Kurze Filme gegen ausgedehnte Langeweile |
Von Anna Edelmann
Blättert man durch das aktuelle Kinoprogramm, wird der Begriff »abendfüllender Spielfilm« so bedrohlich wie selten zu vor: Quantität scheint mehr zu zählen als Qualität. Filme brüsten sich immer öfter mit Laufzeiten von über zwei Stunden, viele nähern sich gar der Drei-Stunden-Marke an. Was für hartgesottene Cineasten an sich kein Problem wäre. Doch bleibt nach diesen Filmmarathons oft nur die ernüchternde Erkenntnis, dass in dem eben gesichteten Mammutwerk ein feiner
90-Minüter gesteckt hätte, wenn die Filmschaffenden sich denn nur auf der Wesentliche konzentriert und ein Ziel vor Augen gehabt hätten.
Nun muss man sich entscheiden, ob man seine Zeit dem neuesten Hollywood-Spektakel schenken will. Oder ob man vielleicht doch etwas wagemutiger an die Freizeitgestaltung herangeht. Für solch neugierige Menschen bietet sich diese Woche im Gasteig (HP8) eine Alternative zu dem Filmangebot in den Lichtspielhäusern.
Bereits zum 41. Mal stellt das »flimmern&rauschen«- Jugendfilmfestival die filmischen Arbeiten von Nachwuchskünstlern vor. Dieses Jahr darf das Publikum sich auf über 70 Kurzfilme freuen, die meisten davon unter 10 Minuten lang. Von dieser kurzen Laufzeit sollte man sich aber nicht täuschen lassen. Bereits nach den ersten Filmen wird einem der Unterschied zu den Filmen der »Großen« klar: Die aufstrebenden Filmschaffenden, also Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen sind
vollkommen unvoreingenommen, können ohne Erwartungen von Investoren oder Spekulation auf ein Zielpublikum mit entdeckerischer Freude ans Spielen und Inszenieren herangehen.
Sie konzentrieren sich auf das, was sie mitteilen wollen und testen aus, wie man die eigene Perspektive auf die Welt einem fremden Publikum vermitteln kann.
Sie feiern die Freiheit, sich auf überraschende und ungewöhnliche Art und Weise an zutiefst menschliche Themen annähern zu können. Das beste Beispiel hierfür sind die Filme des Filmkollektivs »Drehmetrie«. Gleich in mehreren Programmblöcken finden sich Filme und sogar ein Musikvideo der aufstrebenden Filmemacher*innen aus München. Und jedes Projekt trägt in sich einen ganz eigenen, feinen und verspulten Humor, der aber nie Gefahr läuft, albern oder flach zu werden. So erzählt Physalis-Menschli berührend von der Einsamkeit des Individuums in einer hoch-industrialisierten Welt, die – fast schon Michel-Gondry-gleich – aus Pappkartons und Bubble Foil zusammen geschreinert wurde. Und in der Mehrweg Affäre dient die Suche nach der Liebe als Vorlage für eine Detektivgeschichte, deren »Tatort« sich vor der Pfandrückgabe im Supermarkt befindet. Leicht hätte man sich an altbekannten Vorlagen bedienen können. Aber das Drehbuch ist so charmant und amüsant verfasst, dass es sich sogar lohnt, für den Abspann im Kino zu bleiben.
Es ist spannend, welchen neuen Blick man auf die Welt gewinnt, wenn man nicht das Erwartete vorgesetzt bekommt.
In den Multiplexen dominiert die Superhelden die Säle. Das flimmern&rauschen gibt auch diesem Genre seinen eigenen Twist: Das Sonderthema 2023/24 »Held*innen« widmet das Festival nicht den fiktiven, schier übermenschlichen Superheros wie Spider-Man oder Captain America.
Vielmehr geht es um die »versteckten« Held*innen, die uns im Alltag begegnen und die wir meist
gar nicht als solche erkennen, obwohl sie keine Maske tragen. Es sind diese Mitmenschen, real oder erfunden, durch die unsere Welt von innen heraus so viel lebenswerter wird.
Eine Idee, wie so eine leise Form der Zivilcourage aussehen kann, findet man in diesjährigen Festivalfilmen wie Das sind doch nur Hasen!. Diese Dokumentation stellt eine bemerkenswerte Mitarbeiterin eines Tierheims vor, die sich um herzlos ausgesetzte Kaninchen kümmert. Eine
Heldin, für die vollkommen klar ist, dass alle Lebewesen ein Recht auf Achtung und Akzeptanz haben und unserer Menschlichkeit bedürfen.
Das »flimmern&rauschen«-Jugendfilmfestival beweist wieder, dass es nicht an der Lauflänge eines Films liegt, wie viel von seiner Botschaft und seinem Herz nach dem Abspann im Publikum weiterlebt. Am Ende steckt doch ein Funken Wahrheit in der alten Phrase: In der Kürze liegt die Würze.
flimmern&rauschen – das Jugendfilmfestival · 31.03.–01.04.2023 Projektor · Gasteig HP8
Eintritt frei · Um eine Spende von 5€ wird gebeten
Ein Großteil der Filme sind vom 25. März – 17. April online verfügbar; das Streamen der Filme ist kostenlos.
Weitere Informationen zu Filmprogramm und
Rahmenveranstaltungen auf der Webseite des Festivals.