Allein mit sich selbst |
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Ohrensausen von Alessandro Aronadio entstand bereits 2016. Das muss man wohl dazusagen… | ||
(Foto: Circolo Cento Fiori / Ran Zag) |
Von Elke Eckert
»Facetten der Einsamkeit«: So übertitelt der Circolo Cento Fiori, Mitglied der Filmstadt München e.V., seine diesjährige Filmreihe, die er in Kooperation mit der Münchner Stadtbibliothek am kommenden Wochenende, dem 12. und 13. Juni 2021, zeigt. Damit widmet er sie einem Gefühl, das in den vergangenen Monaten auch Menschen kennengelernt haben, die vor der Pandemie wenig bis gar nicht mit Einsamkeit konfrontiert waren. Als plötzlich jede Menge Möglichkeiten der Zerstreuung weggebrochen sind und Alleinlebende vor allem als Ein-Personen-Haushalte wahrgenommen wurden, spürten viele, wie wichtig der persönliche Austausch mit anderen ist. Da helfen auch Gespräche am Telefon oder über den Bildschirm nur bedingt. Mit den Enkeln ein Eis essen zu gehen oder sich mit Freunden in der Kneipe zu treffen ist etwas anderes, als am Rechner Memory zu spielen oder sich über Zoom zuzuprosten. Doch auch das Gefühl, mit sich allein zu sein, erlebt jede oder jeder anders. Das hat nicht nur mit äußeren Umständen zu tun, sondern auch viel mit der aktuellen Lebenssituation, dem eigenen Charakter und Alter. Die vier Filme aus Italien, die an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Milieus spielen, verdeutlichen das sehr gut.
Die Filmreihe startet mit der wahren Geschichte des Flüchtlingsmädchens Nour. Nour (2019) basiert auf dem Buch des Arztes Pietro Bartolo, der sich seit Jahren um Geflüchtete kümmert, die auf der italienischen Insel Lampedusa landen. Die 10-jährige Nour hat bei ihrer Flucht aus Syrien einen Schiffbruch auf dem Mittelmeer überlebt und ist in einem ihr fremden Land vollkommen auf sich allein gestellt. Als Bartolo sie kennenlernt, spürt er ihre Angst und Verzweiflung. Aber er merkt auch, dass ihn die Art, wie Nour mit der Ausnahmesituation umgeht, besonders berührt und beschließt, ihr ein Zuhause auf Zeit zu geben. – Das Drama von Maurizio Zaccaro wurde am Originalschauplatz Lampedusa gedreht und ist mit Linda Mresy und Sergio Castellitto in den Hauptrollen stark besetzt. (Samstag, 12. Juni, 17 Uhr)
Der anschließende Film hat mit seinem Vorgänger nur den Namen des männlichen Hauptdarstellers gemein. Dieser Pietro, ein vielbeschäftigter Manager, verliert seine Frau von einem Tag auf den anderen, weil sie völlig überraschend stirbt. Sein inneres Stilles Chaos (Caos calmo) versucht er in den Griff zu bekommen, indem er seinem Leben einen neuen Rahmen gibt. Er verbringt von nun an die meiste Zeit in einem römischen Park, auf einer Bank gegenüber der Schule seiner Tochter. Doch ganz geht sein Plan, Ruhe zu finden, nicht auf. Bald setzen sich Kollegen, Freunde und Verwandte neben ihn. Um ihn zu trösten, aber auch um über eigene Sorgen und Probleme zu sprechen. Dabei gelingt es auch Pietro immer mehr, seinen Schmerz zuzulassen. – Antonello Grimaldis Tragikomödie ist trotz oder gerade aufgrund ihres traurigen Themas eine Ode an das Leben. Hauptdarsteller Nanni Moretti, einer der Großen des italienischen Kinos, hat auch am Drehbuch mitgeschrieben. Der Film wurde 2008 bei den David di Donatello Awards in drei Kategorien ausgezeichnet und war bei der Berlinale für den Goldenen Bären nominiert. (Samstag, 12. Juni, 19.30 Uhr)
Den Silbernen Bären erhalten hat Elio Germano für seine Darstellung des psychisch kranken Künstlers Antonio Ligabue in Ich wollte mich verstecken (Volevo nascondermi). Das Drama von Giorgio Diritti läuft als dritter Film der Reihe. Es erzählt vom Lebens- und Leidensweg Ligabues, der nach dem frühen Tod der Mutter von einem Schweizer Ehepaar adoptiert wird. Doch die Pflegeeltern kommen mit Antonios schwieriger Art, die sich in Verhaltensauffälligkeiten und Wutanfällen äußert, nicht zurecht. Er landet im Waisenhaus und in der Psychiatrie, und wird schließlich gegen seinen Willen nach Italien ausgewiesen, in die Gegend, aus der sein leiblicher Vater stammt. Arm und allein lebt der Sonderling jahrelang am Po-Ufer. Um seine Ängste und seine Einsamkeit wenigstens zeitweise zu mildern, beginnt er zu zeichnen. Als er den Maler und Bildhauer Renato Marino Mazzacurati kennenlernt, entdeckt dieser sein Talent und fördert es. – Antonio Ligabues Leben wurde bereits zwölf Jahre nach seinem Tod zum ersten Mal verfilmt. Der Fernsehdreiteiler mit Flavio Bucci in der Titelrolle entstand 1977, Giorgio Dirittis Biopic wurde im Februar 2020, bei der 70. Berlinale, uraufgeführt. (Sonntag, 13. Juni, 17 Uhr)
Der vierte und letzte Beitrag vereint alle Tonalitäten der Reihe. Antonello Aronadios Ohrensausen (Orecchie) ist tragisch, komisch, surreal und sehr skurril. Ein Mann ohne Namen wacht eines nicht ganz so schönen Tages mit einem lästigen Geräusch im Ohr auf. Kurz darauf entdeckt er am Kühlschrank eine Notiz, der er entnimmt, dass einer seiner Freunde gestorben ist. Dummerweise hat er dessen Namen noch nie gehört. Um den Dingen auf den Grund zu gehen, verlässt er seine Wohnung und gerät von einer seltsamen Situation in die nächste. Alle Begegnungen, die er in der italienischen Hauptstadt macht, verstärken sein Gefühl, ein Außenseiter zu sein, und lassen ihn immer mehr an sich und seiner Umwelt zweifeln. – Antonello Aronadios Film von 2016 ist ein schwarz-weißer Alltagsalbtraum, der viel über mangelnde Anteilnahme und missglückte Kommunikation erzählt. Und Daniele Parisi die Idealbesetzung des anonymen Antihelden, der auch auf die absurdeste Angelegenheit bevorzugt mit ungläubiger Minimalmimik reagiert. (Sonntag, 13. Juni, 20 Uhr)
Facetten der Einsamkeit – Sfacettature di Solitudine Filmreihe von Circolo Cento Fiori
Carl-Amery-Saal im Gasteig
Vorverkauf: Ticktes unter 089/54 81 81 81 und www.muenchenticket.de oder Abendkasse