Bon Voyage, Billy! |
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Body Horror | ||
(Foto: Warner Bros.) |
»I don’t have the soul of a cop – but I like the thrill.«
W.F.
Am Montag hat sich William Friedkin verabschiedet. Er ist 87 Jahre geworden. In den vielen Interviews, die ich über die letzten Jahre gesehen hab, wirkte er jedoch eher wie 17, also von der sprudelnden heckenschützenhaften Energie und der subversiven Kraft seiner Einstellung. Sehr unterhaltsam und sehr anstiftend, und ich empfand es immer als äußerst beruhigend, dass er da ist, das William Friedkin lebt und Filme macht. Nicht nur, weil ich ihm so viele betörende, hypnotische, spektakuläre und fiebrige Filmstunden verdanke, sondern auch, weil seine Filme eine unverkennbare Stimme im Kino verkörpern. Die ich heute kaum noch wiederfinde und nach der ich mich aber so sehr sehne: Friedkins Figuren sind Besessene, Manische, Menschen voller Fehler und Sünde, getrieben und geheimnisvoll. Sie kommen vom Weg ab, verirren sich, straucheln, finden die Kraft zum Willen wieder und offenbaren sich schließlich in ihrer vollkommenen funkelnden Menschlichkeit, abgründig, unberechenbar und ambivalent. Und immer so körperlich wie einzig es die große himmlische Leinwand des Kinos zu transportieren weiß, wo Schweiß, Blut, Tränen und Kotze die Ängste, Sehnsüchte, Verzweiflung und den Schmerz der Menschen wie durch ein Vergrößerungsglas erglühen lassen. Diese Filme nehmen die Wirklichkeit verstiegen ernst, in ihrer Aggressivität, Brutalität, Unbegreiflichkeit und zerstörerischen Kraft. Mir kommt es manchmal so vor, als könnte ich seine Filme sogar riechen und schmecken, weil die so real, so dreckig und rau sind.
Jeder Mensch, der mit Filmen zu tun hat, könnte bei Friedkin eine Lektion lernen in puncto: MUT! Die Bildarbeit, der vibrierende zuckende Sound, der gestört unberechenbare konfrontative Schnitt.
Sein Film The Exorcist ist für mich persönlich von fundamentaler Bedeutung und hat mein Kunstverständnis tiefgründig geprägt, so ist das Wort »Exorzismus« für mich wie zu einen Synonym für »schauspielen« geworden. Linda Blair fasziniert mich in dem Film über die Maßen, ich begreife ihren »Demon« als die animalische Urkraft der weiblichen Sexualität, die das pubertierende Mädchen
befällt und von der Kindheit und ihrer Mutter trennt, die christliche Antwort dämonisiert und vernichtet. Ich liebe die Farben, die Räume, die Treppen, den Look des Films. Für die Stimme des »Demon« hat er übrigens mit der Method-Schauspielerin Mercedes McCambridge gearbeitet, die gewöhnte sich zur Vorbereitung das Kettenrauchen an und ließ sich dann für die Aufnahmen eine Woche an ihren Stuhl im Studio fesseln, um die echtestem Emotionen zu transportieren, hinterher war sie so
bescheiden, dass sie darum bat, nicht im Abspann zu erscheinen, weil sie Lindas Performance nichts stehlen wollte.
Die andere Friedkin-Figur, die mich unlängst überwältigt hat, ist Linda Fiorentino in Jade; auch sie ist gleichsam besessen: ein vom versteckten Eros gejagter Körper, unglaublich betörend und sexy. Ich liebe auch die Autojagd auf dem Chinatown-Festival: Das Auto kann sich nur in Millimeter-Schrittchen vorwärtsbewegen, die langsamste
Verfolgungsjagd des Kinos, sehr seltsam und besonders im Hinblick auf die Spektakulärst-Verfolgung in The French Connection sehr lustig.
Das Kino hat einen wahren »Meister« (und ich finde, man muss mit diesem Wort äußerst sparsam umgehen) verloren. Frieden für Friedkin, Gott oder Teufel, dein neuer Gastgeber möge diese edle Seele mit besonderer Zärtlichkeit beherbergen! Danke! Bonne Voyage und Rest in Power, Billy!