Wieso soll der deutsche Film besser werden, weil es weniger deutsche Filme gibt? |
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Erstaunlich unambitioniert und übertrieben bescheiden formuliert – der Brandbrief... | ||
(Foto: A. T. Purr) |
Der Berg kreisst – und seit Claudia Roth Kulturstaatsministerin ist, gebiert er noch nicht mal eine Maus. Die Filmpolitik der amtierenden Kulturstaatsministerin muss man sich eher als Prokrastinieren vorstellen, als Aufschieberitis. Obwohl Filmpolitik der Kernbereich ihres Amtes ist – denn die Hoheit für Kultur liegt ansonsten bei den Bundesländern –, kommt die Ministerin mit der Reform der Filmförderung einfach nicht voran.
Das Filmfördergesetz (FFG) muss juristisch vorgeschrieben regelmäßig erneuert, also novelliert werden. Eigentlich hätte das schon 2021 geschehen müssen, aber da war Corona, darum verschob man um ein Jahr.
2022 hat es Roth auch nicht geschafft, da war immer noch ein bisschen Pandemie und außerdem wollte sich da die Ministerin vor allem um die Ukraine kümmern.
Aber 2023 gab es keine Ausreden mehr – trotzdem wurde die Novellierung immer weiter nach hinten verschoben, bis
auch dieses Jahr vorbei war.
Jetzt nun, am 15. Januar, soll ein erster »Referentenentwurf« für das neue FFG vom Kulturministerium veröffentlicht werden – mal sehen, ob das dann auch wirklich passiert.
Und was dann drinsteht: Den Eindruck einer gewissen Beratungsresistenz der Ministerin gibt es schon seit langem in der Branche.
Schon im Vorfeld haben sich auch darum Anfang Januar gleich acht Filmverbände zusammengetan und fordern in einem sogenannten »Brandbrief« zu Jahresbeginn von Claudia Roth, dass die Kulturstaatsministerin endlich handeln möge.
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Ganz so brennend scheint es mit dem Brandbrief allerdings dann doch nicht zu sein. Sowieso wollen die Verbände das Schreiben so gar nicht bezeichnet wissen, das sei nur die FAZ gewesen, die alles als erste veröffentlicht hatte.
Und diese Veröffentlichung war auch mehr ein Anstubser für die Ministerin im Winterschlaf. Schnell kam nämlich heraus, dass das Schreiben bereits einen Monat lang beim BKM im Posteingang lag, bevor es aus den Verbänden an die Presse gespielt wurde.
Auch inhaltlich ist das Schreiben erstaunlich unambitioniert und übertrieben bescheiden formuliert. Und formal also im Hinblick auf den Sprachstil, einzelne Formulierungen und auf den Gebrauch der deutschen Sprache als ganzer ist das Schreiben geradezu amateurhaft gehalten.
Der Autor und die übrige Redaktion von Artechock stellen den Verfassern für die Zukunft sehr gern ihre Expertise im Verfassen gut geschriebener Texte zur Verfügung. Oder wenigstens unsere Fähigkeit, schlecht geschriebene Texte zu redigieren.
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Aber beginnen wir einmal mit den Verfassern: Acht Verbände, mächtige Vertreter der Branche, aber keineswegs ein Querschnitt der Branche, hat sich da zusammengetan. Es ist eher so ein halber Querschnitt, die acht Unterzeichner sind vor allem repräsentativ für das Geld und für die Verwertungskette. Sie stehen für die Großen. Man merkt, dass umgekehrt die Filmkünstler überhaupt nicht dabei sind: Es fehlen die Regisseure, die Kameraleute, die Schauspieler und andere. Die
Filmschaffenden. Dafür die Verwerter: Wir haben ein, zwei Kinobetreiberverbände, es gibt aber noch andere, die gar nicht gefragt wurden.
Und was die deutsche Filmakademie da genau macht, ist sowieso niemandem recht klar – die Filmakademie ist ja gar kein Verband und sollte politisch auch nicht so einseitig wie hier ihre Stimme erheben, und dabei den größten Teil ihrer Mitglieder ausblenden. Die Filmakademie ist einfach immer gern dabei, und war auch in der
Auswahlkommission der Berlinale dabei.
Vor allem aber hat man den Eindruck, dass die Filmakademie sich hier instrumentalisieren lässt. Nur durch ihre Unterschrift können die Unterzeichner kontrafaktisch den Eindruck erwecken, hier spräche »die ganze Branche«.
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Sie möge doch bitte endlich handeln, lautet das Fazit des Briefs. Warum denn die Novellierung dieses FFG so lange dauert, ist sehr schwer zu sagen. Man kann natürlich nicht in den Kopf von Claudia Roth hineinschauen, möchte man vielleicht auch gar nicht – aber was offensichtlich ist, und worüber schon jeder Branchenteil geklagt hat, ist, dass Claudia Roth nicht kommuniziert, dass sie sich fast schon ein bisschen in ihrem Büro einschließt, und dass sie einfach mit niemandem
spricht, auch nicht mit den großen Verbänden, von den kleinen wollen wir mal gar nicht reden – aber genau das muss natürlich eine Ministerin machen: Meinungen einholen, Stimmen und Stimmungsbilder einholen. Claudia Roth ist ganz wenig präsent im deutschen Film. Bei der Berlinale sieht man sie, aber ansonsten sieht man sie nicht – ganz offensichtlich sieht Claudia Roth selber gar nicht die Dringlichkeit, aktiver zu werden. Aber nötig wäre genau das schon: Wir haben
Riesenprobleme in der Filmlandschaft: Zuschauerschwund, Coronafolgen, jetzt auch noch Inflation und die Folgen der Kriege.
Vieles im Schreiben ist keineswegs neu, das meiste ist aus anderen Stellungnahmen abgepaust: Produktion, Verleih und Kino zusammenzudenken sind olle Kamellen. Und auch die Forderung nach automatisierter Förderung, weniger Gremien gibt es schon lange.
In einem haben die acht Unterzeichner recht: Der deutsche Film braucht zunächst einmal vor allem mehr Geld. International haben Großbritannien und Frankreich viel, viel mehr. Darum sind auch die Filme besser. Geld schießt Tore.
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Es ist ehrlicherweise auch gar nicht so klar, was sich denn verändern muss im deutschen Film. Ein Patentrezept hat niemand, und oft divergieren die Interessen der einzelnen Gruppen und Verbände. Was alle gemeinsam haben, worin sich alle einig sind: Dass sie nicht zufrieden sind.
Das Hauptproblem vieler Bereiche ist, dass die deutsche Filmförderung ein Zwitter ist zwischen Wirtschaftsförderung – die Leute sollen ja auch Geld verdienen, das ist klar – und Kunstförderung. Film ist auch Kunst und Kulturgut und da kann man nicht immer nur auf das Verdienen und den Umsatz schauen.
Die Wirtschaftsförderung muss im Prinzip zurückgezahlt werden, die Kulturförderung eigentlich nicht. Deswegen gibt es auch jetzt schon zwei Fördertöpfe: die
Kulturförderung und die Wirtschaftsförderung. Aber beide vermischen sich bisher in der Praxis und laufen durcheinander – man merkt es auch, wenn man dieses Papier durchliest: Es wird wahnsinnig viel miteinander vermischt, es ist vollkommen unklar und chaotisch.
Viele Verbände, allerdings eher die kleineren, die nicht in diesem Brief auftreten, fordern, dass diese beiden Felder ganz klar und eindeutig unterscheidbar getrennt werden. Dass man also zwei Säulen der
Förderung hat, eine Wirtschaftsförderung und eine Kulturförderung – denn bei der Wirtschaftsförderung geht es ja auch darum, dass sie eigentlich so funktionieren müsste, wie ein Kredit bei der Bank. Im Augenblick ist das nicht so: die allermeiste Wirtschaftsförderung ist zwar in der Praxis tatsächlich vor allem Subvention und wird nicht zurückgezahlt; sie ist also wie eine Kulturförderung, funktioniert aber nach Kriterien der Wirtschaftsförderung. Das ist
ein großes Problem.
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Eine Kernforderung des Papiers ist auch ein alter Hut der entsprechenden Kreise. Sie lautet: »Es sollten weniger Filme in Deutschland gemacht werden.« Diese Forderung gibt es seit Jahren von manchen – nicht von allen.
Dies hat aber noch nie wirklich eingeleuchtet. Denn wieso soll der deutsche Film besser werden, weil es weniger deutsche Filme gibt? Da muss ja jeder Schuss erst recht sitzen. Wir fahren in allen möglichen Bereichen – und ich glaube sehr zu Recht –
Diversität. Warum wollen wir auf einmal keine Diversität bei den Filmen?
Es hat wahrscheinlich niemand etwas dagegen, dass es ein paar weniger schlechte deutsche Filme gibt. Vielmehr geht es darum: Wer entscheidet denn darüber, was ein guter und was ein schlechter Film ist? Und darüber, welche Filme es in Zukunft nicht mehr geben darf?
Wenn es nur um die Frage geht, womit Kinobetreiber Geld verdienen können, dann handelt es sich ganz bestimmt nicht um Filme, die bei einem Festival wie Cannes oder Venedig irgendwelche Preise gewinnen. Also: man muss
differenzieren, man muss auseinanderhalten. Man kann nichts erreichen, wenn man an jeden Film die gleichen Kriterien anlegt.
Grünes Produzieren und gerechte Bezahlung sind beides Superziele – es ist aber nicht so, dass das die Filme besser macht. Es macht erst einmal die Filme teurer. Also brauchen dann die Leute noch mehr Geld.
Eine andere Forderung ist Nachwuchsförderung, auch das ist wichtig. Gleichzeitig geht es dem Nachwuchs noch relativ gut. Das Problem ist, wenn man mit Filmschaffenden redet, dass sie NACH dem ersten Film oder dem zweiten kein Land mehr sehen. Und viele, viele Leute, die
auch an Filmhochschulen teuer ausgebildet wurden, werden dann Taxifahrer oder haben irgendeinen anderen ehrbaren Beruf, aber sie sind keine Filmemacher – weil sie einfach schon jetzt keine Arbeit mehr bekommen; weil zu wenig Geld da ist. Und jetzt fordern die großen Verbände noch weniger Filme, also noch weniger Arbeit für die entsprechenden Nachwuchsfilmemacher.
Es ist also ganz klar, dass vor allem ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinter dieser
Reduzierungsforderung steckt.
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Der Deutschlandfunk berichtet auf Fazit übrigens gleich in mehrerer Hinsicht falsche Fakten: Nicht 2022, sondern ein Jahr später, 2023 hatte Claudia Roth eine Reform des Filmfördergesetzes angekündigt.
Auch stimmt es nicht, dass sich mit dem Brandbrief »erstmals« Verleiher, Produzenten und Filmtheater zu einem gemeinsamen Vorschlag zusammengetan hätten – dies geschieht ganz im Rahmen der »Initiative Zukunft Kino+Film« bereits seit vier Jahren regelmäßig in
verschiedenen Vorschlägen. Allerdings sind es da nicht die großen kommerziellen Player, sondern die kleinen unabhängigen Verbände, die dort verbunden sind. Zu groß offenbar für den großen Deutschlandfunk.