30.03.2023

Kurze Filme gegen ausgedehnte Langeweile

flimmern&rauschen

Das Programm des 41. flimmern&rauschen 2023 in München zeigt Filme von Jugendlichen für Jugendliche

Von Anna Edelmann

Blättert man durch das aktuelle Kino­pro­gramm, wird der Begriff »abend­fül­lender Spielfilm« so bedroh­lich wie selten zu vor: Quantität scheint mehr zu zählen als Qualität. Filme brüsten sich immer öfter mit Lauf­zeiten von über zwei Stunden, viele nähern sich gar der Drei-Stunden-Marke an. Was für hart­ge­sot­tene Cineasten an sich kein Problem wäre. Doch bleibt nach diesen Film­ma­ra­thons oft nur die ernüch­ternde Erkenntnis, dass in dem eben gesich­teten Mammut­werk ein feiner 90-Minüter gesteckt hätte, wenn die Film­schaf­fenden sich denn nur auf der Wesent­liche konzen­triert und ein Ziel vor Augen gehabt hätten.
Nun muss man sich entscheiden, ob man seine Zeit dem neuesten Hollywood-Spektakel schenken will. Oder ob man viel­leicht doch etwas wage­mu­tiger an die Frei­zeit­ge­stal­tung herangeht. Für solch neugie­rige Menschen bietet sich diese Woche im Gasteig (HP8) eine Alter­na­tive zu dem Film­an­gebot in den Licht­spiel­häu­sern.

Bereits zum 41. Mal stellt das »flimmern&rauschen«- Jugend­film­fes­tival die filmi­schen Arbeiten von Nach­wuchs­künst­lern vor. Dieses Jahr darf das Publikum sich auf über 70 Kurzfilme freuen, die meisten davon unter 10 Minuten lang. Von dieser kurzen Laufzeit sollte man sich aber nicht täuschen lassen. Bereits nach den ersten Filmen wird einem der Unter­schied zu den Filmen der »Großen« klar: Die aufstre­benden Film­schaf­fenden, also Kinder, Jugend­liche und junge Erwach­senen sind voll­kommen unvor­ein­ge­nommen, können ohne Erwar­tungen von Inves­toren oder Speku­la­tion auf ein Ziel­pu­blikum mit entde­cke­ri­scher Freude ans Spielen und Insze­nieren heran­gehen.
Sie konzen­trieren sich auf das, was sie mitteilen wollen und testen aus, wie man die eigene Perspek­tive auf die Welt einem fremden Publikum vermit­teln kann.

Sie feiern die Freiheit, sich auf über­ra­schende und unge­wöhn­liche Art und Weise an zutiefst mensch­liche Themen annähern zu können. Das beste Beispiel hierfür sind die Filme des Film­kol­lek­tivs »Dreh­me­trie«. Gleich in mehreren Programm­blö­cken finden sich Filme und sogar ein Musik­video der aufstre­benden Filme­ma­cher*innen aus München. Und jedes Projekt trägt in sich einen ganz eigenen, feinen und verspulten Humor, der aber nie Gefahr läuft, albern oder flach zu werden. So erzählt Physalis-Menschli berührend von der Einsam­keit des Indi­vi­duums in einer hoch-indus­tria­li­sierten Welt, die – fast schon Michel-Gondry-gleich – aus Papp­kar­tons und Bubble Foil zusammen geschrei­nert wurde. Und in der Mehrweg Affäre dient die Suche nach der Liebe als Vorlage für eine Detek­tiv­ge­schichte, deren »Tatort« sich vor der Pfan­drück­gabe im Super­markt befindet. Leicht hätte man sich an altbe­kannten Vorlagen bedienen können. Aber das Drehbuch ist so charmant und amüsant verfasst, dass es sich sogar lohnt, für den Abspann im Kino zu bleiben.

Es ist spannend, welchen neuen Blick man auf die Welt gewinnt, wenn man nicht das Erwartete vorge­setzt bekommt.
In den Multi­plexen dominiert die Super­helden die Säle. Das flimmern&rauschen gibt auch diesem Genre seinen eigenen Twist: Das Sonder­thema 2023/24 »Held*innen« widmet das Festival nicht den fiktiven, schier über­mensch­li­chen Super­heros wie Spider-Man oder Captain America.
Vielmehr geht es um die »versteckten« Held*innen, die uns im Alltag begegnen und die wir meist gar nicht als solche erkennen, obwohl sie keine Maske tragen. Es sind diese Mitmen­schen, real oder erfunden, durch die unsere Welt von innen heraus so viel lebens­werter wird.
Eine Idee, wie so eine leise Form der Zivil­cou­rage aussehen kann, findet man in dies­jäh­rigen Festi­val­filmen wie Das sind doch nur Hasen!. Diese Doku­men­ta­tion stellt eine bemer­kens­werte Mitar­bei­terin eines Tierheims vor, die sich um herzlos ausge­setzte Kaninchen kümmert. Eine Heldin, für die voll­kommen klar ist, dass alle Lebewesen ein Recht auf Achtung und Akzeptanz haben und unserer Mensch­lich­keit bedürfen.

Das »flimmern&rauschen«-Jugend­film­fes­tival beweist wieder, dass es nicht an der Lauflänge eines Films liegt, wie viel von seiner Botschaft und seinem Herz nach dem Abspann im Publikum weiter­lebt. Am Ende steckt doch ein Funken Wahrheit in der alten Phrase: In der Kürze liegt die Würze.

flimmern&rauschen – das Jugend­film­fes­tival · 31.03.–01.04.2023 Projektor · Gasteig HP8
Eintritt frei · Um eine Spende von 5€ wird gebeten
Ein Großteil der Filme sind vom 25. März – 17. April online verfügbar; das Streamen der Filme ist kostenlos.
Weitere Infor­ma­tionen zu Film­pro­gramm und Rahmen­ver­an­stal­tungen auf der Webseite des Festivals.