Fügungen des Schicksals |
||
Spannendes psychologisches Kammerspiel: Das versteckte Kind | ||
(Foto: Cinema! Italia!) |
Von Elke Eckert
Gabriele hat früher als Pianist Konzerte gespielt, heute lebt der Musikprofessor zurückgezogen in einem Arbeiterviertel in Neapel und gibt Klavierunterricht. Eines Morgens entdeckt er den 10-jährigen Ciro in seiner Wohnung. Der Nachbarsjunge will sich bei Gabriele verstecken, weil er in einen Unfall mit der Mutter eines Mafia-Bosses verwickelt war und auch sein Vater der Camorra angehört. Der Professor zögert erst, Ciro Unterschlupf zu gewähren. Doch dann beschließt er, dem Jungen zu helfen, wissend, dass er damit sein Leben riskiert… Roberto Andòs psychologisches Kammerspiel Das versteckte Kind (Il bambino nascosto) bezieht seine Spannung aus der immer intensiver werdenden Beziehung zwischen dem einsamen Alten und dem rebellischen Jungen und der bedrohlichen Situation, der die beiden auch in ihrem Refugium ausgeliefert sind. Der Regisseur hat nicht nur am Drehbuch mitgeschrieben, sondern ist auch der Autor der gleichnamigen Romanvorlage. (Sonntag, 8.10., 18 Uhr / Donnerstag, 12.10., 18 Uhr / Mittwoch, 18.10., 18 Uhr)
Ein ungleiches Gespann sind auch der 17-jährige Tarek und ein seltsamer Polizist, der den Jungen eines Nachts nötigt, in seinen Streifenwagen zu steigen. Während der nächtlichen Fahrt durch entlegene Ecken Roms verstärkt sich Tareks Unbehagen, auch weil er immer weniger sicher ist, dass der Typ, der ihm seinen Willen aufzwingen will, tatsächlich ein Cop ist… Fulvio Risuleos dritter Langfilm Ghost Night (Notte Fantasma) ist ein ungewöhnliches und unwirklich wirkendes Roadmovie. Edoardo Pesce spielt den vermeintlichen Staatsdiener angsteinflößend, Newcomer Yothin Clavenzani hält mit einer entwaffnenden Geradlinigkeit dagegen. Regisseur Risuleo ist in Rom geboren und aufgewachsen, schon in seiner Jugend hat er kleine Kurzfilme gedreht. Kurz nachdem er sein Regiestudium abgeschlossen hatte, wurde sein Kurzfilm Varicella 2015 in Cannes ausgezeichnet. Ghost Night wurde beim Festival in Venedig uraufgeführt. (Freitag, 6.10., 20:30 Uhr / Dienstag, 10.10., 20:30 Uhr / Montag, 16.10., 18 Uhr)
Die Komödie Der Erzengel und ich (Beata te) dreht sich ebenfalls um eine Art Geistererscheinung. Singlefrau Marta feiert als Theaterregisseurin Erfolge und hört auch mit 40 ihre biologische Uhr nicht ticken. Bis eines schönen Tages der Erzengel Gabriel vor ihr steht. Oder zumindest ein skurriler Bursche, der behauptet, genau dieser zu sein. Er macht Marta ein Angebot: Sie kann innerhalb der nächsten zwei Wochen entscheiden, ob sie Mutter werden will oder nicht. Weil der Erzengel sich in der Zwischenzeit häuslich bei ihr einrichtet, bleibt Marta gar nichts anderes übrig, als sich Gründe für oder gegen ein Kind zu überlegen… Der märchenhafte Plot basiert auf einem Theaterstück. Bevor die Mailänder Regisseurin Paolo Randi sich der Filmkunst widmete, studierte sie Jura und arbeitete bei verschiedenen NGOs. Ihren fantasievollen Film zeichnet eine gelungene Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang aus. (Samstag, 7.10., 20:30 Uhr / Mittwoch, 11.10., 18 Uhr / Dienstag, 17.10., 18 Uhr)
Auch die Coming-of-Age-Geschichte Am Rand (Margini) hat mehrere Ebenen. Regisseur Niccolò Falsetti erzählt mit Witz, Selbstironie und einem großen Gespür für die Herausforderungen der italienischen Provinz von drei Freunden aus dem toskanischen Grosseto. Gemeinsam spielen sie in einer Punkband und kommen damit mehr schlecht als recht über die Runden. Bis sich endlich die große Chance zum Durchbruch bietet: Defense, eine angesagte US-Band, will das Trio als Vorgruppe für ihr Konzert in Bologna. Als dieser Auftritt plötzlich abgesagt wird, beschließen die Jungs mit dem Mut der Verzweiflung, Defense nach Grosseto zu holen… Falsettis Kinodebüt merkt man an, dass es auf eigenen Erfahrungen beruht. Er und seine Co-Autoren stammen nicht nur aus Grosseto, sondern sind auch Punkmusiker. Deshalb kann Falsettis Film, der beim Filmfestival von Venedig uraufgeführt wurde, mit einer großen Glaubwürdigkeit punkten. (Montag, 9.10., 19:30 Uhr / Freitag, 13.10., 18 Uhr)
Ebenfalls auf wahren Begebenheiten basiert die Tragikomödie Alles nur Theater? (Grazie ragazzi). Schauspieler Antonio versteht seine Arbeit als Berufung. Weil er deswegen finanziell oft kürzertreten muss, nimmt er gerne das Angebot eines Freundes an, einen Theaterworkshop für Häftlinge zu leiten. Als nur eine Handvoll Teilnehmer kommt, beschließt Antonio, Samuel Becketts „Warten auf Godot“ mit ihnen zu proben. Nach und nach schafft er es, das Vertrauen seiner Schützlinge zu erlangen, nur die Gefängnisdirektorin bleibt misstrauisch… Regisseur Riccardo Milani gelingt das Kunststück, einer Geschichte, die schon mehrfach als Vorlage diente, seine ganz eigene Handschrift zu geben. Milani, der am Anfang seiner Karriere unter anderem als Assistent von Nanni Moretti gearbeitet hat, wirft in seinem Film existenzielle Fragen auf. Und das sehr mitreißend, emotional und ironisch. (Donnerstag, 5.10., 18 Uhr / Samstag, 14.10., 18 Uhr)
Anlässlich des 50. Todestages der italienischen Filmlegende Anna Magnani und des 101. Geburtstages von Starregisseur Pier Paolo Pasolini wurde der Filmklassiker Mamma Roma von 1962 in restaurierter Fassung ins diesjährige Programm aufgenommen. Eine Prostituierte zieht in dem Verlangen, ihr altes Leben hinter sich zu lassen und ihrem Sohn ein besseres zu ermöglichen, von der römischen Vorstadt in ein bürgerliches Viertel. Doch ihr früherer Zuhälter, der auch der Vater des Jungen ist, und ihre übergroße Mutterliebe führen sie und ihren Sohn nicht in eine gute Zukunft, sondern immer weiter in den Abgrund … Das sozialkritische Drama war Pasolinis zweiter Spielfilm. Nach dessen Premiere vor 60 Jahren kam es zu heftigen Protesten, die in einer Anzeige wegen »Verstoßes gegen das allgemeine Anstandsgefühl« gipfelten. (Sonntag, 15.10., 11 Uhr)
Alle Filme werden im italienischen Original mit Untertiteln in der Theatiner Filmkunst gezeigt.