Cinema Moralia – Folge 326
Nichts wird besser |
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Assaf Lapids The Return From The Other Planet | ||
(Foto: Jewish Film Institute) |
»As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart.«
– aus: Jubilee; Derek Jarman (1978)
n.b.k. – das steht für Neuer Berliner Kunstverein. In der kleinen, aber feinen Berliner Institution in der Chauseestraße findet seit dem Wochenende eine umfangreiche Schau zum Werk von Thomas Arslan statt. Dieses Werk besteht außer aus den Filmen im Zentrum – die parallel zum n.b.k. komplett im Berliner »Arsenal« gezeigt werden – auch aus Vorbereitungsarbeiten, Photos, Storyboards.
Ganz besonders geht es den Kuratoren um das Berlin-Porträt, das Arslans Filme unter der Hand entwerfen. Denn Arslan, der im Ruhrgebiet aufwuchs, lebt seit 1980 in Berlin. Seine Filme spielen sehr oft in der Hauptstadt und sie durchwandern wie ihre
Figuren die Metropole. Jetzt, im Rückblick auf über 30 Jahre Filmemachen, schaut man hier auch der Verwandlung dieser einzigartigen, in den Neunziger Jahren (in denen Arslans dffb-Kurzfilme entstanden) noch geteilten und produktiv versehrten Stadt in ein globales Hipster-Paradies und Touristendienstleistungszentrum zu.
Man sieht in diesen Filmen die Leere, die räumliche Freiheit, die Berlin einmal ausgezeichnet hat. Es war eine Stadt ohne Touristenmassen, ohne Hostels und ohne
Fanmeilen. Das Berlin von Arslans »Berlin-Trilogie« ist längst untergegangen.
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»Quasi flanierend kann der Besucher mit einem Kopfhörer versehen von Screen zu Screen wandern, ohne unterbrochen zu werden. Er folgt so den einzelnen Film-Figuren bei ihren Bewegungen durch den (städtischen) Raum, begleitet – quasi wie ein sich mitbewegender Beobachter – das Geschehen. Die Szenen vermitteln eindrucksvoll, wie sich Berlin über die letzten Jahrzehnte verändert hat, wie sich Räume durch den Verkehr, aber auch durch die Masse an Menschen massiv verdichtet
haben.«
(Daniela Kloock)
Ausstellungsdauer: 8.6. – 4.8.2024
Neuer Berliner Kunstverein
Chausseestrasse 128/129
10115 Berlin
www.nbk.org
Filmschau im Arsenal ebenfalls bis zum 4.8.2024
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In einem langen Gespräch mit der »Berliner Zeitung« erzählt Arslan jetzt, wie sich Berlin in den Jahrzehnten zum Schlechteren verändert hat:
»Wir haben hier schon eine ziemlich krasse ökonomische Verschiebung. Die Mieten sind zu hoch, Leute ziehen weg, weil sie sich die Wohnungen nicht mehr leisten können. Früher war hier eine gewisse Energie spürbar, weil eben eine andere Form der Existenz möglich war. Berlin wird für große Teile der Bevölkerung zunehmend eine eher abweisende Metropole.«
Das Berlin der Gegenwart sieht er vor allem durch den Verlust der Vergangenheit und durch einen ästhetischen Niedergang gekennzeichnet:
»Was heute in Berlin gebaut wird, ist leider größtenteils nicht sehr interessant. Das ist so eine Einheitsware, diese Eigentumsklötze, die alle gleich aussehen, wie von der Stange. Da haben sie sich in den 1990er-Jahren schon noch mehr Mühe gegeben, also die Gebäude von der IBA zum Beispiel, der Internationalen Bauausstellung, die im 'Schönen Tag' explizit eine Rolle spielen.
'Der schöne Tag' zeigt zum Teil Orte, wo man sich gern aufhält, Orte, die man nicht durcheilt. Und so
etwas hat sich in Berlin städteplanerisch schon sehr verändert. Plätze werden mittlerweile so gestaltet, dass die Leute sich da nicht lange aufhalten sollen, unter anderem auch aus kontrolltechnischen Gründen.«
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Eröffnet wurde jetzt das Jüdische Filmfestival Berlin und Brandenburg, das in sein 30. Jahr geht. Rund 70. Filme werden gezeigt, und klarerweise kann man auf das Programm in diesem Jahr nicht blicken, ohne an antisemitische Ausschreitungen in Deutschland, und hier gerade in Berlin zu denken.
Der Film The Return From The Other Planet von Assaf Lapid erzählt von Yehiel Feiner, 1909 geboren, der zwei Jahre in Auschwitz überlebte und als Schriftsteller mit dem Roman »Das Haus der Puppen« weltbekannt geworden ist. Im Zentrum steht Feiners Umgang mit seinen traumatischen Erfahrungen.
Die Traumatisierungen aber sind allgemein. Kaum eine jüdische oder israelische Familie ist davon frei.
»Was geschieht, wenn neue Schocks in die langwierigen Heilungsprozesse einbrechen?!«, fragt der Filmexperte Claus Loeser in der Berliner Zeitung und stellt den aktuellsten Film des Festivals vor: Supernova – The Music Festival Massacre
»Yossi Bloch und Duki Dror führten für ihre TV-Dokumentation Gespräche mit Überlebenden der am 7. Oktober von der Hamas gestürmten Techno-Party. Von den rund 4000 Besuchern des Festivals wurden damals mindestens 364 getötet: junge, feierfreudige Leute, technisches Personal, Sicherheitskräfte. Mehr als 40 Gäste gerieten in Geiselhaft.
Die Filmemacher bauen eine Collage aus Splittern und Scherben. Sie greifen dabei auch auf Videoaufnahmen aus Mobiltelefonen zurück
– sowohl von Gästen des Festivals, als auch auf solche ihrer Mörder. Das ist teilweise kaum auszuhalten. Trotz der nicht ohne Fernsehkonventionen auskommenden Machart der Doku vermittelt sich die entfesselte Gewalt unmittelbar, führt unsere Komfortzone ad absurdum. Dieser Film wäre auf dem Campus der Humboldt-Universität gut aufgehoben.«
Auf jedem Campus, wäre zu ergänzen.
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Das Bundeskabinett hat den von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vorgelegten Entwurf zum neuen Filmförderungsgesetz (FFG) beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht viel Organisatorisches vor, Steuererleichterungen und ein paar Automatisierungen von Förderverfahren, aber an Kunst, Kunstfreiheit und Bedingungen von Kreativität wird kein einziger ernsthafter Gedanke verschwendet.
Die dem Gesetz eingeschriebene Investitionsverpflichtung in
deutsche Filme für Sender und Streamingdienste von zwanzig Prozent der in Deutschland erzielten Umsätze gefällt vielen Filmemachern, ist aber auf Länderförderebene und bei den vorgesehenen Einzahlern umstritten. Bisher hat sich Roth mit den Betroffenen nicht geeinigt.
Ebenso stehen die vorgesehenen Steueranreize in ihrer praktischen Umsetzung noch in den Sternen. Der Bund bedient sich hier nämlich bei Geld (Körperschaftsteuer), das den Ländern zusteht – ein allzu
simpler Trick, mit dem Roth nicht durchkommen wird.
Komplett vergessen hat sie in ihrem Entwurf schließlich Filmverleiher und Kinos. Die Filmbildung auch. Schließlich ist unklar, wie die kulturelle Filmförderung, die Roth zur Filmförderungsanstalt (FFA) übertragen will, eigentlich praktisch vergeben werden.
Wenn es schlecht läuft, könnte Roth immerhin in die Geschichte der deutschen Kulturpolitik eingehen – als Totengräberin der deutschen Filmförderung.
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Die bekannten Hauptprobleme bleiben ungelöst: Alles ist zu kompliziert, zu kleinteilig, zu bürokratisch. Wirtschaft und Kultur werden vermischt, statt zu begreifen, dass beides nach verschiedenen Gesetzen funktioniert. Die Vielzahl, das Durcheinander und die Undurchsichtigkeit der Gremien, das den Wolpertinger des »deutschen Gremienfilms« (Edgar Reitz) entstehen lässt. Es gibt kaum ästhetische Experimente. Kino muss sich an vermeintliche »kommerzielle Spielregeln«
halten, die aber einen überholten Stand widerspiegeln. Die Strukturen der Filmförderung sind lahm und überbürokratisiert.
Es fehlt der deutschen Filmförderung an Vertrauen in die Künstler. Sie degradiert die Beteiligten zu Bittstellern.
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Wer sich immer noch über die Ministerin, ihre Überforderung und Unfähigkeit zu guter Politik wundert, und wem die Erklärung nicht ausreicht, dass das einfach an der – nicht nur kulturpolitischen – Realitätsferne und dem Dogmatismus der »Grünen« liegt, dem empfehle ich, in der FAZ den herrlichen Text von Claudius Seidl mit dem Titel »Die schon wieder!« zu lesen (FAZ 08.06.2024).
Seidl erklärt, warum Roth »nicht aus der Defensive« kommt. In seinem Text steht vieles. Unter anderem:
»Claudia Roth hat einen schweren Stand im Kulturbetrieb. Das zeigt sich auch Anfang Mai beim Deutschen Filmpreis. Die Gäste stehen zusammen, plaudern: Claudia Roth? – Ich mag sie nicht, ich glaub ihr nichts, sie ist mir zu laut, sie geht mir auf den Wecker. So ist die Stimmung im eher linksliberalen Publikum, das ihr später, nach ihrem Grußwort, zujubeln wird, weil sie verspricht, die dringend nötige Reform der Filmförderung zu einem guten Ende zu bringen. Zuvor hat sie allerdings, mal wieder, die Kraft des Kinos schlechthin beschworen – und offenbar sind auch die Filmleute feinfühlig genug zu spüren, dass damit alles und nichts gesagt ist.«
Und weiter:
»Haben Sie etwas gegen eine Kunst, die sich den guten Absichten verweigert? Die einzelgängerisch, unverständlich, böse, provokant, hässlich und radikal unversöhnt mit der Gesellschaft ist? Das ist die Frage, die man ihr nach solchen Abenden zumuten muss. Dass sie mit 'Nein, natürlich nicht' antwortet; dass sie mit der gleichen Emphase, mit der sie eben noch die Kunst in Haft genommen hat für die Heilung der Gesellschaft, jetzt deren absolute Freiheit beschwört, ist womöglich eines ihrer Probleme.«
Schließlich schreibt Seidl noch, dass Roths »leidenschaftliches Einrennen offener Türen selbst Sympathisanten pompös erscheint und auf den Wecker geht«: »Bis heute kann sie den Antisemitismus nicht verurteilen, ohne gleich die Verurteilung des Rassismus und jeder gruppenbezogenen Menschlichkeit hinterherzuschieben. Politik ist aber etwas anderes.«
Damit ist alles über eine Kulturstaatsministerin gesagt, die wir hoffentlich nur noch ein Jahr und zwei Sommerpausen lang überstehen müssen.