12.09.2024

»I’d like to walk out of the fucking frame«

Dreharbeiten zu COCKSUCKER BLUES
Dreharbeiten zu Cocksucker Blues
(Foto: Jim Marshall Photography)

Eine Retrospektive zum Filmemacher Robert Frank im Filmmuseum München

Von artechock-Redaktion

Robert Frank, der Fotograf, als Filme­ma­cher: Mit einer spek­ta­kulären Retro­spek­tive eröffnet das Film­mu­seum München diese Woche seine neue Spielzeit. »Seine Sprache sind die Bilder«, schreibt der Filme­ma­cher Heiner Stadler im Vorwort der Reihe, und dass er sich nie an die Regeln gehalten habe. Als Fotograf brachte er seine Aufnahmen in Foto­büchern in Serie, als Doku­men­tar­filmer ließ er sich von seinen doku­men­ta­ri­schen Aufnahmen leiten. »Aus zeit­ge­bun­denen Einzel­bil­dern werden Bilder über die Zeit«, heißt es bei Stadler.

Berühmt wurde er für seine doku­men­ta­ri­sche Foto-Serie »The Americans«, der er in einem Fotobuch eine feste Abfolge und damit Drama­turgie und Narra­ti­vität verlieh. Weniger bekannt sind seine mehr als dreißig Filme, die er u.a. im Umfeld der Beat Gene­ra­tion reali­sierte. Adaptiert hat er auch ihre Methoden: Es gibt Cut-ups, Beschrei­bungen und Destruk­tionen, allesamt Eingriffe des Künstlers in das filmische Material des Ready Made.

In Zusam­men­ar­beit mit dem Museum of Fine Arts, Houston, und dem Münchner Film­zen­trum e.V. zeigt das Film­mu­seum jeweils freitags und samstags bis zum 28. September 15 kurze und lange Filme von oder über Robert Frank. Erhellend ist Laura Israels Doku­men­ta­tion Don’t Blink – Robert Frank (2015), die den 92-jährigen Robert Frank über seine Lebens­sta­tionen und Arbeits­weise befragt. Er kam als deutsch-jüdischer Einwan­derer 1947 aus der Schweiz in die USA und arbeitete zunächst als Mode­fo­to­graf, ging auf Reisen in den süda­me­ri­ka­ni­schen Kontinent und arbeitete schließ­lich als Foto­re­porter. Aus dieser Tätigkeit heraus entstand dann auch »The Americans«, Betrach­tungen seiner neuen Lands­leute. Über Jack Kerouac kam er zur Beat Gene­ra­tion und bald entstanden auch erste Filme. (Freitag 13.09. 21:00)

Sein erster Film überhaupt hieß Pull Me Daisy (1959), der als Symbol für das New American Cinema gilt. Gedreht wurde in einem Irrenhaus, der Film eine einzige Provo­ka­tion. Am Spiel­termin im Film­mu­seum werden u.a. auch Energy And How To Get It (1981) mit William S. Bour­roughs und Robert Downey sowie Moving Pictures (1994) mit Allen Ginsberg gezeigt. (Freitag 20.09. 21:00)

Ähnlich wie der ameri­ka­ni­sche Avant­gar­dist Stan Brakhage hat auch Robert Frank Filme über sich und seine Familie gedreht. In Conver­sa­tion In Vermont (1969) besucht er seine Kinder Andrea und Pablo in Vermont. Ein anrüh­render Moment, denn Andrea verstarb wenige Jahre später, und auch Pablo war nicht fürs Leben geschaffen. Dem dunklen Ereignis, das ihm seine Tochter nahm, ist Life Dances On (1980) gewidmet. Wie er auch nach Themen rang, zeigt The Present (1996), eine Art Tagebuch seines kreativen Schaffens. (Samstag 14.09. 21:00)

Es gibt auch Ausflüge in die »ernste« Filmwelt. O.K. End Here (1963) zeigt, wie attraktiv die Nouvelle Vague auch auf die ameri­ka­ni­schen Künstler wirkte. Für Candy Mountain (1987) arbeitete er mit Rudy Wurlitzer, dem Dreh­buch­autor für Monte Hellman und Sam Peckinpah zusammen. Die Story aber ist wieder Inde­pen­dent: In dem Roadmovie geht es um einen abge­rockten Musiker, der in Kanada den besten Gitar­ren­bauer der Welt sucht.
(Samstag 21.09. 21:00)

Sein erster Langfilm wurde ein Werk, das sich am Direct Cinema abar­beitet. In Me and My Brother (1965-68) bringt er Insze­nie­rungs­gesten in das scheinbar nur Abge­filmte. Paper Route (2002), den er in der Schweiz über einen Zeitungs­zu­steller drehte, ist eher streng doku­men­ta­risch, während Tunnel (2005), in dem die Schlach­tung eines Stiers durch Mozart überhöht wird, ans Delirium grenzt. (Freitag 07.09. 21:00)

Zum Abschluss der Reihe wird es noch einmal legendär. Cock­su­cker Blues (1972) vereinigt die Rolling Stones vor der Kamera, außerdem Andy Warhol, Truman Capote, Tina Turner und andere. Es war eine Auftrags­ar­beit der Stones, die wollten, dass Frank ihre Auftritte filmte. Mehr inter­es­sierte ihn aber, was Backstage geschah: Sex, Drugs & Rock’n‘Roll. Der Film wanderte in den Gift­schrank der Band-Historie und durfte nur fünf Mal pro Jahr aufge­führt werden. Dem Stones-Image freilich hat der Film natürlich nicht geschadet, eher im Gegenteil. (Samstag 28.09. 21:00)