41. Filmfest München 2024
Aus Kind wird Kindl |
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Der Siegerfilm: Lars ist LOL... | ||
(Foto: 41. Filmfest München) |
Von Christel Strobel
Während das Filmfest München heuer mit neuer Leitung startet, bieten Tobias Krell, Tobias Obermeier dem Kinonachwuchs bereits im vierten Jahr eine Auswahl an anspruchsvollen Kinder- und Jugendfilmen. Neu ist aber der Titel, der von »Kinderfilmfest« zu »CineKindl« mutiert ist. Mit dem neuen Namen soll deutlich werden, dass es eine Wettbewerbs-Sektion vom Filmfest München ist, wo ebenfalls neue Titel eingeführt wurden (»Wettbewerb CineCoPro«, … CineMasters, …CineVision, … CineRebels etc). Der neue Name CineKindl soll also keine Verniedlichung für die Kinderecke sein, man kann es eher als Lokalkolorit (»Münchner Kindl«) betrachten.
Das Filmprogramm selbst widerlegte solche Befürchtungen, und bereits der Auftaktfilm Sisterqueens von Clara Stella Hüneke (D 2024, FSK 6, empfohlen ab 10 J.) war dafür ein Beispiel: Im Berliner Stadtteil Wedding nehmen die Freundinnen Jamila, (9 J.), Rachel (11 J.) und Fasehaa (12 J.) an einem Rap-Projekt teil, die Projektleiterin lehrt sie aber auch, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen und Ungerechtigkeiten anzuprangern. Allerdings stellte sich hier manchmal die Frage, ob dies nicht zu stark der Wille der Projektleiterin war. Sisterqueens ist auch Hünekes Diplomfilm, der von der »Young Jury« (fünf junge Erwachsene aus München) den »Young Jury Award« bekam.
Vom Berliner Wedding der Gegenwart geht es in eine kalifornische Vorstadt im Jahr 2008 im turbulenten Langfilm-Debüt DÌDI von Sean Wang (USA 2024, 84 Min., FSK ab 6 beantragt, empfohlen ab 11) . Schauplatz dieses Films ist eine kalifornische Vorstadt im Jahr 2008: Der letzte Sommermonat vor Beginn der High School ist für den 13-jährigen Chris mit einigen Herausforderungen verbunden, denn zuhause hat er ständig Krach mit seiner vier Jahre älteren
Schwester, während seine bei ihnen wohnende, fidele Großmutter nicht gut auf ihre Tochter – Chris' Mutter – zu sprechen ist. So kommt es immer wieder ganz unvermittelt zum lautstarken und derben Streit. Draußen muss Chris sich bei den „cool kids“ behaupten, dazu kommt der (Online-)Flirt mit einer Schulkameradin, der ihm Ärger bringt und den er natürlich umgehen möchte.
Das beeindruckende Langfilmdebüt des Oscar-nominierten Regisseurs Sean Wang ist ein
rasanter, manchmal geradezu grober, dennoch insgesamt witziger wie berührender Coming-of-Age-Film. DIDI ist aber auch eine persönliche Ode an die eigene Mutter und die unbeschwerten Anfangstage der sozialen Medien. Sean Wang studierte an der University of Southern California und nahm an einer Reihe von Programmen des Sundance Instituts teil. Sein dokumentarischer Kurzfilm Nǎi nai & wài pó erhielt auf dem South by Southwest Festival 2023 den Großen
Preis der Jury und den Publikumspreis und war 2024 für einen Oscar nominiert. Sein Langfilm-Debüt DÌDI feierte in Sundance Premiere und erhielt dort den Publikumspreis in der Sektion US Dramatic.
Der Film Durch Felsen Und Wolken von Franco Garcia Bacerra (Peru / Chile 2024, 83 Min., FSK ab 6 beantragt, empfohlen ab 7) ist in den peruanischen Anden entstanden und beginnt mit geradezu überwältigenden Aufnahmen vom schneebedeckten Hochgebirgs-Panorama. Hier, in einem Dorf im Hochland, lebt der achtjährige Feliciano mit seinen Eltern. Er führt – begleitet von seinem Hund Rambo – die Alpaca-Herde auf die Weide. Ronaldo, ein putziges weißes Alpaca aus der Herde, und der schwarze Rambo sind seine engsten Freunde. Es ist die Zeit der WM-Qualifikationsspiele der peruanischen Fußball-Nationalmannschaft und Feliciano unterhält seine beiden Freunde mit den neuesten Meldungen aus dem Transistorradio… Doch das friedliche Leben der Dorfbewohner wird durch Aktivitäten eines Bergwerkunternehmens bedroht, schließlich ist sogar Rambo verschwunden, und auch Felicianos Lieblings-Alpaka. In dieser bedrohlichen Lage schließt sich die Dorfgemeinschaft zusammen. Ein Film mit hohem »Schauwert« und einer aktuellen Botschaft.
Aus Frankreich, dem Land, aus dem schon viele originelle, stilsichere und auch für ein jüngeres Publikum geeignete Animationsfilme gekommen sind, war auch hier wieder ein ganz besonderes Beispiel zu sehen: Sirocco Und Das Königreich Der Winde von Benoit Chieux (80 Min., FSK: 6 beantragt, empfohlen ab 7). – Juliette und Carmen, zwei Schwestern, die in gleicher Weise unerschrocken und belesen sind, entdecken zufällig einen Zugang zur fantastischen Welt ihres Lieblingsbuchs »Das Königreich der Winde«. Auf einmal in Katzen verwandelt, müssen sie ihren Mut zusammennehmen, um wieder zusammen zu kommen. Die fliegende Sängerin Selma hilft ihnen mit ihrer melodischen Stimme – und diese wunderbare Melodie klingt auch in der Berichterstatterin noch nach…
Mit Edge Of Summer von Lucy Cohen (United Kingdom 2024, 98 Min., FSK und empfohlen ab 12) war ein ganz feinfühliger Film über zwei Elfjährige . Evie und Adam lernen sich in den Ferien an der englischen Küste kennen und gemeinsam erkunden sie die eindrucksvolle Landschaft jenseits der idyllischen Küstenstadt. Als sie eine stillgelegte Zinnmine entdecken, tauchen viele Fragen auf, die zu geheimnisvollen und auch düsteren Vorgängen führen. Sensibel und mit großartigen Aufnahmen zeichnet Lucy Cohen (Buch und Regie) in ihrem zweiten Langfilm ein Coming of Age der besonderen Art. Dieser Film war auch Bestandteil der Independent-Reihe.
Für die Freunde des Kurzfilms wurde unter dem Titel »Kurzes für Kleine« ein Programm mit fünf Kurzfilmen (3 Realfilme und 2 Animationsfilme) präsentiert.
Der Preisträger des »CineKindl-Awards« heißt Lars Ist Lol und ist der Debütfilm von Eirik Sæter Stordahl (Norwegen 2023, FSK 6 beantragt, empfohlen ab 8 J.)
»Als Amanda nach den Sommerferien in die Schule zurückkommt, soll sie sich als Mentorin um den neuen Mitschüler Lars kümmern. Er hat das
Down-Syndrom und Amanda fürchtet, dass er sie blamieren wird; stattdessen entsteht zwischen ihnen eine besondere Freundschaft. Die gerät in Gefahr, als sie von ihren – falschen – Freundinnen gedrängt wird, die Freundschaft zu Lars aufzugeben. Dieser Film bewegt die Gemüter, man versteht den Konflikt, der Amanda hin- und hertreibt, und das ist sehr emotional dargestellt, bis es endlich versöhnlich für die beiden endet.«
Der 2022 erstmalig verliehene Preis ist mit 2.500
€ dotiert und wird von megaherz gestiftet. Die dreiköpfige Jury, die den Gewinnerfilm gewählt hat, bestand dieses Jahr aus der Drehbuchautorin und Schauspielerin Jytte-Merle Böhrnsen, dem Produzenten Philipp Budweg und der Regisseurin Barbara Kronenberg.
Zum großen Besucher-Erfolg hatte nicht zuletzt Tobias Krell, als Checker Tobi im ganzen Land bekannt, wieder ganz wesentlich beigetragen. Seine Popularität ist immer wieder sagenhaft. Einen Unterschied gibt es aber – ganz klar zwischen Schulvorführungen und den Vorführungen mit ausschließlich privatem Publikum, wie z.B. am letzten Tag des Festivals, einem Samstag. Während bei größtenteils ausgebuchten Schulvorführungen anfangs eine fast hysterisch anmutende Stimmung im Saal herrscht und
frenetischer Jubel ausbricht, wenn »Checker Tobi« auf die Bühne kommt, was ein Einführungsgespräch erschwert, aber – wie auch das Gespräch nach dem Film – selbstverständlich durchgeführt wird, so ist es bei den Vorstellungen mit ausschließlich »privatem Publikum ›wesentlich konzentrierter, was eine fundierte Kommunikation vor und nach der Filmvorführung möglich macht
Alles in allem ist »CineKindl« mit der gegenwärtigen Besetzung sehr gut aufgestellt
– und das freut die »Kinderfilmfest-Gründer/innen«…‹«