Der Riese und die Zwerge |
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Martin Moszkowicz | ||
(Foto: Mathias Bothor, CC BY-SA 4.0) |
»Maulwurfshügel freigeben, wenn Zwerge sich vergrößern wollen« – das schrieb zwar Gottfried Benn, aber nicht immer ist das auch ein guter Ratschlag fürs Leben. Manchmal handelt es sich eben gar nicht um Maulwurfshügel; und manchmal muss man den Zwergenaufstand auch kontern, schon aus Prinzip. So zum Beispiel in diesem Fall.
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Am 25. Januar wurde bekanntgegeben, dass der diesjährige »Carl Laemmle Produzentenpreis«, benannt nach dem deutschen Emigranten und Gründer der »Universal-Studios«, Carl Laemmle (1867-1939), an den Münchner Produzenten Martin Moszkowicz verliehen wird. Die Preisverleihung findet heute statt. Dies ist ein Preis für das Lebenswerk von Moszkowicz und als solcher hochverdient. Man möchte Moszkowicz uneingeschränkt herzlich gratulieren zu dieser verdienten Auszeichnung.
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Viereinhalb Monate später geben sich 16 Verbände von selbsternannten »Filmschaffenden« (u.a. Filmkritiker, Beleuchter, »Green Consultants«, Filmtonfrauen, aber auch Lobbyisten für Fairness, Quoten und Vielfalt im Film) große Mühe, dem Preisträger diese Auszeichnung zu verderben und selbst dabei mediale Mitnahmeeffekte zu erzielen.
Begründung: Nicht das Lebenswerk, auch nicht das politische Engagement des Preisträgers, sondern die Tatsache, dass Moszkowicz als Executive Producer für die Produktion Manta Manta – Zwoter Teil verantwortlich war. Angeblich wurden bei deren Dreharbeiten Arbeitsschutzregelungen verletzt und Crewmitglieder massiven Übergriffen durch die Regie (Til Schweiger) ausgesetzt. Angeblich hat Moszkowicz davon gewusst und »seine Pflichten verletzt«.
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Es ist nichts weniger als ein ehrabschneiderischer Text, der an diesem Montag veröffentlicht wurde, in diffusem Gefühlsdeutsch, vor allem moralisierend, der vor sich hin raunt, um dann doch die »Haltung« des Preisträgers infrage zu stellen. Und bezeichnenderweise auf den Websiten vieler unterzeichnender Organisationen noch nicht online gestellt wurde – offenbar schämt man sich zumindest ein bisschen. Zu Recht!
Und der zu Recht durchaus heftige Reaktionen erhielt.
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Zu nennen ist hier wieder mal Lars Henrik Gass, der in einem Gastbeitrag auf »Blickpunkt Film« detailliert Stellung nimmt und die grundsätzliche, gesellschaftliche Dimension der Argumentation der Verbände klar benennt: »Je politisch wirkungsloser die Filmverbände agieren, desto lauter treten sie auf in korporativem Beharrungsvermögen. Das Auftreten erweckt den Eindruck von Gewicht, das man faktisch nicht hat. ... Besonders unangenehm wird dieser Offene Brief ... weil gesellschaftliche virulente Ressentiments ungebremst durchgeleitet werden, also Großerzählungen über Macht, Vorwürfe wie 'Machtmissbrauch' oder die Begünstigung von 'toxischen Arbeitsbedingungen'.«
Weniger klug äußert sich Björn Böhning im Deutschlandfunk: »16 Kleinstverbände«, sagt Böhning so arrogant wie größtenteils zutreffend. Man möchte das trotzdem gern mit der Anmerkung kontern, dass er vielleicht selbst eher ein Kleinstfunktionär ist und ein gescheiterter Polit-Karrierist.
Zumindest muss man anmerken, dass das Urteil für den Regieverband nicht zutrifft.
Schon eher Recht hat er, wenn er dem Brief abspricht, dass sie »die Filmschaffenden in Deutschland« repräsentieren.
Der Sache tut aber auch diese Feststellung keinen Gefallen, denn die Zahl der Anhänger ist kein Argument. Und die »Produktionsallianz« hat zahlenmäßig sehr wenig Mitglieder.
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Die wirklichen Probleme des Schreibens der 16 Verbände liegen woanders:
- Es wird aus dem falschen Anlass formuliert, ein Jahr nach dem angeblichen »Fall Schweiger«, zu einer Preisverleihung für ein Lebenswerk.
Es arbeitet sich am falschen Objekt ab: Martin Moszkowicz ist ein ehemaliger CEU, nicht ein amtierender. So greift man nicht die Macht an, sondern die abgetretene Macht, die einem persönlich nicht mehr schaden kann. Auch andere haben das öffentlich bemerkt,
wobei man den Regieverband wie dem »Verband der deutschen Filmkritik« nicht vorwerfen kann, sie hätten Moszkowicz nicht auch früher öffentlich kritisiert.
- Es kommt gleich dreifach zum falschen Zeitpunkt: viel zu spät nach der Causa Schweiger, über vier Monate nach der Preisbekanntgabe, und drei Tage vor Preisverleihung, also gar nicht auch nur in der Erwartung einer Wirkung – sondern allein um mediale Mitnahmeeffekte zu erzielen.
- der Preis und der Schweiger-Fall
werden instrumentalisiert, um eine angebliche »Fairness« (darüber könnte man auch noch lange reden) zu promoten.
- für die Schweiger-Set-Vorkommnisse sind allein die Gerichte zuständig, bestimmt aber keine öffentlichen Vorverurteilungen per Moral-Pranger.
- zugrunde liegt letztlich der reine Neid: Der böse Schweiger und der böse (Ex-)Constantin-Boss. Ein bisschen glaubwürdig würden die Briefverfasser erst sein, wenn sie ihre Freunde mit der gleichen moralisierenden Hybris
angingen, nicht nur die, die sie schon immer nicht leiden konnten.
Schließlich und vor allem wird in dem Schreiben die eigentlich politische Debatte um Filmpolitik, die Rolle der Constantin und manches mehr, und die sozialpolitische Debatte um arbeitsrechtliche Themen, in ein diffuses Moral-Bashing verwandelt und in eine von persönlichem Ressentiment befeuerte Neiddebatte, die vor allem die Unterzeichner schwach und albern aussehen lässt. Das Resultat ist mindestens Moralbetriebsblindheit.
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Nochmal: Man darf Personen und ganz bestimmt die Constantin kritisieren. Aber man hat mit Martin Moszkowicz und Til Schweiger auch zwei allzu leichte Opfer – denn unter den selbsternannten Verwesern der Filmkunst hatten beide noch nie Fürsprecher. Die Erwähnung des Schweiger-Sets im Zusammenhang mit dem Preis für das Moszkowicz-Lebenswerk wie auch die Nennung der Dotierung in Verbindung mit dem Jahresgehalt von Filmschaffenden haben den deutlichen Beigeschmack von unangenehmer, moralisch ummäntelter Missgunst.
Es fehlt dagegen komplett die Großzügigkeit und die Toleranz, die geboten wäre und von vielen an anderer Stelle gern eingefordert wird.
Man wünschte sich ein anderes Niveau für solche Debatten; weniger kleinkariert und kleingeistig.
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Immerhin schön an diesem Zwergenaufstand ist, dass ich jetzt ein paar der Verbände kenne, deren Existenz ich nicht einmal vermutet hätte. Ich werde ihre Namen bestimmt nicht lange behalten, aber so habe ich sie jetzt mal gelesen.
Offenlegung:
Auch mein eigener Verband, der sonst oft hochgeschätzte »Verband der deutschen Filmkritik«, hat den Brief nicht verfasst, aber mitunterzeichnet, jedenfalls »der Vorstand«, und nur der im ursprünglichen Brief, der von den meisten Medien missachtet wurde.
Ausdrücklich nicht unterzeichnet hat der Beirat, dem ich selbst angehöre.
Dieser Beitrag gibt allein meine persönliche Ansicht wieder.