No Music |
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Angela Schanelecs preisgekrönter Music: Film ohne Verleihförderung | ||
(Foto: Grandfilm) |
Von Dunja Bialas
Cancelt die bundesdeutsche BKM (die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Claudia Roth vorsitzt) einen Film, den sie im Entstehungsprozess selbst gefördert hatte? Schon wieder trifft es einen Film von Angela Schanelec. Die deutsche Regisseurin, Berliner Schule, ist nun nicht gerade Mainstream, das ist bekannt. Aber sie ist eine der international renommiertesten deutschen Filmschaffenden. Mit ihrem neuesten Werk Music erhielt sie bereits zum zweiten Mal, nach Ich war zuhause, aber... (2019), den Silbernen Bären der Berlinale-Jury. Und nun gibt es, wie der zuständige Verleih Grandfilm jetzt meldet, für ihren Film wieder keine Verleihförderung von der BKM, wie es auch für den Verleih Piffl des letzten, ebenfalls preisgekrönten Films keine BKM-Unterstützung gab. Der Film von Schanelec, eine kunstvolle Ödipus-Phantasie, muss nun also ohne nennenswerten finanziellen Rückenwind (es gab 10.000 Euro vom Medienboard Berlina-Brandenburg) und ohne Budget für eine Werbekampagne mit Plakaten, Anzeigen, Social Media, intensiver Pressearbeit und Kino-Tour in den Kinobetrieb gehoben werden. Die 40 Kinobetreiber, die der Verleih fürs Abspielen gefunden hat, werden sich bedanken.
Was passiert hier?
Bekanntermaßen ist die Sichtbarkeit von Filmen und der Erfolg der Kinoauswertung nicht nur von der Anzahl der Filmkopien, sondern auch von der Intensität der Werbekampagne abhängig. Das gilt auch für Filme wie die von Schanelec, die ohnehin nicht für das große Publikum konzipiert sind und erwartbar weniger Geld einspielen werden – sie haben aber auch weit weniger in der Entstehung gekostet als sogenannte Besuchermillionäre wie derzeit zum Beispiel Manta Manta – Zwoter Teil. Der mit über 3 Millionen Euro in der Produktion geförderte Film von Til Schweiger (Music: knapp 500.000 Euro) erhielt von der Filmförderungsanstalt FFA eine Verleihförderung von 300.000 Euro, dazu kommen Verleihförderungen der Film- und Medienstiftung NRW mit weiteren 100.000 und des Filmfernsehfonds Bayern mit 250.000 Euro. Macht summa summarum 650.000 Euro für Manta Manta – Zwoter Teil.
Die Berlinale, deren berufene Jury den Film von Schanelec ausgezeichnet hat, ist, nur fürs Protokoll, das Vorzeige-Festival Deutschlands. Das A-Festival wird maßgeblich von Steuergeldern finanziert, um die 11 Millionen Euro ist dies dem Bund wert, was ein Drittel des Berlinale-Gesamtetats ausmacht. Man sollte meinen, dass die Preise, die dieses Millionenprojekt durch hochkarätige Fachjurys vergibt, dem Bund ebenfalls etwas wert sein sollten. Die Strahlkraft nicht nur für den internationalen Markt entwickeln, sondern auch als bedeutsame Werke dem heimischen Publikum zugänglich gemacht werden. Claudia Roth, die Beauftragte für Kultur und Medien, findet: »Die Berlinale ist das wichtigste deutsche Filmfestival, das eine große internationale Ausstrahlung und Anziehungskraft hat und ein echter Publikumsmagnet ist.«
Aha. Filme, die auf der Berlinale Preise gewinnen, sind aber wohl keineswegs zwingend auch die »wichtigsten Filme«, wenn sie nach Ansicht des zuständigen Entscheidungsgremiums der BKM für Verleihförderung mit einem Etat von null Euro in die Kinos gebracht werden sollen. Ja, das gilt sogar für Projekte, die von der BKM selbst gefördert wurden, wie Music (und zuvor Ich war zuhause, aber...). Es gibt nun mal keinen Förder-Automatismus. Basta.
Über die Vergabe der Förderungen entscheidet hingegen ein sechsköpfiges »paritätisch besetztes« Gremium. Abstimmungen sollen nach Insider-Wissen erst im Votum von 5:1 positiv ausfallen, bei einem Ergebnis von vier Ja- gegen zwei Nein-Stimmen gilt das eingereichte Projekt als abgelehnt. Zu dumm, dass angesichts solch rigoroser Abstimmungsverhältnisse ein Mitglied des BKM-Gremiums in zwei Gremien sitzt: Andreas Fink, Filmeinkäufer bei Cineplex Deutschland, entscheidet sowohl über die BKM-Verleihförderung, deren Ziel es ist, »künstlerisch anspruchsvolle deutsche Filme in die Kinos zu bringen«, als auch über die Verleih- und Betriebsförderung der Filmförderungsanstalt (FFA), die eben auch Besuchermillionäre wie Manta Manta – Zwoter Teil in ihrem Portfolio 2023 hat. Hat der Mann ohne Not zwei Hüte auf, um souverän zwischen künstlerischen und kommerziellen Filmen zu unterscheiden? Oder sollte hier nicht lieber eine Ausschlussregelung greifen, entweder dem einen oder dem anderen Gremium angehören zu dürfen?
Heikel wird es, wenn in Betracht gezogen wird, dass die BKM-Verleihförderung unter dem Eindruck von Corona mit dem Programm »Neustart Kultur« einer modifizierten Regelung gehorcht, nach der auch höher budgetierte Projekte in den Topf der BKM fallen (während sie früher nicht antragsberechtigt waren). Auch dieses Frühjahr (ist eigentlich immer noch »Neustart«?) ist die maximale Fördersumme von 50.000 Euro auf 150.000 Euro je Verleihprojekt erhöht und die Begrenzung auf 40 Kopien zum Kinostart aufgehoben. Heißt im Klartext: auch teurere und größere Filme können nun bei der BKM einen Antrag auf Förderung stellen.
Interessanterweise aber gilt für die BKM, anders als für die FFA, wo die Förderergebnisse bis 2009 auf der Website nachzulesen sind, wohl nicht das Transparenzgebot. Entscheidungen zur Verleihförderung sind auf der Website der Bundesregierung und auch anderswo schlichtweg nicht zu finden. Dazu sei angemerkt, dass die Verfasserin dieses Textes selbst stellvertretendes Gremiumsmitglied für Verleihförderung ist. Weder aber weiß ich, welche Projekte eingereicht wurden, noch, welche Projekte positiv beschieden wurden. Auf Anfrage hieß es bei der zuständigen Stelle Ende März, dass die Förderergebnisse in den nächsten Wochen auf der Website veröffentlicht werden und »dann für alle zugänglich« seien – was bis heute nicht der Fall ist. Als stellvertretendes Mitglied des Gremiums habe ich also keinerlei Einblicke, die nicht auch sonst bekannt wären, was mich an eine Schweigepflicht binden würde. Bis zum heutigen Tag aber ist schlichtweg überhaupt nichts bekannt.
Veröffentlicht sind jedoch die Ergebnisse von November 2022, die einige Rückschlüsse auf die Förderpraxis zulassen. Big Player Warner Bros. Entertainment wurde in der letzten Fördersitzung des Gremiums in zwei Fällen mit 130.000 Euro für den Verleih gefördert – einer von den Filmen, Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war, läuft derzeit noch mit 186 Kopien im Kino, wurde also fast fünf Mal so groß herausgebracht, als es für die BKM-berechtigten Filme bislang üblich war. Es ist zu vermuten, dass auch dieses Mal mit den modifizierten »Neustart«-Förderrichtlinien das für die BKM geltende Prinzip der kulturellen Förderung aufgeweicht wurde. Und es ist zu fragen: Verändert sich damit nicht der Blick des Gremiums auf andere, künstlerische Projekte, die nicht durch viel veranschlagtes Geld und vergangene Besucherrekorde beeindrucken können? Die wissen, was sie repräsentieren und die durchaus zufrieden wären mit einer maximalen Verleihförderung von 50.000 Euro und einem Kinostart von 40 Kopien? Grandfilm zumindest lässt keine überzogenen Erwartungen erkennen, wenn er schreibt: »Der Verleih eines solchen Films (Music, d. Red.) ist wichtig für die Filmkultur in Deutschland, aber leider nicht wirtschaftlich rentabel. Genau deswegen gibt es die kulturelle Verleihförderung der BKM.«
Mit der Absage an die kulturelle Verleihförderung aber erstickt die BKM ein Projekt, das sie selbst gefördert hat und das mit einem wichtigen internationalen Preis ausgezeichnet wurde – und cancelt damit eine der renommiertesten deutschen Film-Autorinnen, die mit Ausstellungen im MoMA und Retrospektiven in Frankreich im Ausland mehr gilt als im eigenen Land.
Das kann man als große Peinlichkeit abtun. Es ist aber ein handfester Skandal: Der Fehler liegt eindeutig im System.