Cinema Moralia – Folge 340
Übersensible Zeiten? |
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Darf man noch Indianer sagen? | ||
(Foto: Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) e.V) |
Um die Freiheit des Erzählens ging es an diesem Donnerstag in Berlin in einer gemeinsamen Veranstaltung der »Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen« und der Bertelsmann-Stiftung. Die öffentliche Debatte über den Umgang mit sogenannten »vulnerablen« und vermeintlich »marginalisierten« Gruppen ist übertriebener und einseitiger denn je. Während einerseits ein stärkerer Schutz und eine sensible Sprache gefordert werden, fühlen sich andere durch neue Tabus in ihrer Kunst- und Meinungsfreiheit eingeschränkt. Diese Spannungen stellen auch Medien- und Kulturschaffende vor große Herausforderungen: Wie können Medien ihrer Verantwortung gegenüber der Kunst gerecht werden? Wie ist mit älteren medialen Inhalten umzugehen, von denen sich Minderheiten diskriminiert fühlen? Und sind solche Gefühle überhaupt relevant?
Darum drehte sich das hochkarätige Programm aus Impulsvorträgen, Diskussionen und Fachgesprächen. Die Veranstaltung richtete sich an Interessierte aus den Bereichen Medien, Kultur, Jugendschutz und Wissenschaft. Nächste Woche werden wir berichten, und dabei die Frage prüfen, ob es nicht eher eine grundsätzliche De-Sensibilisierung ist, was die Gesellschaft eigentlich braucht.
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»Was hört Claus Guth?« Das war neulich die Frage an den Opernregisseur, der schon ein Jugendfreund von mir ist, und der zu Gast bei der DLF-Reihe »Klassik Pop etc« im Deutschlandfunk war. Neben einer schönen und für mich auch nostalgischen persönlichen Musikauswahl sagte er, der eigentlich mal Filmregisseur werden wollte, auch ein paar kluge Dinge über den zeitgenössischen Kunstbetrieb: »Wach bleiben, neugierig bleiben, etwas mehr Mut und Wille zum Risiko« wünsche er der hiesigen Kultur und ihren Künstlern. Und: »Es ist nicht gesund, wenn 97 Prozent tote Autoren aufgeführt werden.« Die Frage ist natürlich, ob dies nun ein Problem unserer Gesellschaft und unseres Zeitalters ist, oder ein Problem der Bühne.
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In diesen Tagen wird mal wieder sehr viel über Filmförderung diskutiert. Unklar ist insbesondere, was mit dem Filmfördergesetz (FFG) wird, das von der Ampelregierung beschlossen wurde und jetzt keine Mehrheit mehr hat. Sehr vieles spricht dafür, dass dieses Gesetz nie verabschiedet werden wird und ein neues Filmfördergesetz ab Mitte kommenden Jahres erarbeitet werden wird. Auch die meisten Kulturpolitiker fast aller Parteien bevorzugen diese Variante, weil sie den faulen Kompromiss, den Claudia Roths Gesetzesversion darstellt, ablehnen – auch Politiker der Grünen.
Eine regelrecht dramatische Frage ist aber die, ob das zur Zeit noch geltende, seit dem Jahr 2020 zunächst Corona-bedingt und dann Claudia-Roth-bedingt immer wieder verlängerte, aber nicht wie eigentlich vorgeschrieben novellierte Gesetz um ein weiteres Jahr verlängert werden kann – und wie das im Fall des Falles geschehen könnte.
Manche glauben, dass die CDU das Gesetz am Ende doch nicht blockieren würde. Die Frage ist allerdings, ob die FDP doch noch zustimmt. Das FFG ist abhängig vom Parteien-Geschacher und könnte auf Kosten der Branche zum Wahlkampfthema werden.
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Allerdings wäre das jetzige Scheitern des FFG und die Verlängerung des alten Gesetzes das Allerbeste, weil es auch mehr Geld und mehr Möglichkeiten für die kommende Bundesregierung und das neue Kulturstaatsministerium bedeuten würde. Der Bundestag könnte frühestens am 16.12. zustimmen, der Bundesrat allerdings könnte es am 20.12. wiederum ablehnen, auch dann wäre das Gesetz nicht verabschiedet – dafür bräuchte es nur eine einzige Gegenstimme. Der Worst Case sieht also so aus, dass es Anfang 2025 dann gar keinen FFG gibt. Dann dürfte die Filmförderanstalt FFA sofort Briefe verschicken, dass erstmal nichts mehr ausgezahlt wird, weil auch nichts mehr eingezahlt werden kann, weil es dafür keinerlei gesetzliche Grundlage gibt. Auch bereits bewilligte Projekte würden dann nichts mehr bekommen.
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Um den Wust und das Gewusel der deutschen Filmförderung zu verstehen, empfehle ich dringend den Doppelpodcast dieser Woche mit dem Produzenten Alexander von Dülmen.
Wer Filmförderung verstehen will, muss diesen Podcast hören!
(to be continued)