In memoriam Hans Schifferle |
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Hans Schifferle (1957-2021) | ||
(Foto: Robin Thomas / SigiGötz-Entertainment) |
Von Ulrich Mannes
In The Lusty Man (1952) von Nicholas Ray gibt es eine Schlüsselszene: Robert Mitchum kehrt als abgehalfterter Rodeo-Reiter in sein Elternhaus zurück und holt unter der Veranda eine Schachtel hervor, die er dort einst versteckt hat. Als er die Schachtel öffnet, kommen die Lieblingsgegenstände aus seiner Kindheit zum Vorschein, darunter auch Zeitschriften und Comics. Auf diese Episode hat sich Hans Schifferle mehrmals bezogen, wenn es ihm darum ging, in Gedanken durchzuspielen, welche Exemplare seiner reichen Magazinsammlung er in einen solchen »Karton der Erinnerung« stecken würde. »Das müssten Magazine sein, die auch eine Art Fetisch-Charakter besitzen. Magazine, die man nicht nur mit Freude liest, sondern auch gerne anschaut und anfasst. Zeitschriften also, die einen inspirieren und in Aufruhr versetzen.« So in einem Artikel über Glamour-Magazine, die es ihm auf besondere Weise angetan hatten.
Welche Filme hätte der im März verstorbene Essayist und Kritiker (Süddeutsche Zeitung, epd-Film, Steadycam, SigiGötz-Entertainment), der keine Genre-Präferenz hatte (»er konnte von jedem Film aus jedem Genre mit gleicher Begeisterung erzählen«), der immer das »Verkannte im vermeintlich Bekannten« (FR) suchte, niemals Filme gegeneinander ausspielte und das mit einer profunden Kenntnis der Filmgeschichte in all ihren Verästelungen, in eine solche Schachtel gesteckt?
Seine Kinogefährten Bernd, Dolly und Waco vom Werkstattkino (das natürlich ein wichtiger Ort seiner Grundlagenforschung war) zeigen ab heute in memoriam vierzehn Filme, die Hans Schifferle gefallen haben, eine Auswahl, die nichts Repräsentatives haben kann, aber doch gewisse Facetten seiner Kinoleidenschaft herausstreicht – und ganz bestimmt handelt es sich um vierzehn Filme, »die einen inspirieren und in Aufruhr versetzen«.
Ein Höhepunkt dieses zweiwöchigen Trips durch cineastische Raritäten, durch Western, Experimental-, Horror-, Sex-, Heimat- und Bikerfilme, durch Kurzfilme und TV-Serien ist wohl die Aufzeichnung von Hans' einzigem öffentlichen Vortrag, den er 2008 im Österreichischen Filmmuseum hielt. Im Rahmen der Reihe »Kino wider die Tabus« gab er unter dem Titel »Blue Climax. Strip-Filme, Stag Movies und Super-8-Pornos« eine Einführung in die Geschichte der Schmalfilmpornografie und deren »Rezeption auf privaten Partys und in Vorführautomaten«, mit ausgewählten Filmen von Harrison Marks (Vorbild für Karlheinz Böhms Rolle in Michael Powells Peeping Tom), die Filme der dänischen Color Climax Corporation oder die dekadent-verwegenen Hippie-Pornos des Diplomatensohns Lasse Braun.
Ergänzend zu dieser Vorankündigung hier noch ein Zitat aus dem Handzettel des Werkstattkinos, in dem die Kinogefährten sehr persönlich über Hans sprechen:
»Wir trafen Hans Schifferle in den frühen Achtzigern. Wir trafen ihn getrennt, jeder für sich, aber wir hatten eins gemeinsam: Wir gingen ins Kino. Nicht ganz so konsequent wie der Hans ins Kino ging, aber doch ausführlich genug, um zu verstehen, wie viel Leidenschaft dahinterstecken muss, wenn man sich wirklich jeden Film im Filmmuseum anschaut und dann noch die Nachtvorstellungen im Werkstattkino. Der Waco hat ihn also deswegen angesprochen, aber natürlich auch, weil der
Hans unter den jungen Cinéasten damals der Schönste war. Er hatte die Motorradmontur an, er hatte eine schwarze Tolle, da kann man schon mal fragen, wie da das Kino dazupasst. Der Bernd sprach ihn an, weil der Hans sichtlich keine Genrepräferenz hatte – von jedem Film aus jedem Genre mit gleicher Begeisterung erzählen, das war neu, gerade im Filmmuseum. Und die Dolly führte eh im Werkstattkino vor und war nach den Filmen zum Plaudern bereit. So wurden wir Freunde. Wir teilten
die ein oder andere Theke, ein paar Billardtische, die vorderen Sitze in den Kinos. Wir teilten die Nächte zwischen bewegten Bildern und Gespräch und auf diese Art die folgenden Jahre, bis zum Tod vom Hans im März 2021.
Zur Erinnerung zeigen wir 14 Filme, die ihm gefallen haben.« (Dolly, Bernd & Waco)
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Dolly, Bernd & Waco zeigen:
IN MEMORIAM HANS SCHIFFERLE (1957-2021)
19.08. bis 01.09.2021
Werkstattkino
Fraunhoferstr. 9
80469 München