Ein komischer Heiliger |
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Vor zwei Jahren auf der Bühne vereint: Bernd Brehmer, Sarah Riesz, Klaus Lemke (v.l.) bei der Premiere von Ein Callgirl für Geister im Theatiner Kino München | ||
(Foto: privat) |
Von Bernd Brehmer
Jetzt famous last words, vor drei Wochen noch voller Tatendrang formuliert: »Digga, in diesen verflixten Zeiten brauchen wir keine Kunst, sondern Schönheit!« Denn: »Die Schönheit, die hält uns am Leben!« Dass Kunst vom Küssen kommt, haben wir von ihm gelernt (Ein Callgirl für Geister, 2020). Und dass Mädchen die einzige Beute sind, die ihrem Jäger auflauert (Unterwäschelügen, 2016). Und »Champagner für die Augen« – (aber) »Gift für den Rest« (2022) sind. Dass, wenn ein Mädchen dich wirklich will, du keine Chance hast (Ein komischer Heiliger, 1979). Learning from Lemke: Der kleine Katechismus für das große Leben. Und für die Liebe, so schön wie die Liebe (1972). Ein Leben, das Zelluloid wurde, außer Atem zwischen Godard und Hawks, München, Hamburg, Acapulco, immer die schönsten und aufregendsten Frauen an seiner Seite, die natürlich alle stets bewaffnet sind. Es gab also einmal eine Zeit, in der man in den »Alten Simpl« im Münchner Univiertel gehen konnte, und am Nebentisch Lemke, seine cinéphilen Freunde (Rudolf Thome, Max Zihlmann, Peter Berling, Veith von Fürstenberg) und Brigitte Bardot (!) sitzen sehen konnte, die für eine kurze Weile die Nähe zu den jungen Wilden aus Schwabing gesucht hat und ihm seinen zweiten Langfilm finanzieren wollte, stattdessen die benötigte Summe aber in Monte Carlo verspielte. Aber sollte diese Episode doch nicht so ganz stimmen, gilt im Zweifelsfall sowieso: Print the legend! Lemke konnte mit 48 Stunden bis Acapulco (1967) einen veritablen Erfolg verbuchen, der ihm Tür und Tor zu einer größeren Produktion öffnen sollte, was zwar in einem mittleren Desaster, aber auch einem extravagant delirierendem Meisterwerk und film maudit (Negresco**** – Eine tödliche Affäre, 1967) mündete, was ihm wiederum den Weg in die permanente Unabhängigkeit ebnete. Und fortan die Welt mit der eingangs erwähnten Schönheit bereicherte. Die vielen Leben des Klaus Lemke, wo es immer mehr auf die Fresse gab als Küsse im Dunkeln, und der sich eins ums andere Mal immer wieder neu erfinden musste. Das gelang ihm mit dem gelassenen Stoizismus eines der vom Pferd und vom Leben gefallenen »Helden« aus den Filmen seines verehrten Howard Hawks, dessen Hatari! (1962) wahrscheinlich kaum jemand öfters gesehen hat als er, damals im Türkendolch-Kino, wo er sich auf der Toilette versteckte, um den Film anschließend gleich nochmals sehen zu können (ohne ein weiteres Mal zu bezahlen). Und um danach im legendären »Kleinen Bungalow«, wo es das billigste Bier der Stadt gab und eine Jukebox, in der immer Elvis und die Stones laufen mussten, die Posen der Nouvelle Vague und des amerikanischen Kinos zu imitieren, um sie dann auf das Leben in den verruchten Straßen Schwabings anzuwenden.
Neben seiner unermüdlichen Produktivität sollte aber auch nicht vergessen werden, dass er ein begnadeter Sozial- und Kunstkritiker seiner Zeit war, der schon in seinem zweiten Kurzfilm (Henker Tom, 1966) wie nebenbei, aber dafür umso weitsichtiger durch Werner Enke verlauten ließ: »In München gibt es doch gar keine Oper!«
Hau rein, Digga!
KIZZ. B.
Bernd Brehmer, Werkstattkino-Kollektiv und Theatiner-Mitarbeiter, verbindet mit Klaus Lemke eine langjährige Kumpanei. Er hat eine Werkschau für Bildrausch Basel initiiert, ging mit ihm in »seine« Tiefgarage in der Amalienstraße, um dort eines seiner legendären Autoren-Videos zu drehen. 2020 spielte er in Klaus Lemkes Ein Callgirl für Geister einen Kinobetreiber, Vor- und Verführer.