Kleine Fluchten, kühle Herzen |
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Gewonnen: Max Gleschinski mit Alaska | ||
(Foto: Max Ophüls Preis) |
Im Herzen Eiszeit, Vergletscherung der Gefühle und das langsame Auftauen, verhärteter, verharschter Charaktere – es waren solche der Jahreszeit und den politischen Verhältnissen gemäße Metaphern, die einem immer wieder mal in den Sinn kamen während der vergangenen Woche beim »Filmfestival Max-Ophüls-Preis«. Und tatsächlich war der Hauptgewinner-Film, Alaska von Max Gleschinski, nicht der einzige Film, der die Kältemetapher bereits im Titel trug.
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In diesem poetischen, still-melancholischen Film geht es um einsame Menschen, den Rückzug in die Natur und geheimnisvolle Fluchten.
In der Mecklenburgischen Seenplatte, wo dieser Film spielt, und in den Gemütern der Menschen ist die DDR noch nicht ganz verschwunden. Privates, Persönliches steht im Vordergrund, man ist routiniert reserviert, gelegentliche Badegäste wecken mehr Misstrauen als Verheißung, Tourismus und Tristesse gehen Hand in Hand. Ziellos gleiten die
Menschen an den vielen Flüssen und Seen entlang in diesem Film.
Regisseur Max Gleschinski, geboren 1993 in Rostock, mag hier auch persönliche Lebensgefühle einfließen lassen. Das wissen wir nicht. Was wir wissen: Gleschinski ist gerade so etwas wie der Shooting-Star im deutschen Nachwuchskino. Alaska ist sein zweiter Film, für den ersten hatte er bereits einen Preis bei den Hofer Filmtagen gewonnen.
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Mit der 44. Ausgabe ging das »Filmfestival Max-Ophüls-Preis« am Samstagabend mit der Preisverleihung zu Ende. Es gab eine ganze Menge Preise für die Filme in den verschiedenen Kategorien und Wettbewerben bei diesem wichtigsten deutschsprachigen Nachwuchsfestival. Sie wurden bunt verteilt, und gingen vor allem nach Deutschland und nach Österreich. Damit verbunden gab es auch eine ganze Menge Geld – insgesamt fast 120.000 EUR Preisgeld wurden von den verschiedenen Jurys ausgeschüttet. Dafür kann man schon fast einen Film machen.
Lukas Nathrath bekam für die emotionale Achterbahnfahrt Letzter Abend den Regiepreis. Der Film hatte mehr die Tendenz, das Publikum vor Ort zu spalten, Begeisterung bei den einen, Desinteresse bei den anderen hervorzurufen.
Tatsächlich nur Neugier und Begeisterung weckte Breaking the Ice von der Österreicherin Clara Stern, die den Preis für das »Beste Drehbuch« ebenso gewann wie zwei weitere Auszeichnungen. Ihr herausragender, reifer Film dreht sich um eine junge Frau, die in einem Eishockey-Team und auch sonst Leadership-Qualitäten zu entfalten scheint, tatsächlich aber ihre Rolle in einer unsicheren Welt noch nicht gefunden hat – ein so elegantes wie mitreißendes Drama.
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Es war eine intensive Woche in Saarbrücken, mit Filmen, die durchaus optimistisch stimmen können, was die Lage des deutschen, vor allem des deutschsprachigen Nachwuchsfilms angeht.
Diese Feststellung gilt fast noch mehr für den richtigen Nachwuchs, also diejenigen, die noch keine Langfilme präsentierten, sondern mittellange und kurze Filme. Und für die Dokumentarfilme.
Aber auch die Spielfilme waren stärker als in den letzten beiden von der Pandemie geschädigten Saarbrücken-Jahrgängen.
Das mag auch mit an der neuen Programmleitung liegen: Die Deutsche Carolin Weidner und die Österreicherin Theresa Winkler setzten erste neue Akzente in Richtung des etwas weniger Gefälligen, das in Saarbrücken sonst sehr dominiert hat. Der frische Wind tut dem Festival Max-Ophüls-Preis gut.
Die Jurys der Langfilmwettbewerbe zeichneten unter allen Kandidaten dann wieder eher die braven, konsensfähigen, bildungsbürgerlichen und insofern auch ein bisschen erwartbaren Filme aus. Die extremen, herausfordernden, die, die einen noch tagelang beschäftigten, ließen sie dafür links liegen.
Dabei war es bedauerlich, dass die schräge Phantastik von Daniel Limmers Enter Mycel ebenso leer ausging wie Birgit Möllers Franky Five Star, der dem arg strapazierten Modethema »Identität« sehr originelle – Was bedeutet es, man selbst zu sein? Darf man auch Viele sein? – und gelegentlich absurd komische Seiten abgewinnt, und dafür immerhin den Preis der Ökumenischen Jury bekam.
In der Begründung heißt es: »Der Film verleiht dem komplexen und aktuellen Thema der psychischen Belastungen eine Leichtigkeit. Diese macht es uns möglich, Frankys Kopfkino zu besuchen und sich dort wohlzufühlen. Ein außergewöhnlicher, lebenssatter Film, der eine Brücke baut zwischen den Welten.«
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Die insgesamt interessantesten Filme kamen wieder einmal aus Österreich, vor allem von der Filmakademie Wien.
Dass eine gute oder wenigstens besondere Geschichte noch keinen guten Film ausmacht, ist zwar eigentlich eine Binsenweisheit. Man muss sie trotzdem dem deutschen Nachwuchs immer wieder mal erzählen, denn tendenziell machen auch die Jungen hierzulande das, was die Älteren meist sowieso machen: Nämlich inhaltistische Filme, die die Bedeutung eines Stoffes mit seiner Qualität verwechseln. Oder die so viel zu sagen haben, dass ihnen das Herz und der Film schier überquillt, die aber
keine Form finden, in der sie das Ideengesprudel in irgendeiner Weise in eine Ordnung bringen, die auch für Zuschauer nachvollziehbar ist.
Man merkt diesen Filmen an, dass an den Film-Hochschulen zu viel über Drehbücher geredet wird und zu wenig über das, was die Kamera aufnimmt, zu viel über Worte und zu wenig über Bilder.
Es bleibt also weiterhin einiges zu tun und zu verändern im deutschen Film, aber die diesjährige Ausgabe des Filmfestivals Max-Ophüls-Preis machte Hoffnung.