08.07.2021

Big Best Buddies Daddy

Richard Donner
Richard Donner (1930-2021), im Jahr 2006
(Foto: Tostie14, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Richard Donner hat nicht nur dem Buddy-Cop-Genre neue Flügel verliehen, sondern auch im Superhelden- und Horror-Film neue Maßstäbe gesetzt – am 5. Juli ist Donner im Alter von 91 Jahren in Los Angeles gestorben. Ein Nachruf.

Von Axel Timo Purr

»People say, You paid your dues, but I never paid any dues. It’s always been a great trip.« – Richard Donner

Wer in den 70er und frühen 80er Jahren mit dem Neuen Deutschen Film sozia­li­siert wurde, für den waren die Filme Richard Donners entweder eine Sünde an Gott und Glauben (zumindest was den Film betraf), oder das ganze Gegenteil: eine wirkliche Befreiung.

Dass es dazu kommen konnte, dass Donner einmal diesen Stel­len­wert einnehmen würde, war dann aller­dings doch ein wenig über­ra­schend, denn wie so viele Regis­seure seiner Gene­ra­tion durchlief Donner, der 1930 als Richard Donald Schwartz­berg als Kind jüdischer Eltern in der Bronx zur Welt kam, keinerlei Film­hoch­schul­aus­bil­dung, sondern fiel als Schau­spieler irgendwie sehr schnell und fast zufällig ins Regiefach durch, drehte ein paar Seri­en­folgen ab und 1961 mit Charles Bronson und der Marlboro-Werbe-Ikone David Mclean seinen ersten abend­fül­lenden Spielfilm X-15. Erst 1968 folgte dann mit SALZ UND PFEFFER eine Agen­ten­komödie, die es wegen ihrer dras­ti­schen, fast schon abstrusen Gewalt­szenen noch heute in sich hat.

Doch so richtig ins Rollen kam Donners Karriere erst in den 1970ern, als er mit THE OMEN (1976) nicht nur einen der größten Horror­scho­cker des Jahr­zehnts ablie­ferte, sondern 1978 mit Chris­to­pher Reeve als SUPERMAN einen Meilen­stein des Super­hel­den­films schuf, der den späteren Main­stream-Erfolg der Super­hel­den­filme (der bis heute unge­bro­chen anhält) nicht nur vorweg­nahm, sondern mit bis dahin unge­se­henen Special Effects, kommer­zi­ellem Erfolg, guten Kritiken und vor allem der Mahnung, die Figur des Super­helden ernst­zu­nehmen, regel­recht zemen­tierte.

Donners jedoch wohl größter Erfolg war seine inno­va­tive Behand­lung des leicht in die Tage gekom­menen Buddy-Cop-Films, das nach Klas­si­kern wie Akira Kurosawas Stray Dog (1949), In the Heat of the Night (1974) oder 48 Hrs. (1982) nur mehr müde dahin­düm­pelte. Donner setzte ein Drehbuch des damals noch jungen Shane Black (der später für die Dreh­bücher von The Last Boy Scout und die Regie von Iron Man 3 und The Nice Guys bekannt wurde), kongenial um und schuf mit Mel Gibson und Danny Glover in den Haupt­rollen (und Joe Pesci in einer über­ra­genden Neben­rolle) ein Franchise von vier Filmen, das die Buddy Cop-Filme bis heute prägt – von Fern­seh­kost à la Tatort bis zu so inno­va­tiven wie durch­ge­knallten Buddy-Cop-Fran­chises wie Bad Boys for Life.

Das lag nicht nur daran, dass Donner in Lethal Weapon (1987-1998) die in diesem Genre üblichen unglei­chen Ermitt­ler­typen überaus kreativ aufein­an­der­hetzte (und Gibson und Glover den Weg zu Ruhm und Ehre ebnete), sondern dass er diese Nähe-Distanz bzw. Liebe-Hass-Beziehung mit homo­ero­ti­schem Augen­zwin­kern auflud, die afro-ameri­ka­ni­sche Seite von Glover auch um eine Rassis­mus­kom­po­nente erwei­terte und auch vor poli­ti­schen Botschaften nicht zurück­schreckte und nebenbei erschüt­ternde Bild- und Todes­kom­po­si­tionen fand, um seine Helden aus dem Tritt zu bringen. So wie etwa in Lethal Weapon 2 – Brenn­punkt L.A. der Mord an der Südafri­ka­nerin Rika van den Haas (Patsy Kensit), der in seiner stillen Wucht nicht nur Detective Martin Riggs (Mel Gibson) nach­haltig trau­ma­ti­sieren sollte.

Doch das viel­leicht inno­va­tivste Element dieser Reihe war sein im Eingang schon erwähnter (unfrei­wil­liger) Bezug zum Neuen Deutschen Film. Denn anders als etwa in Wim Wenders' Im Lauf der Zeit, in dem die „Buddies“ Rüdiger Vogler und Hans Zischler bis zum Ende am Leben und ihrem Erwach­sen­sein leiden, gehen Donners Helden in Lethal Weapon den umge­kehrten Weg. Sie lassen das Erwach­sen­sein einfach hinter sich und entscheiden sich für eine zweite Kindheit. Damit lagen Donners Helden am ameri­ka­ni­schen Puls der Zeit (man denke etwa an Spiel­bergs Indiana Jones), doch konfron­tierte Donner sein Personal weiterhin mit soviel krimi­neller und poli­ti­scher Realität, dass das Zerren um Identität das eigent­liche Herzstück dieses Franchise wurde, ein Zerren, das gerade durch seine Sehnsucht nach Spaß, Leben (und Zers­törung) nicht weiter entfernt vom inzwi­schen in die Jahre gekom­menen jungen deutschen Film sein konnte.

Mit einem Buddy-Cop-Film beschloss Donner 2006 dann auch seine Regie-Karriere. In 16 Blocks ringen Bruce Willis und Mos Def mit ihrer Beziehung und ihrem Leben als Poli­zisten, so wie eh und je in Donners zentralem Werk, aber Donners letzter Film kam weder bei Kritikern noch dem Publikum so gut an wie seine Klassiker. Doch Donner dürfte es egal gewesen sein. Denn bis dahin hatte er mit MAVERICK und den GOONIES nicht nur weitere Regie­er­folge, sondern auch als Produzent mit den X-Men (2000), dem Oliver Stone-Sportfilm Any Given Sunday (1999) und FREE WILLY (1993) Erfolge verbucht.

Nach FREE WILLY, das sei allen artechock-Lesern verraten, ist übrigens bis heute ein zentraler Bereich des artechock-Webser­vers benannt, auf dem die neuen Text- und Kino­pro­gramm­seiten jede Mitt­woch­nacht auf den Live-Server geschoben werden. So uner­müd­lich und stetig wie Richard Donner, der die letzten Jahre zwar keine Filme mehr machte, aber noch im Jahr 2018 mit seinem Assis­tenten Geoff Johns eine Geschichte für den 1000. Action Comics Band schrieb.

Es war eine Geschichte über Superman, den Superman, mit dem seine Karriere im Block­buster-Kino ja ange­fangen hatte. Und dass es eine Rückkehr zur Vorlage, zum Ursprung (fast) aller Super­hel­den­filme war, zum Comicheft, ist dann fast schon wieder so roman­tisch und schön wie Donners so liebens­werten wie politisch und moralisch frag­wür­digen Buddy-Cops, die bis zum Ende versuchen, ihre verlorene Kindheit zu retten. Und dafür bereit sind so ziemlich alles zu tun.