15.08.2024
Cinema Moralia – Folge 331

»Mind your own damn business!!«

Seed of a Sacred Fig
Wirklich der »deutsche« Beitrag für die kommenden Oscars? – The Seed of the Sacred Fig
(Foto: Filmfestspiele Cannes · Mohammad Rasoulof)

Große Freiheit, großes Kino: Die US-Wahlkampf-Show, die Olympiade, das Moralspektakel, deutsche Oscar-Kandidaten, sogar die deutsche Filmkritik. Im medialen Panoptikum ist alles Kino – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 331. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Der Film sofern er Kunst ist, ist Bildkunst. Die Bilder­sprache, die rhyth­mi­sierte Optik, die ihre eigenen Formen und Form­ge­setze schuf, unter­scheiden ihn von allen anderen Künsten, von Epik, Theater und Oper. Er wird immer versagen oder doch selbst in Glücks­fällen zweiten Ranges sein, wo er andere Kunst­formen imitiert oder als Ersatz für andere Künste auftritt.«
Gunter Groll, Film­kri­tiker, 1953

»Ich mag’s, wenn sich die Wut entfacht/ Und ich mag deine Zauber­macht
Ich mag die Tiere nachts im Wald/ Wenn sie flüstern dass es schallt
Ich mag den Weg, ich mag das Ziel/ Den Exzess, das Selbst­exil
Ich mag erschau­dern und nicht zu knapp/ Ich gebe jedem etwas ab
All das mag ich/ Aber hier leben, nein danke«

Toco­tronic

Jetzt wird es lustig! Pünktlich zum Ende des Olympia- und EM-Sommers nimmt die US-ameri­ka­ni­sche Wahl­kampf­show langsam Fahrt auf, und seit den letzten Wochen verspricht sie eine Show zu werden, die uner­wartet viel Spaß macht. Die nächsten Monate werden zu einer großen Show gerade auch für uns Europäer. Denn sie zeigen uns, wie Politik sein kann, nicht nur in ihren Tief­punkten, für die Donald Trump steht, sondern auch in ihren Höhen, für die viel­leicht Tim Walz stehen kann. Sie zeigen uns, wie Politik sein muss, was für groß­ar­tige Reden man halten kann, wenn man nur will und nicht immer mit verknif­fener Grund­hal­tung und der Moral­keule in der Hinter­hand auf die ästhe­ti­schen Seiten der Politik blickt – so, wie es leider sehr oft in Deutsch­land geschieht.

Tim Walz ist der uner­war­tete, jetzt schon nicht mehr wegzu­den­kende »Running-Mate« der demo­kra­ti­schen Präsi­dent­schafts­kan­di­datin Kamala Harris. Er hat hoch­gra­digen Unter­hal­tungs­wert, nicht nur weil er manche wie mich an »Fossi Bär« oder an den Trainer aus der Serie »Die Bären sind los« erinnert. Sondern weil er etwas zu sagen hat, und weil er es schön und gut formu­liert zu sagen hat.
Ein Beispiel für das, was ich meine, ist dieser Ausschnitt aus seiner Rede in diesem NBC-Beitrag, in dem der Kommen­tator übrigens nicht zufällig US-Präsident Joe Biden als »Executive Producer« der ganzen Show bezeichnet (0.35min).

Kurz darauf, ab Minute 5.02 beginnt ein längerer Abschnitt (bis ca 9.00), den sich unbedingt bitte alle Leser anschauen sollten, weil er das eigent­liche Leitmotiv des kommenden Wahl­kampfs heraus­ar­beitet, und das wich­tigste poli­ti­sche Thema des 21. Jahr­hun­derts: Freiheit! Freiheit!! Freiheit von Eingriffen aller Art. Von Regu­lie­rungen aller Art, sofern sie Hand­lungs­frei­heit beschneiden. Sie muss nicht nur ameri­ka­ni­sche und europäi­sche Bürger, sie muss auch uns, Film­künst­lern und Film­kri­ti­kern, ein essen­ti­elles Anliegen sein. Die Frage der Freiheit ist die Wasser­scheide zwischen Demo­kraten und Auto­ri­tären.
»Mind your own damn business« ist der Ausdruck dieser Freiheit. Lasst die Leute mit Eingriffen in Ruhe!

+ + +

Das gilt auch für uns. Es sollte sich keiner täuschen: Es hat mit uns zu tun. Denn hier wird vorge­führt und unmiss­ver­s­tänd­lich klar­ge­macht: Das heißt Freiheit.
Freiheit bedeutet, dass Filme­ma­cher die Filme machen dürfen, die sie machen wollen, ohne dass ihnen Redak­teure und Film­för­derer rein­quat­schen.
Dass sie nach ihren Ergeb­nissen bewertet werden, ästhe­tisch wie ökono­misch, nicht nach irgend­wel­chen Vorhaben und Plänen und schon gar nicht nach irgend­wel­chen Diver­si­täts­listen oder Sozi­al­ge­rech­tig­keits­listen oder irgend­wel­chen anderen Vorschriften, die letztlich nichts anderes tun, als künst­le­ri­sche Freiheit zunächst einmal einzu­schränken. Die nichts anderes tun, als die Hand­lungs­frei­heit von einzelnen Künstlern und Machern einzu­schränken. Egal mit was für guten Absichten und was für tollen Werten das gerecht­fer­tigt wird.

»Mind your own damn business« bedeutet auch, dass Film­kri­tiker schreiben können, was sie wollen – ohne Einschrän­kung. Dass sie auch über andere Menschen, Filme­ma­cher wie Film­kri­tiker offen und unver­blümt ihre Meinung sagen dürfen. Dass sie andere kriti­sieren dürfen, ohne auf irgend­welche Vorstel­lungen oder die Benimm­re­geln eines Herren- oder Damen­clubs Rücksicht zu nehmen. Oder auf Anzei­gen­kunden. Ohne dass irgend­welche Lobbys oder Verei­ni­gungen und deren imaginärer Corps­geist ihnen vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. »Mind your own damn business« bedeutet, dass Geld und Macht nicht mehr Frei­heiten haben, als andere. »Mind your own damn business!« bedeutet, dass Meinungs­frei­heit alles gilt und dass gesell­schaft­liche Gruppen nicht das Recht haben, Meinungs­frei­heit einzu­schränken, die Gesell­schaft zu verändern und in ihren Grund­festen zu erschüt­tern.

In einer freien Gesell­schaft muss es möglich sein, über Menschen unter ihrer Namens­nen­nung zu sagen: »This guy is creepy and just weird as hell!« Und dies gilt nicht nur für JD Vance, sondern es gilt selbst­ver­s­tänd­lich auch für manche Menschen, die Filme machen, für manche Menschen, die Film­fes­ti­vals leiten, und für manche Film­kri­tiker. Ich kenne welche!

+ + +

Selbst­ver­s­tänd­lich hat auch Kamala Harris ausge­spro­chenes Star-Potential und Show­qua­li­täten. Das zeigte etwa der gemein­same Wahl­kampf­auf­tritt in Arizona, der hier in Gänze zu sehen ist. Nach 20 Minuten ist sie dort zu sehen.
Es sei ein »fight for freedom«, der bevor­stehe.

+ + +

Tim Walz kennt übrigens offenbar auch den deutschen Film, vor allem Rainer Werner Fass­binder: »We'll sleep, when we are dead!« (11.00min) »Schlafen kann ich, wenn ich tot bin!«

+ + +

Alle Jahre wieder gibt es einen Oscar und davor eine Oscar-Einrei­chung, bei der die neun Weisen der (mögli­cher­weise tatsäch­lich) wich­tigsten neun deutschen Film­ver­bände ihre Ansicht darüber kundtun, welcher deutsche Film denn wohl die besten Chancen im kommenden Jahr haben dürfte.

Und so wird auch in diesem Jahr wieder ein deutscher Oscar-Teil­nehmer gesucht. »German Films« meldet hier die 13 Filme, die für die Abstim­mung in einer Woche einge­reicht wurden. Hoffent­lich ist die Zahl kein böses Omen. Manches Span­nendes ist darunter, auch manches, über das man sich nur wundern kann.

Was mich aller­dings wirklich erstaunt, ist bei allem Vers­tändnis dafür, wie Indus­trie­kino in Deutsch­land seit jeher funk­tio­niert, warum der neueste Film (The Seed of the Sacred Fig) des irani­schen Regis­seurs Mohammad Rasoulof, der aus poli­ti­schen Gründen in Deutsch­land lebt, nun plötzlich ein deutscher Film sein soll? Es handelt sich selbst­ver­s­tänd­lich um einen irani­schen Film. Er hat einen irani­schen Regisseur, iranische Darsteller, ein irani­sches (wenn auch irgendwie univer­sales) Thema, es wird Persisch gespro­chen – nichts ist hier deutsch, außer der Finan­zie­rung. Diese Finan­zie­rung ehrt die zustän­digen Film­för­derer und es ehrt die deutschen Steu­er­zahler, dass sie so etwas möglich machen.

Die Teil­nah­me­be­din­gungen der Oscar-Einrei­chung sind selbst­ver­s­tänd­lich öffent­lich. Wer will, kann sie hier nachlesen und überlegen, ob The Seed of the Sacred Fig hier hinein­passt.

+ + +

Aber auch wenn The Seed of the Sacred Fig produk­ti­ons­tech­nisch als »deutscher Film« durchgeht, dann darf man doch fragen: Wäre es das richtige Signal, wenn dieser Film den deutschen Film vertreten würde? Oder eine Ausrede, ein Armuts­zeugnis. Oder schlimmer noch: Ein Feigen­blatt? Stellen wir uns nur mal vor, der Film würde gewinnen? Würde Claudia Roth dann wieder eine ihrer Reden mit einem Lob des deutschen Films halten?
Ein Film eines irani­schen Dissi­denten, der außer dem Geld so gar nichts mit Deutsch­land zu tun hat, wäre natürlich genau der Film, der das reprä­sen­tiert, wie sich Deutsch­land im Ausland am liebsten zeigt. Jeden­falls das Deutsch­land der Film­funk­ti­onäre.

+ + +

»Das ist unge­schrie­bene Zensur« – bereits am 24.11.2022 hat die aus dem Iran stammende, in Deutsch­land lebende Regis­seurin Narges Kalhor, deren neuer Film Shahid gerade seit vorletzter Woche in den deutschen Kinos läuft, der »Mittel­baye­ri­schen Zeitung« ein Interview gegeben, in dem sie wohltuend unver­blümt über ihre Eindrücke und Erfah­rungen spricht, die sie hatte, als sie aus einem Land mit einer totalen Zensur in ein demo­kra­ti­sches Land kam. Sie sagt:
»Zuerst wurde mir klar, dass ich die meisten deutschen Filme – bis auf wenige Ausnahmen – richtig schwach und ober­fläch­lich finde. Ich habe mich gefragt, ob es keine guten Filme­ma­che­rinnen und Filme­ma­cher in diesem Land gibt. Später habe ich gemerkt, es gibt so viele talen­tierte Menschen, deren erste Filme wahn­sinnig toll und kreativ sind. ... Danach geht aber etwas kaputt. Alle machen das Gleiche, um finan­zi­elle Unter­s­tüt­zung und die großen Produk­ti­ons­firmen zu bekommen. Wer wirklich kreative Filme drehen will, schafft das nicht. Das ist unge­schrie­bene Zensur. Das kommt nicht von einer Person, sondern die deutsche Film­in­dus­trie ist eine gemein­same, ängst­liche Familie, die sich nicht traut, Neues auszu­pro­bieren. Das, was dann am Ende rauskommt, ist leider oft traurig und Geld­ver­schwen­dung. ... Dieje­nigen, die in der Kultur- und Filmszene an der Macht sind, halten die Menschen für dumm und behaupten, das Publikum würde sich nicht für Neues inter­es­sieren. Das ist falsch. Ich denke nicht, dass die Deutschen keinen Film­ge­schmack haben.«

Man muss diese Eindrücke nicht voll­kommen teilen, um fest­zu­stellen: Narges Kalhor hat einen Punkt!

+ + +

»Indessen: nicht immer liegt es an der Film­wirt­schaft. Auch die Film­kritik hat ihr Sünden­re­gister.«
- Gunter Groll

+ + +

Gunter Groll, zwischen 1945 und 1961 hoch­ge­ach­teter Film­kri­tiker der Süddeut­schen Zeitung, hat in seinem Buch »Magie des Films« von 1953, aus dem wir hier zitieren, auch der Film­kritik seiner Gegenwart die Leviten gelesen. Groll war Mitglied in der »Arbeits­ge­mein­schaft der Film­jour­na­listen e.V.«, der sich viel später in »Verband der deutschen Film­kritik« umbe­nannte und Mitglied in der Jury des »Preis der Film­kritik«. Er wusste also genau, wovon er redet, wenn er über Film­kritik redete. Und wenn er das tat, sprach Groll von Freiheit:

»Jede Kritik sei persön­liche Meinung. ›Doch besser, die Kritik hat die Freiheit selbst zum Irrtum, als keine Freiheit. Kritik hat viele Gefahren: des Irrtums, der Selbst­herr­lich­keit, des Miss­brauchs ihrer Mittel, der allzu verlet­zenden Schärfe und der allzu betu­li­chen Schwäche. Aber alle diese Gefahren sind geringer als die Gefahr der Unfrei­heit. Wenn persön­liche Meinungen, selbst irrige, nicht mehr geäußert werden dürfen, regiert die Angst.
Es wird immer gefähr­lich bleiben, in irgend­einem Sinne, seine Meinung zu sagen und niemanden zum Munde zu reden. Aber wer sich fürchtet ist kein Kritiker. Wo Kritik ist, ist Ausein­an­der­set­zung. Das ist nicht immer angenehm. Doch wo Kritik fehlt, breitet sich Stumpf­sinn aus. Das ist tödlich.‹«

+ + +

Natürlich war es der unver­ges­sene Michael Althen, der zum 80. Geburtstag von Gunter Groll in der Süddeut­schen schrieb. Sein ziemlich genau 30 Jahre alter SZ-Text vom 6. August 1994 endet mit folgender Passage: »Ab 1946 hat Gunter Groll in dieser Zeitung den Ton angegeben, und es gab in diesem Land keine Stimme, die sich mit ihm messen konnte. Auch dort, wo man nicht seiner Meinung ist, kann man lernen: Dass es keine Liebe zum Kino ohne Lust an der Sprache gibt. Die Tugenden, die er hinter Renoirs Bildern spürte, waren auch die seinen: ‚die Liebe, die Barm­her­zig­keit, die Gelas­sen­heit und die Heiter­keit'.«

+ + +

Die Olympiade in Paris, die, glaube ich, nicht nur für mich, eine ganz besondere war, ist leider zu Ende. Sie hätte ewig dauern können, jeden­falls nochmal 16 Tage. Über das Abschneiden der Deutschen im Medail­len­spiegel und überhaupt kann man streiten. Worüber man aber glaube ich, nicht streiten kann, das ist, was für ein groß­ar­tiges Fern­seh­fest Olympia gewesen ist.

Im medialen Panop­ticum kam das Fernsehen endlich einmal zu sich selbst. Fernsehen ist nämlich genau das – und nur das! – was während Olympia und zuvor bei der Fußball-Euro­pa­meis­ter­schaft stattfand: Ein mediales Panop­tikum auf zehn Bild­schirmen, gleich­zei­tige Live-Erleb­nisse eines Ereig­nisses, in Echtzeit mitein­ander verbunden auf einem Display und dort ergänzt durch über weitere 100 Bild­schirme, die die Wieder­ho­lung bereits beendeter Über­tra­gungen im Live-Modus ermög­li­chen.
Dazu ein weiterer Bild­schirm, der das Sendebild des linearen Fern­se­hens überträgt, auf dem das alles zusam­men­ge­führt wird, aber jederzeit von uns Zuschauen nach persön­li­cher Vorliebe ausein­an­der­ge­führt werden kann. Nichts anderes, nur das ist Fernsehen!

+ + +

Alles andere ist Mediathek, es ist Streaming und es sind entweder schlechte, also inhal­tis­ti­sche und illus­tra­tive Filme oder es sind Filme, die gut sind und die man daher besser im Kino ansieht.

In Sport­groß­ereig­nissen wie den Fußball­eu­ro­pa­meis­ter­schaften und jetzt den Olym­pi­schen Spielen aber kommt Fernsehen einmal wirklich zu sich selbst. Hier lohnen sich die Gebüh­ren­gelder!

Echtes Fernsehen ist nur da, wo es live ist – eben fernes Sehen ermög­licht: Jetzt und hier zumindest als Augen­zeuge und Beob­achter teilhaben an etwas, das gerade geschieht. Das Unvor­her­ge­se­hene sehen. Fernsehen ist, wo es wirklich Fernsehen ist, immer Live­schal­tung, ist immer das Unvor­her­ge­se­hene.
Darum sind diese soge­nannten »Stern­stunden« des Fern­se­hens oft Unglücke, Unfälle, Kata­stro­phen, Attentate, Kriege; auch noch gele­gent­lich Demons­tra­tionen, Parla­ments­de­batten, die aus dem Ruder geraten, in seltenen Fällen eine Show oder eine Talkrunde, aber auch nur dann, wenn Wirk­lich­keit sich ausnahms­weise gegen den vorge­ge­benen Rahmen durch­setzen, wenn Momente der Echtheit und Wahr­haf­tig­keit sich gegen das Script behaupten.

Sport hat trotz allem letztlich kein Script. Die Sport­groß­ereig­nisse sind – wie auch sonst Sport oft die Fort­set­zung des Krieges mit anderen Mitteln ist – die gebän­digten Kata­stro­phen und Konflikte, die zum Abenteuer mutierten, ihr positiver Spiegel.

+ + +

Was ebenfalls zu Olympia im Fernsehen gehört: Der Jahrmarkt, den man einst im Kino finden konnte, heute leider allzu selten. Während man sich als zahlender Zuschauer vor Ort in der Regel Karten für etwas besorgt, von dem man eine Vorstel­lung hat, sehen wir hier Sport­arten, von denen wir nicht einmal wussten, dass es sie gibt. Mein Lieb­lings­bei­spiel: Die Freestyle-Kür der BMX-Räder in der Halfpipe. Man denkt bei jedem Auftritt, sie brechen sich jetzt aber wirklich das Genick und dieses Genick müsste eigent­lich schon fünf Mal vorher im Training gebrochen sein. Sie fahren mit einem Fahrrad ohne Bremse. Man möchte danach echt wissen, wie man für so etwas eigent­lich trainiert? Ist das überhaupt Sport? Oder ist es nicht eher Artistik, Zirkus? Mit dem Fahrrad machen die Athleten bei voller Fahrt einen Salto, bei dem man das Fahrrad in der Luft dreimal hin und her schwenkt und dann wieder mit den Füßen auf den Pedalen landet – wie funk­tio­niert das überhaupt? Und dann landen sie auch so, dass die Männer nicht sofort vom Sattel ihr Gemächt zerquetscht bekommen, und dass sie außerdem im Gleich­ge­wicht bleiben und das gleich zehnmal hinter­ein­ander in einer einzigen Minute! Diese Auftritte waren der absolute Wahnsinn.

+ + +

Philipp Hübls Buch über die aktuellen »Moral­spek­takel« hatte ich hier vor einigen Wochen schon gelobt. Man kann es nicht oft genug loben. Nicht nur weil das die Richtigen ärgert, sondern auch weil es ein Plädoyer für Gelas­sen­heit und Freiheit ist. Und eine Attacke auf die Tugend­wächter: Hübl, dessen öffent­lich auf You Tube zugäng­liche UdK-Vorlesung zur »Bullshit-Resistenz« von 2023 ich jedem nur empfehlen kann, schreibt als genauer Beob­achter der Öffent­lich­keit selbst­ver­s­tänd­lich auch über die Film­branche. Ich zitiere:

»Auch in der Film­branche äußert sich das Moral­spek­takel. Die ameri­ka­ni­sche Academy of Motion Picture Arts hat entschieden, dass ab 2024 kein Oscar mehr an Filme geht, in denen nicht mindes­tens eine Frau, eine 'Person of Color' oder ein Mitglied einer sexuellen Minder­heit in jeweils zwei von vier Bereichen zu finden ist, nämlich: Haupt­rolle (oder wichtige Neben­rolle), Film­pro­duk­tion, bezahltes Praktikum und 'Marketing und PR'. Es bleibt eine offene Frage, ob man für mehr soziale Gerech­tig­keit in der Gesell­schaft sorgt, indem man die Preis­ver­gabe innerhalb einer Gruppe neu sortiert, in der fast jeder Millionär ist.
Dem Beispiel aus Hollywood scheint in Deutsch­land die Film­för­de­rung Hamburg und Schleswig-Holstein zu folgen, die Film­pro­jekte unter­s­tützt. Sie verpflichtet Autoren, Regis­seure und Produ­zenten darauf, keine 'Klischees', 'stereo­type Rollen­bilder' und 'unbe­wusste Vorur­teile' in ihren Dreh­büchern zu verwenden. Antrag­steller müssen außerdem lange Check­listen ausfüllen, auf denen man alle Minder­heiten ankreuzen kann, die in den Filmen vorkommen. Gleich­zeitig will die Film­för­de­rung mit diesen Kontroll­listen aber 'die künst­le­ri­sche Freiheit nicht berühren'«.

+ + +

»Es ist an der Zeit, sich gegen die Zukunft zur Wehr zu setzen.« schrieb Michael Althen, in der SZ in seiner Rezension über den zweiten Alien-Film im November 1986. Was für ein genialer Satz! Zeitlos wahr.