05.12.2024
Cinema Moralia – Folge 340

Übersensible Zeiten?

FSF Veranstaltung
Darf man noch Indianer sagen?
(Foto: Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) e.V)

Der Schutz der Freiheit gegen den Schutz von Sensibilitäten – die Kunstfreiheit, die Kürzungen des Kulturetats und die FFG-Misere – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 340. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Um die Freiheit des Erzählens ging es an diesem Donnerstag in Berlin in einer gemein­samen Veran­stal­tung der »Frei­wil­lige Selbst­kon­trolle Fernsehen« und der Bertels­mann-Stiftung. Die öffent­liche Debatte über den Umgang mit soge­nannten »vulner­ablen« und vermeint­lich »margi­na­li­sierten« Gruppen ist über­trie­bener und einsei­tiger denn je. Während einer­seits ein stärkerer Schutz und eine sensible Sprache gefordert werden, fühlen sich andere durch neue Tabus in ihrer Kunst- und Meinungs­frei­heit einge­schränkt. Diese Span­nungen stellen auch Medien- und Kultur­schaf­fende vor große Heraus­for­de­rungen: Wie können Medien ihrer Verant­wor­tung gegenüber der Kunst gerecht werden? Wie ist mit älteren medialen Inhalten umzugehen, von denen sich Minder­heiten diskri­mi­niert fühlen? Und sind solche Gefühle überhaupt relevant?

Darum drehte sich das hoch­karä­tige Programm aus Impuls­vor­trägen, Diskus­sionen und Fach­ge­sprächen. Die Veran­stal­tung richtete sich an Inter­es­sierte aus den Bereichen Medien, Kultur, Jugend­schutz und Wissen­schaft. Nächste Woche werden wir berichten, und dabei die Frage prüfen, ob es nicht eher eine grund­sätz­liche De-Sensi­bi­li­sie­rung ist, was die Gesell­schaft eigent­lich braucht.

+ + +

»Was hört Claus Guth?« Das war neulich die Frage an den Opern­re­gis­seur, der schon ein Jugend­freund von mir ist, und der zu Gast bei der DLF-Reihe »Klassik Pop etc« im Deutsch­land­funk war. Neben einer schönen und für mich auch nost­al­gi­schen persön­li­chen Musik­aus­wahl sagte er, der eigent­lich mal Film­re­gis­seur werden wollte, auch ein paar kluge Dinge über den zeit­genös­si­schen Kunst­be­trieb: »Wach bleiben, neugierig bleiben, etwas mehr Mut und Wille zum Risiko« wünsche er der hiesigen Kultur und ihren Künstlern. Und: »Es ist nicht gesund, wenn 97 Prozent tote Autoren aufge­führt werden.« Die Frage ist natürlich, ob dies nun ein Problem unserer Gesell­schaft und unseres Zeital­ters ist, oder ein Problem der Bühne.

+ + +

In diesen Tagen wird mal wieder sehr viel über Film­för­de­rung disku­tiert. Unklar ist insbe­son­dere, was mit dem Film­för­der­ge­setz (FFG) wird, das von der Ampel­re­gie­rung beschlossen wurde und jetzt keine Mehrheit mehr hat. Sehr vieles spricht dafür, dass dieses Gesetz nie verab­schiedet werden wird und ein neues Film­för­der­ge­setz ab Mitte kommenden Jahres erar­beitet werden wird. Auch die meisten Kultur­po­li­tiker fast aller Parteien bevor­zugen diese Variante, weil sie den faulen Kompro­miss, den Claudia Roths Geset­zes­ver­sion darstellt, ablehnen – auch Politiker der Grünen.

Eine regel­recht drama­ti­sche Frage ist aber die, ob das zur Zeit noch geltende, seit dem Jahr 2020 zunächst Corona-bedingt und dann Claudia-Roth-bedingt immer wieder verlän­gerte, aber nicht wie eigent­lich vorge­schrieben novel­lierte Gesetz um ein weiteres Jahr verlän­gert werden kann – und wie das im Fall des Falles geschehen könnte.

Manche glauben, dass die CDU das Gesetz am Ende doch nicht blockieren würde. Die Frage ist aller­dings, ob die FDP doch noch zustimmt. Das FFG ist abhängig vom Parteien-Gescha­cher und könnte auf Kosten der Branche zum Wahl­kampf­thema werden.

+ + +

Aller­dings wäre das jetzige Scheitern des FFG und die Verlän­ge­rung des alten Gesetzes das Aller­beste, weil es auch mehr Geld und mehr Möglich­keiten für die kommende Bundes­re­gie­rung und das neue Kultur­staats­mi­nis­te­rium bedeuten würde. Der Bundestag könnte frühes­tens am 16.12. zustimmen, der Bundesrat aller­dings könnte es am 20.12. wiederum ablehnen, auch dann wäre das Gesetz nicht verab­schiedet – dafür bräuchte es nur eine einzige Gegen­stimme. Der Worst Case sieht also so aus, dass es Anfang 2025 dann gar keinen FFG gibt. Dann dürfte die Film­för­der­an­stalt FFA sofort Briefe verschi­cken, dass erstmal nichts mehr ausge­zahlt wird, weil auch nichts mehr einge­zahlt werden kann, weil es dafür keinerlei gesetz­liche Grundlage gibt. Auch bereits bewil­ligte Projekte würden dann nichts mehr bekommen.

+ + +

Um den Wust und das Gewusel der deutschen Film­för­de­rung zu verstehen, empfehle ich dringend den Doppel­pod­cast dieser Woche mit dem Produ­zenten Alexander von Dülmen.

Wer Film­för­de­rung verstehen will, muss diesen Podcast hören!

(to be continued)