16.05.2024

Der Riese und die Zwerge

Martin Moszkowicz
Martin Moszkowicz
(Foto: Mathias Bothor, CC BY-SA 4.0)

Zur heutigen Verleihung des Carl-Laemmle-Preises an den Münchner Produzenten Martin Moszkowicz

Von Rüdiger Suchsland

»Maul­wurfs­hügel freigeben, wenn Zwerge sich vergrößern wollen« – das schrieb zwar Gottfried Benn, aber nicht immer ist das auch ein guter Ratschlag fürs Leben. Manchmal handelt es sich eben gar nicht um Maul­wurfs­hügel; und manchmal muss man den Zwer­gen­auf­stand auch kontern, schon aus Prinzip. So zum Beispiel in diesem Fall.

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Am 25. Januar wurde bekannt­ge­geben, dass der dies­jäh­rige »Carl Laemmle Produ­zen­ten­preis«, benannt nach dem deutschen Emigranten und Gründer der »Universal-Studios«, Carl Laemmle (1867-1939), an den Münchner Produ­zenten Martin Mosz­ko­wicz verliehen wird. Die Preis­ver­lei­hung findet heute statt. Dies ist ein Preis für das Lebens­werk von Mosz­ko­wicz und als solcher hoch­ver­dient. Man möchte Mosz­ko­wicz unein­ge­schränkt herzlich gratu­lieren zu dieser verdienten Auszeich­nung.

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Vier­ein­halb Monate später geben sich 16 Verbände von selbst­er­nannten »Film­schaf­fenden« (u.a. Film­kri­tiker, Beleuchter, »Green Consul­tants«, Film­ton­frauen, aber auch Lobby­isten für Fairness, Quoten und Vielfalt im Film) große Mühe, dem Preis­träger diese Auszeich­nung zu verderben und selbst dabei mediale Mitnah­me­ef­fekte zu erzielen.

Begrün­dung: Nicht das Lebens­werk, auch nicht das poli­ti­sche Enga­ge­ment des Preis­trä­gers, sondern die Tatsache, dass Mosz­ko­wicz als Executive Producer für die Produk­tion Manta Manta – Zwoter Teil verant­wort­lich war. Angeblich wurden bei deren Dreh­ar­beiten Arbeits­schutz­re­ge­lungen verletzt und Crew­mit­glieder massiven Über­griffen durch die Regie (Til Schweiger) ausge­setzt. Angeblich hat Mosz­ko­wicz davon gewusst und »seine Pflichten verletzt«.

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Es ist nichts weniger als ein ehrab­schnei­de­ri­scher Text, der an diesem Montag veröf­fent­licht wurde, in diffusem Gefühls­deutsch, vor allem mora­li­sie­rend, der vor sich hin raunt, um dann doch die »Haltung« des Preis­trä­gers infrage zu stellen. Und bezeich­nen­der­weise auf den Websiten vieler unter­zeich­nender Orga­ni­sa­tionen noch nicht online gestellt wurde – offenbar schämt man sich zumindest ein bisschen. Zu Recht!

Und der zu Recht durchaus heftige Reak­tionen erhielt.

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Zu nennen ist hier wieder mal Lars Henrik Gass, der in einem Gast­bei­trag auf »Blick­punkt Film« detail­liert Stellung nimmt und die grund­sätz­liche, gesell­schaft­liche Dimension der Argu­men­ta­tion der Verbände klar benennt: »Je politisch wirkungs­loser die Film­ver­bände agieren, desto lauter treten sie auf in korpo­ra­tivem Behar­rungs­ver­mögen. Das Auftreten erweckt den Eindruck von Gewicht, das man faktisch nicht hat. ... Besonders unan­ge­nehm wird dieser Offene Brief ... weil gesell­schaft­liche virulente Ressen­ti­ments unge­bremst durch­ge­leitet werden, also Großer­zäh­lungen über Macht, Vorwürfe wie 'Macht­miss­brauch' oder die Begüns­ti­gung von 'toxischen Arbeits­be­din­gungen'.«

Weniger klug äußert sich Björn Böhning im Deutsch­land­funk: »16 Kleinst­ver­bände«, sagt Böhning so arrogant wie größ­ten­teils zutref­fend. Man möchte das trotzdem gern mit der Anmerkung kontern, dass er viel­leicht selbst eher ein Kleinst­funk­ti­onär ist und ein geschei­terter Polit-Karrie­rist. Zumindest muss man anmerken, dass das Urteil für den Regie­ver­band nicht zutrifft.
Schon eher Recht hat er, wenn er dem Brief abspricht, dass sie »die Film­schaf­fenden in Deutsch­land« reprä­sen­tieren.
Der Sache tut aber auch diese Fest­stel­lung keinen Gefallen, denn die Zahl der Anhänger ist kein Argument. Und die »Produk­ti­ons­al­lianz« hat zahlen­mäßig sehr wenig Mitglieder.

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Die wirk­li­chen Probleme des Schrei­bens der 16 Verbände liegen woanders:
- Es wird aus dem falschen Anlass formu­liert, ein Jahr nach dem angeb­li­chen »Fall Schweiger«, zu einer Preis­ver­lei­hung für ein Lebens­werk.
Es arbeitet sich am falschen Objekt ab: Martin Mosz­ko­wicz ist ein ehema­liger CEU, nicht ein amtie­render. So greift man nicht die Macht an, sondern die abge­tre­tene Macht, die einem persön­lich nicht mehr schaden kann. Auch andere haben das öffent­lich bemerkt, wobei man den Regie­ver­band wie dem »Verband der deutschen Film­kritik« nicht vorwerfen kann, sie hätten Mosz­ko­wicz nicht auch früher öffent­lich kriti­siert.
- Es kommt gleich dreifach zum falschen Zeitpunkt: viel zu spät nach der Causa Schweiger, über vier Monate nach der Preis­be­kannt­gabe, und drei Tage vor Preis­ver­lei­hung, also gar nicht auch nur in der Erwartung einer Wirkung – sondern allein um mediale Mitnah­me­ef­fekte zu erzielen.
- der Preis und der Schweiger-Fall werden instru­men­ta­li­siert, um eine angeb­liche »Fairness« (darüber könnte man auch noch lange reden) zu promoten.
- für die Schweiger-Set-Vorkomm­nisse sind allein die Gerichte zuständig, bestimmt aber keine öffent­li­chen Vorver­ur­tei­lungen per Moral-Pranger.
- zugrunde liegt letztlich der reine Neid: Der böse Schweiger und der böse (Ex-)Constantin-Boss. Ein bisschen glaub­würdig würden die Brief­ver­fasser erst sein, wenn sie ihre Freunde mit der gleichen mora­li­sie­renden Hybris angingen, nicht nur die, die sie schon immer nicht leiden konnten.

Schließ­lich und vor allem wird in dem Schreiben die eigent­lich poli­ti­sche Debatte um Film­po­litik, die Rolle der Constantin und manches mehr, und die sozi­al­po­li­ti­sche Debatte um arbeits­recht­liche Themen, in ein diffuses Moral-Bashing verwan­delt und in eine von persön­li­chem Ressen­ti­ment befeuerte Neid­de­batte, die vor allem die Unter­zeichner schwach und albern aussehen lässt. Das Resultat ist mindes­tens Moral­be­triebs­blind­heit.

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Nochmal: Man darf Personen und ganz bestimmt die Constantin kriti­sieren. Aber man hat mit Martin Mosz­ko­wicz und Til Schweiger auch zwei allzu leichte Opfer – denn unter den selbst­er­nannten Verwesern der Filmkunst hatten beide noch nie Fürspre­cher. Die Erwähnung des Schweiger-Sets im Zusam­men­hang mit dem Preis für das Mosz­ko­wicz-Lebens­werk wie auch die Nennung der Dotierung in Verbin­dung mit dem Jahres­ge­halt von Film­schaf­fenden haben den deut­li­chen Beige­schmack von unan­ge­nehmer, moralisch ummän­telter Missgunst.

Es fehlt dagegen komplett die Groß­zü­gig­keit und die Toleranz, die geboten wäre und von vielen an anderer Stelle gern einge­for­dert wird.

Man wünschte sich ein anderes Niveau für solche Debatten; weniger klein­ka­riert und klein­geistig.

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Immerhin schön an diesem Zwer­gen­auf­stand ist, dass ich jetzt ein paar der Verbände kenne, deren Existenz ich nicht einmal vermutet hätte. Ich werde ihre Namen bestimmt nicht lange behalten, aber so habe ich sie jetzt mal gelesen.

Offen­le­gung:
Auch mein eigener Verband, der sonst oft hoch­ge­schätzte »Verband der deutschen Film­kritik«, hat den Brief nicht verfasst, aber mitun­ter­zeichnet, jeden­falls »der Vorstand«, und nur der im ursprüng­li­chen Brief, der von den meisten Medien miss­achtet wurde.
Ausdrück­lich nicht unter­zeichnet hat der Beirat, dem ich selbst angehöre.
Dieser Beitrag gibt allein meine persön­liche Ansicht wieder.