Ein Code of Ethics, wozu? |
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Adele Kohout (links) und Maya Reichert | ||
(Foto: DOK.fest München · Anna Hofer) |
Von Dunja Bialas & Rüdiger Suchsland
Das Münchner DOK.fest hat eine neue Leitung: Adele Kohout, bisherige stellvertretende Leiterin, und Maya Reichert, bislang Leiterin der Sektion DOK.education und Ehefrau des langjährigen Leiters Daniel Sponsel, sind das neue Duo an der Spitze des Festivals. Die Neubesetzung erfolgte aufgrund der Berufung von Sponsel auf das Amt des Präsidenten der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film, das er zum 1. Oktober 2025 antritt.
Die Bestimmung der Nachfolge der Leitung für das besucherstärkste Dokumentarfilmfestival Deutschlands hat hinsichtlich der Personalie und des Prozederes ein paar Fragen aufgeworfen, die von unterschiedlichen Seiten an uns herangetragen wurden, darunter auch von Dokumentarfilmemachern und Festivalleitern.
Die schnelle Antwort zum gewählten Nachbesetzungsverfahren lautet: Da das DOK.fest München von einem gemeinnützigen Trägerverein veranstaltet wird, ist die Nachfolgeregelung der rechtlichen Form nach Privatsache. Das öffentliche Interesse hinsichtlich der Nachfolgeregelung ist jedoch durch die Festivalgröße und die gute Ausstattung des Festivals durch öffentliche Gelder, die sich aus den Hauptförderern Stadt München, Freistaat Bayern und FFF Bayern summieren, gegeben.
Das DOK.fest wiederum ist Mitglied der AG Filmfestival, die sich letztes Jahr als Verein neu gegründet hat. Um die Mitgliedschaft zu beantragen, muss man einem »Code of Ethics« zustimmen. Unter Punkt 5 ist dort zu lesen: »Die Position der Festivalleitung soll öffentlich ausgeschrieben und nach einem klaren und transparenten Verfahren besetzt werden.«
Entgegen dieser Selbstverpflichtung wurde die Leitung des DOK.fest München nicht öffentlich ausgeschrieben und die interne Vergabe durch den Verein an die DOK.fest-Mitarbeiterinnen nicht transparent gemacht, was durchaus brisant ist, da Sponsel Vorstandsmitglied der AG Filmfestival ist.
Wir haben daher fünf Fragen an die AG Filmfestival gestellt. Sowohl unsere Fragen als auch die Antworten der AG Filmfestival veröffentlichen wir aus Transparenzgründen im Wortlaut.
Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Neubesetzung der Leitung des Dok.fest München habe ich an Euch/Sie folgende fünf Fragen:
1. Entspricht oder widerspricht es der Selbstverpflichtung (Code of Ethics; insbesondere No.5) der Mitglieder der AG-Filmfestival, dass die neue Leitung des DOK.fest München nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern intern nach öffentlich intransparenten Kriterien besetzt wurde?
2. Entspricht oder widerspricht es der Selbstverpflichtung (Code of Ethics) der Mitglieder der AG-Filmfestival, dass die Position der neuen Stellvertretung der Leitung des DOK.fest München mit der Ehefrau des bisherigen Leiters des DOK.fest besetzt wurde? Oder ist ein solches Verhalten durch den Code of Ethics gedeckt und aus Sicht der AG Filmfestival statthaft?
3. Inwieweit entspricht oder widerspricht es der Selbstverpflichtung (Code of Ethics) der AG Filmfestival, dass der bisherige Leiter des DOK.fest München in seiner zukünftigen Funktion (Präsident der Filmhochschule München) zum unmittelbaren Vermieter von Räumlichkeiten für das bisher von ihm verantwortete und zukünftig von seiner Ehefrau stellvertretend verantwortete Filmfestival wird?
4. Wie kann und will die AG Filmfestival auf etwaige Verletzungen der Selbstverpflichtung (Code of Ethics) reagieren?
5. Welche praktisch wirksamen Maßnahmen gedenkt die AG Filmfestival für die Zukunft gegen Nepotismus und Selbstbedienungsmentalität im Rahmen von Filmfestivalpositionen und ihrer Neubesetzung zu ergreifen?
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Antwort auf Frage 1:
Die Verfahren und Modalitäten zur Besetzung der Festivalleitungen sind für die jeweiligen Trägerschaften der Festivals unterschiedlich. Das DOK.fest München basiert als juristische Körperschaft auf den Trägerverein Internationales Dokumentarfilmfestival e.V. Die Satzung des Trägervereins beinhaltet unter dem Paragraph 7, Vorstand, Ziffer 6, die Klausel der Bestellung von besonderen Vertreter*innen für wesentliche Geschäftsbereiche durch Beschluss (§ 30 BGB). Die Bestellung obliegt dem Vorstand des Trägervereins. In der Pressemitteilung am 12.03.2025, zur Verkündigung des Ausscheidens von Daniel Sponsel als Festivalleiter und Geschäftsführer, hatte der Vorstand des Trägervereins Internationales Dokumentarfilmfestival e.V. die notwendigen Schritte für das Verfahren der Nachfolge angekündigt. Auf der Basis des Satzungszwecks und Präambel des Trägervereins, folgt der Vorstand für die Besetzung von Leitungsaufgaben für das DOK.fest München einem selbstauferlegten Kriterienkatalog mit den folgenden Aspekten: 1. Kulturelle und künstlerische Kompetenz / 2. Gemeinwohlorientierung und Wertebindung / 3. Leitungserfahrung und strategische Kompetenz / 4. Erfahrung in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit / 5. Kommunikations- und Netzwerkkompetenz / 6. Innovationskraft und Zukunftsorientierung. Bei Bedarf kannst Du hierzu weiterführende Informationen von Seiten des DOK.fest München erhalten.
Nach Rücksprache und Prüfung der oben benannten Klausel in der Satzung durch die Rechtsberaterin des Trägervereins und des benannten Kriterienkatalogs, hat der Vorstand des Trägervereins Internationales Dokumentarfilmfestival e.V. den Beschluss der Bestellung von Adele Kohout zur Geschäftsführung des DOK.fest München einstimmig gefasst: Adele Kohout hat Kunstgeschichte und Neuen Geschichte mit dem Schwerpunkt Film an den Universitäten Düsseldorf und Zürich studiert. 2010 schloss sie ihr Masterstudium in Kulturgeschichte und Kulturmanagement an der Hochschule in Ludwigsburg ab. Seit 2008 arbeitet sie für das DOK.fest München, seit 2016 ist sie stellvertretende Geschäftsführerin und Ko-Leiterin des Festivals und gestaltet die organisatorische und konzeptionelle Weiterentwicklung des Festivals, unter den Aspekten Finanzierung, Sponsoring Programmgestaltung, und Partnerkommunikation federführend mit. Der Nachweis der Kompetenz für die Wahrnehmung der Position der Festivalleitung und der Geschäftsführung des DOK.fest München ist gegeben.
Antwort auf Frage 2:
Zur Besetzung dieser Aufgabe gelten ebenfalls alle oben benannten Kriterien. Maya Reichert arbeitet seit 2009 für das DOK.fest München und ist seit 2013 Leiterin der Bildungsplattform DOK.education. Sie hat DOK.education zu einer ganzjährigen und bundesweit agierenden Initiative zum Erwerb von Medienkompetenz ausgebaut. Maya Reichert war von 2016–2024 Mitglied des BKM-Filmfördergremiums im Staatsministerium für Kultur und Medien. Sie hat erfolgreich das europäischen Leadership-Programm Audiovisual Women des Erich-Pommer-Instituts absolviert. Im Rahmen des Programms vertiefte sie ihre Kenntnisse in den Bereichen digitales Leadership, Innovation und Change Management. Maya Reichert ist diplomierte Filmmacherin mit eigener Filmographie. Der Nachweis der Kompetenz für die Wahrnehmung der Position der stellvertretenden Geschäftsführung des DOK.fest München ist gegeben.
Antwort auf Frage 3:
Durch eine Verfügung des Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst vom 26.07.2013 sind Kooperation zwischen der HFF München und Kulturanbietern, die durch die Nutzung der Räumlichkeiten der HFF München wahrgenommen werden, von der Entrichtung einer Miete befreit. Die Regelung für das Aufkommen der Nebenkosten erfolgt durch die Immobilien Freistaat Bayern und ist für alle Kooperation gültig. Aktuell kooperieren drei Filmfestival mit der HFF München und nutzen die Räumlichkeiten zur Durchführung von Veranstaltungen: Das Filmfest München das Filmschool Festival und das DOK.fest München. Für alle drei Festivals gelten die ministeriell verfügte Gebührenordnung für die Nebenkosten.
Antwort auf Frage 4:
Aus den oben benannten Gründen sieht der Vorstand der AG Filmfestival in dem Vorgehen des Trägervereins Internationales Dokumentarfilmfestival e.V. bei der Bestellung beider Personalien keine Verletzung der Selbstverpflichtung. Die AG Filmfestival wird, bei Bedarf, weiterhin jede Besetzung individuell prüfen und setzt sich für offene transparente Verfahren ein. Ergänzend hier noch einmal der Hinweis, dass bereits mit der ersten Pressemitteilung – dem Weggang Daniel Sponsels – mitgeteilt wurde, dass nun ein Nachbesetzungsverfahren angestrebt wird.
Antwort auf Frage 5:
Die Verfahren und Modalitäten zur Besetzung der Festivalleitungen sind auf der Basis der jeweiligen Trägerschaft unterschiedlich. Die AG Filmfestival als Verband der Filmfestivals in Deutschland kann und darf keinen direkten Einfluss auf die Verfahren der Bestellung von leitenden Mitarbeiter*innen ausüben. Unseren Code of Ethics werden wir in diesem Punkt überarbeiten. Selbstverständlich setzen wir auf Nachvollziehbarkeit und Transparenz in Besetzungsverfahren, was in diesem Fall gegeben war (siehe oben).
Ich hoffe, dass wir deine Fragen ausreichend beantworten konnten.
Grüße,
Vorstand der AG Filmfestival – Verband der Filmfestivals in Deutschland:
Vertretungsvorstand:
Svenja Böttger, Filmfestival Max Ophüls Preis, Vorsitzende
Daniel Sponsel, DOK.fest München, Vorsitzender
Nils Menrad, DokKa Festival Karlsruhe, stv. Vorsitzender
Julia Scheck, Filmfest Osnabrück, stv. Vorsitzende
Weitere Vorstandsmitglieder:
Sebastian Brose, achtung berlin Filmfestival
Dieter Krauß, Stuttgart
Thorsten Schaumann, Internationale Hofer Filmtage
Ludwig Sporrer, Filmkunstwochen München
Johanna Süß, Lichter Filmfest Frankfurt International
Florian Weghorn, Internationale Filmfestspiele Berlin
Julia Weigl, Filmfest München