Zwei Seiten einer Medaille |
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Wie eine Katze auf der Autobahn – Die Rückkehrr | ||
(Foto: Cinema! Italia!) |
Von Elke Eckert
. Im Jubiläumsjahr wird in 40 Kinos und 36 Städten neben fünf aktuellen Produktionen auch ein Filmklassiker gezeigt. In München machen die italienischen Filmtage vom 15. bis 28. September Station, wie immer im Theatiner Filmtheater. Im Mittelpunkt der Dramen und Komödien stehen diesmal gegensätzliche Protagonistinnen und Protagonisten, die Spannungsfelder in der italienischen Gesellschaft symbolisieren. Das können Freundinnen sein, Brüder- und Ehepaare, aber auch Zufallsbekanntschaften und Schicksalsgenossen.
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Die 15-jährige Benedetta fühlt sich weder wohl in ihrer Haut noch in ihrem Leben. Weil sie nicht so schlank ist wie viele ihre Mitschülerinnen, wird sie gemobbt. Auch zuhause kommt sie sich gegenüber ihren jüngeren Geschwistern manchmal wie eine Außenseiterin vor. Als eines Tages direkt neben der Wohnung der Familie Schausteller ihre Zelte aufschlagen, öffnet sich für Benedetta ein Fenster zu einer anderen Welt. Sie lernt Amanda kennen, eine junge Frau, die ganz anders ist als sie. Aber genau das zieht Benedetta magisch an… Chiara Bellosi erzählt in ihrem zweiten Spielfilm Karussell (Calcinculo) von einer ungleichen Freundschaft und beantwortet ganz nebenbei existenzielle Fragen wie „Wer bin ich und wer will ich sein?“ Die tiefgründige Coming-of-Age-Geschichte wurde bei der diesjährigen Berlinale uraufgeführt. (Donnerstag, 15. September, 18 Uhr und Donnerstag, 22. September, 16 Uhr)
Grundverschieden sind auch Monica, eine schrille Vorstädterin, und Giovanni, ein intellektueller Hauptstädter. Schon vor vier Jahren flogen die Fetzen, als sich die beiden zum ersten Mal auf der Kinoleinwand begegnet sind. In Wie eine Katze auf der Autobahn – Die Rückkehr (Come un gatto in tangenziale – Ritorno a Coccia di Morto) geraten die zwei wieder aneinander, als Monica unfreiwillig mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Ihre Schwestern haben Diebesgut bei ihr versteckt und sie muss deshalb ins Gefängnis. Giovanni ist genervt, aber es gelingt ihm, ihre Haftstrafe in gemeinnützige Arbeit umzuwandeln. Leider geht Monica ihrem sozialen Engagement an einem eher ungünstigen Ort nach. Nämlich unweit des Kulturzentrums, das Giovanni demnächst eröffnen will… Die Fortsetzung der Erfolgskomödie von Riccardo Milani ist ebenso witzig und entlarvend wie der Vorgänger, aber weniger klischeehaft. (Samstag, 17. September, 18 Uhr / Montag, 26. September, 18 Uhr und Mittwoch, 28. September, 15.45 Uhr)
Die Gegenspieler in Verriegelte Luft (Ariaferma) sind ein inhaftierter Mafioso und der leitende Wärter des Gefängnisses. Der alte, marode Kasten mitten in den Bergen soll geschlossen werden. Nur noch wenige Häftlinge warten auf ihre Verlegung in einen anderen Knast. Eine seltsame Spannung liegt in der Luft, die üblichen Regeln scheinen nicht mehr zu gelten. In dieser Gemengelage entbrennt plötzlich ein Machtkampf zwischen dem altgedienten Wärter und dem Dauerinsassen Carmine um die Kontrolle über das Gefängnis. – Das Psychodrama ist erst der dritte Spielfilm von Leonardo Di Costanzo. Bis vor zehn Jahren drehte der 64-Jährige ausschließlich Dokumentarfilme. Bereits sein Debütwerk wurde mit dem „David di Donatello“ ausgezeichnet, sein neuester Film erhielt den begehrten italienischen Filmpreis ebenfalls in zwei Kategorien: Silvio Orlando wurde für seine Rolle des Mafioso als bester Schauspieler geehrt, die zweite Auszeichnung gab es für das beste Originaldrehbuch, an dem Regisseur Di Costanzo mitgeschrieben hat. (Freitag, 16. September, 18 Uhr und Samstag, 24. September, 15.30 Uhr)
Die Protagonisten des nächsten Filmes sind wie zwei Seiten einer Medaille. Sie sind Brüder und gehören einer alten Fischerfamilie an, die auf einer der Inseln lebt, aus denen Venedig besteht. Der eine, Pietro, möchte weiterhin der Fischerei nachgehen und die für die Lagune typischen Krebse fangen, und zwar von seinem Elternhaus aus. Genau das aber will Alvise, der andere, nutzen, um ins Immobiliengeschäft einzusteigen. Beide sind davon überzeugt, dass sie im Sinne der ganzen Familie handeln. Doch die leidet zunehmend unter dem Kleinkrieg der Brüder… Regisseur Andrea Segre setzt sich in Welcome Venice nicht zum ersten Mal filmisch mit Venedig auseinander. Sowohl in seinem Drama Venezianische Freundschaft (2011) als auch in seinem erfolgreichen Dokumentarfilm Moleküle der Erinnerung – Venedig, wie es niemand kennt (2021) spielte seine Heimatstadt eine Hauptrolle. Berührend und authentisch zeigt er ein Venedig am Wendepunkt, das, wie Segre selbst sagt, »Gefahr läuft, von seiner eigenen Schönheit und seinem Ruhm verschlungen zu werden«. (Sonntag, 18. September, 15.30 Uhr / Dienstag, 20. September, 18 Uhr und Sonntag, 25. September, 18 Uhr)
Auch das Brüderpaar in Der Legionär (Il Legionario) steht auf entgegengesetzten Seiten. Das war nicht immer so. Beide sind als Söhne afrikanischer Eltern in Rom geboren und aufgewachsen. In einem besetzten Gebäude, das nun geräumt werden soll. Zur Polizeieinheit, die das erledigen muss, gehört Daniel, einer der Brüder. Seine Kollegen wissen nicht, dass seine Familie nach wie vor in dem Haus lebt und sein Bruder Patrick der Anführer der Hausbesetzer ist. Im Lauf der Auseinandersetzung gerät Daniel immer mehr zwischen die Fronten. – Das Erzählen dieser Geschichte war für Hleb Papou, der selbst belarussischer Einwanderer ist, eine Herzensangelegenheit. Bereits 2017 drehte er den Kurzfilm „Il Legionario“, aus dem fünf Jahre später der gleichnamige Spielfilm entstand. Beim Filmfestival von Locarno gewann er dafür den Preis als bester Nachwuchsregisseur. (Mittwoch, 21. September, 18 Uhr und Freitag, 23. September, 16 Uhr)
Der Filmklassiker Die rote Wüste von 1964 ist eine Hommage an die Regie-Legende Michelangelo Antonioni – und an Hauptdarstellerin Monica Vitti, die im Februar dieses Jahres verstorben ist.
Vitti spielt die Frau eines Ingenieurs und Fabrikbesitzers in Ravenna, der die Kälte ihrer Umgebung zu schaffen macht. Während ihr Mann von den neuen Technologien fasziniert ist,
entfremdet sich Giuliana immer mehr von ihrer Familie. Ein Autounfall verschärft die Situation. Der Einzige, der Giuliana zu verstehen scheint, ist Corrado, ein Freund ihres Mannes. Doch die Affäre mit ihm lindert die Einsamkeit der jungen Frau nur vorübergehend… Die eindringliche, psychologische Studie war Antonionis erster Farbfilm. Der Regisseur setzte die neuen visuellen Effekte bewusst als dramaturgisches Mittel ein. Er habe versucht, »die ausdrucksvolle Funktion der
Farbe zu nutzen, die Farbe sollte dazu beitragen, den Ton zu setzen, den jede Szene benötigt«, so Antonioni. Der Film wurde 1964 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. (Montag, 19. September, 18 Uhr)
Monica Vitti spielte in dem prämierten Drama bereits zum vierten Mal unter der Regie von Antonioni. Das Theatiner Filmtheater zeigt mit Liebe 1962 (L’eclisse) noch ein weiteres Meisterwerk der beiden, allerdings außer der Reihe. In dem in Cannes mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichneten Film war Alain Delon der Mann an Vittis Seite. (Dienstag, 27. September, 18 Uhr)
Alle Filme werden im italienischen Original mit deutschen Untertiteln gezeigt.