Cinema Moralia – Folge 310
First we take Manhattan... |
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Zu mutig? Syberbergs Demminer Gesänge wurden auf der letzten Berlinale abgewiesen... | ||
(Foto: Filmgalerie 451) |
»Um die Wahrheit zu finden, muss man diskutieren. Kunst und Kultur haben dabei eine besondere Rolle. Wir müssen dabei Platz für Dissens haben, um gemeinsam um Verständigung zu ringen. Deshalb bin ich dankbar, wenn ich auf meine Fehler hingewiesen werde.«
– Sharon Dodua Otoo»They sentenced me to 20 years of boredom/For trying to change the system from within/ I’m coming now, I’m coming to reward them/First we take Manhattan, then we take Berlin.«
– Leonard Cohen»Schneeflöckchen, Weißröckchen/ Wann kommst du geschneit
Du kommst aus den Wolken/ Dein Weg ist so weit
Komm setz dich ans Fenster/ Du lieblicher Stern
Malst Blumen und Blätter/ Wir haben dich gern
Schneeflöckchen, du deckst uns/ Die Blümelein zu
Dann schlafen sie sicher in himmlischer Ruh«
– Weihnachtslied
Die Schneedecke stimmt milde, und so schreibe ich heute mal nicht »über Israel«, worüber ich sowieso in den letzten Wochen nicht geschrieben habe. Darum muss ich in einem Punkt, nur in diesem, der Kollegin Dunja Bialas widersprechen. Sie schreibt vergangene Woche, es gehe in der Debatte seit dem 7. Oktober um »den Nahost-Konflikt«. Nein!
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Anm.d.Red.: Im genannten Text steht: »Der Nahost-Konflikt zieht die Filmwelt gerade unerbittlich in seinen Mahlstrom hinein und in den Abgrund hinab.« Nicht aber, dass sich die Debatte in der Filmwelt um den Nahost-Konflikt drehe.
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Es geht nicht um »den Nahost-Konflikt«. Es geht um Antisemitismus in Deutschland. Insbesondere in der Kunst- und Wissenschaftsszene, an Filmhochschulen und unter Intellektuellen. Das ist durch »den Nahost-Konflikt« ausgelöst worden, hat aber eigentlich nichts mit ihm zu tun.
Es geht um Deutschland, und es geht um Orte, Personen, Themen, die direkt die deutsche Filmszene und Filmlandschaft berühren.
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Festivaldirektoren sind wie Fußballtrainer. Und auch hier ist manche Hoffnung schon im Winter zur Katastrophe geworden. Wie Nagelsmann, wie Klopp müssen sie auch einen Club nach außen repräsentieren, und nicht nur beim Fußballclub ist hilfreich die Lage korrekt einzuschätzen: Bei der Berlinale muss man ganz unten anfangen. Sie ist meilenweit von ihren eigenen Ansprüchen entfernt und diese Ansprüche können nicht sein wie beim FC Cannes die Meisterschaft zu gewinnen; sie müssen sein, sich erstmal überhaupt wieder für die Champions League zu qualifizieren. Ähnlich wie so mancher Fußballclub hat auch die Berlinale finanzielle Probleme. Berlin ist eine Baustelle.
Die Entscheidung ist offenbar gefallen, wer neuer Berlinale-Chef wird. Verkündet werden soll sie erst am 15.12.
Es hat viel Kritik an diesem komplett intransparenten und kriterienlosen Auswahlprozess gegeben, die bis heute nicht verstummt ist. Zumal man der Kulturstaatsministerin hier keinerlei Kompetenz zutraut. Und eine Auswahlkommission, in der kein Mitglied je für ein Festival gearbeitet hat, weckt auch kein Vertrauen in die Entscheidungsfindung. Sechs Personen
standen am Schluss noch zur Auswahl. Es gibt Kandidaten, die genannt werden in den Berliner Gesprächen, zwei davon heiße Kandidaten: Ein Niederländer und ein Schweizer.
Das ist nur die erste von vielen Entscheidungen. Neben der der neuen Medienboard-Leitung geht es vor allem um die Finanzen. Welche Folgen hat die schlechte Haushaltslage fürs Kino?
Manche fürchten die große Säuberung der deutschen Filmbranche. Man will Ruhm, Ehre oder Cash, nichts Mutiges, Experimentelles dazwischen.
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Die tollen BR-Studios mitten in München sollen abgerissen werden. Jetzt, viel zu spät, aber vielleicht doch noch rechtzeitig regt sich Protest dagegen. Schauen wir mal, ob sich der architektonisch großartige Bau retten lässt.
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Dem Fernsehen geht es schlecht, dem Radio umso besser. Vor allem dem Deutschlandfunk, der gegen alle Trends wachsenden Zuhörerzuspruch bekommt.
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Aus aktuellem Anlass: Sind wir alle Höflinge? Immer dieses sich-klein-machen, dieses Gerede von (vor allem) Schauspielern: »ich durfte das Drehbuch lesen...«; »ich durfte mit dem und dem arbeiten...«; das Gerede von ehemaligen Studis: »ich durfte den und den Professor kennenlernen... ich durfte dem und dem zuhören« – Nein Leute, hört Euch mal bitte selber zu! Ihr habt Rechte, ihr seid (hoffentlich) selbstbewusste Menschen. Wenn ihr nicht wie Kleine behandelt werden wollt, dann macht euch nicht selber zu Zwergen.
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Wie gesagt: Ich möchte heute nichts über Antisemitismus schreiben, aber hier ein paar Texte zum Weiterlesen, über das, worüber ich geschrieben haben könnte.
https://www.zeit.de/zeit-magazin/2023/45/diskurs-gender-sexualitaet-wg-konflikt
Mist Bezahlsperren! Dann eben wieder nächste Woche. Bis dahin auf Facebook und Telepolis.