Frauen und Film |
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Weibliche Junggesellen – Stummfilm mit Live-Musik | ||
(Foto: Arsenal Institut) |
Von Dunja Bialas
Sagt man Schlüpmann, ergänzen alle, die sie kennen: Gramann. Heide Schlüpmann und Karola Gramann sind zwei Grandes Dames des feministischen Films, die in Deutschland Kinogeschichte geschrieben haben. Sie wurden mit unzähligen Preisen ausgezeichnet, zuletzt vor wenigen Tagen vom Kinematheksverbund für die von ihnen gegründete Kinothek Asta Nielsen. Heide Schlüpmann, die dieses Jahr 80 Jahre alt geworden ist, hatte die erste Professur für Filmwissenschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main inne und hat auf Generationen von Filmwissenschaftler*innen gewirkt. Karola Gramann leitete in den Achtzigerjahren die Kurzfilmtage Oberhausen. 2018 haben sie gemeinsam das Frauenfilmfestival Remake in Frankfurt initiiert.
Diese Koryphäen des feministischen Films und Expertinnen des Stummfilms hat das 29. Bimovie jetzt zu einer Carte Blanche eingeladen. Die Wahl von Schlüpmann & Gramann fiel auf Norrtullsligan – Weibliche Junggesellen, einen von Per Lindberg im Jahr 1923 realisierten Film über den Alltag von vier Frauen, die in Fabriken und Büros arbeiten – also von der klassischen Arbeiterin bis zur Büroangestellten eines neuen, modernen und urbanen Lebens. Der Spielfilm geht zurück auf eine soziologische Untersuchung von Elin Wägner, einer schwedischen Aktivistin. Der Film »atmet Moderne«, schreiben die Frankfurter Kuratorinnen, »aber eine, die von unten aufgenommen wurde, aus der Wahrnehmung der Frauen, die sich in den veränderten Lebensverhältnissen zurechtfinden müssen.« Die Vorführung wird live von Michaela Dietl begleitet (So 5.11. 15:30 und Di 7.11. 18:00).
Bimovie ist auch dieses Jahr wieder in seinem Stammkino anzutreffen, dem Maxim an der Landshuter Allee, zu dem die Anhängerinnen der »Frauenfilmreihe«, wie das Festival im Untertitel heißt, in Scharen kommen. Ein Team aus acht streitbaren Frauen, darunter Katrin Gebhardt-Seele und Karin Hofmann als Gründerinnen, zeigen vom 2. bis 8. November ein erlesenes Programm aus sieben Filmen, dazu kommen die Carte Blanche und ein Kurzfilmprogramm.
Im Programm findet sich auch der estnische Dokumentarfilm Smoke Sauna Sisterhood von Anna Hints, die seit der Uraufführung auf dem Festival von Sundance, wo sie mit dem Preis für die Beste Regie ausgezeichnet wurde, alle möglichen Preise abräumt, zuletzt bekam der Film auf der Viennale den Preis der internationalen Filmkritik Fipresci. Es geht um eine Rauchsauna in Estland, in der Frauen gemeinsam saunieren. Sie lassen auch die Hüllen ihrer Seele fallen, erzählen sich gegenseitig von ihren Geheimnissen und Ängsten, brechen Tabus und füllen uns Zuschauer*innen mit Mut an (So 5.11. und Mo 6.11., jeweils 18 Uhr).
Die Frauenfilmreihe eröffnet am 2.11. um 18 Uhr mit dem schwedischen Film So Damn Easy Going, eine Romantic Comedy, die vom anstrengenden Leben einer Heranwachsenden mit ADHS erzählt, die noch dazu gerade die Liebe entdeckt. Da kann schnell einiges zu viel werden, Regisseur Christoffer Sandler aber schenkt seinen Protagonistinnen viel sorgfältige Aufmerksamkeit, die sie niemals ausstellt.
Die junge Leila Keita ist in München gerade omnipräsent. Gerade war sie noch mit einer Arbeit bei der Videokunst-Biennale Videodox zu sehen und bei einem feministischen Gespräch im Werkstattkino anzutreffen. Jetzt präsentiert sie bei Bimovie ihren dreißigminütigen Dokumentarfilm Außer Männer hatten wir nichts zu verlieren, den sie zusammen mit Hanna Hocker realisiert hat. Sie tauchen ein in die Geschichte der Münchner Frauenbewegung seit den Siebzigerjahren und stoßen dabei auf Lillemor’s, den ersten Frauenbuchladen Deutschlands, einem geschützten Raum, zu dem nur Frauen Zutritt haben. Im Gespräch mit den Mitbegründerinnen erfahren sie, wie viel Brisanz auch heute noch viele der alten Ideen haben. Im Anschluss an die Vorführung (3.11., 18 Uhr) wird das Gespräch mit alten und neuen Buchhändlerinnen und den Filmemacherinnen fortgeführt.
Nicht entgehen lassen sollte man sich schließlich Claudia Richarz Film über Helke Sander (Sa 4.11. 15:30 und Mi 8.11. 18 Uhr). Helke Sander: Aufräumen hat sie ihn ganz schlicht genannt – und sieht der 86-Jährigen dabei zu, wie sie ihre Dinge ordnet, begleitet von einem Erinnerungsstrom an ihr Leben als feministische Aktivistin und viel Archivmaterial. Helke Sander ist Filmemacherin, Pionierin der Frauenbewegung der Nachkriegszeit und Gründerin der maßgeblichen Zeitschrift »Frauen und Film«. Heide Schlüpmann und Karola Gramann wiederum waren später, zusammen mit der Filmwissenschaftlerin Gertrud Koch, Herausgeberinnen der Zeitschrift. Als begleitende Lektüre zum Festival empfehlen wir daher die letzte Ausgabe von »Frauen und Film«: Sie widmet sich dem Thema »Feministische Ökonomien und Zeitlichkeit«.
29. Bimovie
2. bis 8. November 2023
München, Neues Maxim