, »wir finden komplett online statt, weil die Kinos in Frankfurt nach wie vor geschlossen sind«, erklärt Festivalleiterin Marion Klomfaß am Telefon. Man habe sich Ende April für ein Format entscheiden müssen, so Klomfaß weiter, da der Aufwand anders nicht zu stemmen gewesen sei. Dieses nervenaufreibende Hin und Her zwischen vielleicht analog, vielleicht hybrid, vielleicht doch komplett digital treibt die Filmfestivals schon das ganze Pandemie-Jahr über um.
Es war sicher keine leichte Entscheidung, denn Nippon Connection ist ein Festival, das in »gewöhnlichen« Jahren von der Begegnung, vom regelrechten kulturellen Eintauchen lebt. An den sechs Tagen im Frühsommer lässt sich alljährlich mit Filmen aus den Bereichen Kurz-, Dokumentar-, Spielfilm und natürlich Anime mit einem breiten Rahmenprogramm und mit kulinarischen Spezialitäten die japanische Kultur erleben, wie wohl sonst nirgends außerhalb Japans.
Aber die Not macht erfinderisch und auch diese (letzte) rein digitale Ausgabe hat, wie schon die im letzten Jahr, als das Nippon wie so viele Digitalfestivals einen Besucher:innenrekord verzeichnete, viel zu bieten. »Wir zeigen ein Best-off des japanischen Kinos der letzten beiden Jahre«, so Klomfaß. Da die Kinos geschlossen waren, seien viele Produktionen auf Halde geblieben und können jetzt in Frankfurt ihre Deutschland-, Europa-, internationale oder Weltpremiere feiern.
80 aktuelle japanische Filme sind zu sehen, darunter das Drama Under The Open Sky von Miwa Nishikawa, eine der wichtigsten zeitgenössischen Regisseurinnen Japans, The Promised Land von Takahisa Zeze, ein Mystery-Drama über das eskalierende Beziehungsgeflecht in einem Dorf, Sabus blutig-romantischer Thriller My Blood And Bones In A Flowing Galaxy um eine bedrohte junge Liebe oder »Special Actors«, eine Sekten-Komödie von One Cut Of The Dead-Kultregisseur Shinichiro Ueda.
Der diesjährige Programmschwerpunkt »Family Matters – Die japanische Familie zwischen Tradition und Moderne« beschäftigt sich mit den sich wandelnden Rollenbildern und neuen Familienkonstruktionen. Seit den 1930er- und 40er-Jahren spiele das Thema Familie im japanischen Kino eine gewichtige Rolle, erklärt Klomfaß, doch in den letzten Jahren gebe es verstärkt Filme, die sich von klassischen Familienbildern in dem traditionsbewussten Land emanzipieren. »Wie kann Familie sonst noch aussehen?«
Damit wird Frankfurt temporär wieder zum Geigerzähler für das aktuelle japanische Kino, das, so Klomfaß, gerade bereichert wird von »einem Schub kreativer neuer Independentfilmer:innen«. Das ist beachtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass es in Japan keine Filmförderstrukturen gibt, sondern allenfalls einzelne Förderprogramme, etwa lokale Förderungen durch Präfekturen, in denen die Filme gedreht werden. »Viele der jungen Filmemacher:innen haben drei andere Jobs nebenbei, um über die Runden zu kommen«, erklärt Klomfaß, viele Filme würden durch Crowdfunding oder anderweitig privat finanziert.
Neben den Filmen bietet Nippon Connection 40 digitale Workshops, Vorträge, Konzerte und 16 Live-Gespräche mit Filmemacher:innen via Zoom, bei denen die Zuschauer:innen Fragen stellen können. Und dann gibt es noch ein »kleines Fenster in die Außenwelt,« wie Klomfaß es nennt: einen Nippon Click & Collect-Kiosk im Haupteingang des Künstlerhauses Mousonturm, wo japanische Snacks, Drinks, T-Shirts nach Online-Bestellung abgeholt werden können. Man kann sich also getrost digital in die japanische Welt entführen lassen und sich, wenn man denn in Frankfurt oder Umgebung lebt, noch mit analogen Schmankerln eindecken.
Auch der Blick nach vorne verspricht Gutes: Im Sommer soll die Retrospektive zur japanischen Schauspielerin und Regisseurin Kinuyo Tanaka nachgeholt werden. Acht Filme von und mit ihr sollen im Kino des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt gezeigt werden, »die 35- und 16-mm-Kopien lassen wir aus Japan einfliegen«, erzählt die Festivalleiterin. Das genaue Datum soll an diesem Sonntag bekanntgegeben werden.
Und im nächsten Jahr soll es dann wieder analog in die Vollen gehen. »Wir wollen im nächsten Jahr wieder ein Festival vor Ort machen«, auch werde über weitere Spielstätten nachgedacht, so die Festivalleiterin. Ob auch Filme per Stream zur Verfügung gestellt werden? »Eventuell gibt es hinterher ein kleines Programm online«, allerdings nur sehr reduziert, da eine komplett hybride Auflage alle Rahmen sprengen würde. »Alle, die uns online entdeckt haben, müssen dann eben nach Frankfurt kommen«, so Klomfaß selbstbewusst. Aber jetzt erstmal ran an die Bildschirme für Nippon Connection 21. »Yokoso!«: Herzlich Willkommen!