27.03.2025

Ein Code of Ethics, wozu?

DOK.fest München / Anna Hofer
Adele Kohout (links) und Maya Reichert
(Foto: DOK.fest München · Anna Hofer)

Fünf Fragen zur Neubesetzung der Leitung des DOK.Fest München – und die Antworten der AG Filmfestival

Von Dunja Bialas & Rüdiger Suchsland

Das Münchner DOK.fest hat eine neue Leitung: Adele Kohout, bisherige stell­ver­tre­tende Leiterin, und Maya Reichert, bislang Leiterin der Sektion DOK.education und Ehefrau des lang­jäh­rigen Leiters Daniel Sponsel, sind das neue Duo an der Spitze des Festivals. Die Neube­set­zung erfolgte aufgrund der Berufung von Sponsel auf das Amt des Präsi­denten der Münchner Hoch­schule für Fernsehen und Film, das er zum 1. Oktober 2025 antritt.

Die Bestim­mung der Nachfolge der Leitung für das besu­cher­s­tärkste Doku­men­tar­film­fes­tival Deutsch­lands hat hinsicht­lich der Perso­nalie und des Proze­deres ein paar Fragen aufge­worfen, die von unter­schied­li­chen Seiten an uns heran­ge­tragen wurden, darunter auch von Doku­men­tar­fil­me­ma­chern und Festi­val­lei­tern.

Die schnelle Antwort zum gewählten Nach­be­set­zungs­ver­fahren lautet: Da das DOK.fest München von einem gemein­nüt­zigen Träger­verein veran­staltet wird, ist die Nach­fol­ge­re­ge­lung der recht­li­chen Form nach Privat­sache. Das öffent­liche Interesse hinsicht­lich der Nach­fol­ge­re­ge­lung ist jedoch durch die Festi­val­größe und die gute Ausstat­tung des Festivals durch öffent­liche Gelder, die sich aus den Haupt­för­de­rern Stadt München, Freistaat Bayern und FFF Bayern summieren, gegeben.

Das DOK.fest wiederum ist Mitglied der AG Film­fes­tival, die sich letztes Jahr als Verein neu gegründet hat. Um die Mitglied­schaft zu bean­tragen, muss man einem »Code of Ethics« zustimmen. Unter Punkt 5 ist dort zu lesen: »Die Position der Festi­val­lei­tung soll öffent­lich ausge­schrieben und nach einem klaren und trans­pa­renten Verfahren besetzt werden.«

Entgegen dieser Selbst­ver­pflich­tung wurde die Leitung des DOK.fest München nicht öffent­lich ausge­schrieben und die interne Vergabe durch den Verein an die DOK.fest-Mitar­bei­te­rinnen nicht trans­pa­rent gemacht, was durchaus brisant ist, da Sponsel Vorstands­mit­glied der AG Film­fes­tival ist.

Wir haben daher fünf Fragen an die AG Film­fes­tival gestellt. Sowohl unsere Fragen als auch die Antworten der AG Film­fes­tival veröf­fent­li­chen wir aus Trans­pa­renz­gründen im Wortlaut.

Fünf Fragen an die AG Film­fes­tival

Im Zusam­men­hang mit der Bericht­erstat­tung über die Neube­set­zung der Leitung des Dok.fest München habe ich an Euch/Sie folgende fünf Fragen:

1. Entspricht oder wider­spricht es der Selbst­ver­pflich­tung (Code of Ethics; insbe­son­dere No.5) der Mitglieder der AG-Film­fes­tival, dass die neue Leitung des DOK.fest München nicht öffent­lich ausge­schrieben, sondern intern nach öffent­lich intrans­pa­renten Kriterien besetzt wurde?

2. Entspricht oder wider­spricht es der Selbst­ver­pflich­tung (Code of Ethics) der Mitglieder der AG-Film­fes­tival, dass die Position der neuen Stell­ver­tre­tung der Leitung des DOK.fest München mit der Ehefrau des bishe­rigen Leiters des DOK.fest besetzt wurde? Oder ist ein solches Verhalten durch den Code of Ethics gedeckt und aus Sicht der AG Film­fes­tival statthaft?

3. Inwieweit entspricht oder wider­spricht es der Selbst­ver­pflich­tung (Code of Ethics) der AG Film­fes­tival, dass der bisherige Leiter des DOK.fest München in seiner zukünf­tigen Funktion (Präsident der Film­hoch­schule München) zum unmit­tel­baren Vermieter von Räum­lich­keiten für das bisher von ihm verant­wor­tete und zukünftig von seiner Ehefrau stell­ver­tre­tend verant­wor­tete Film­fes­tival wird?

4. Wie kann und will die AG Film­fes­tival auf etwaige Verlet­zungen der Selbst­ver­pflich­tung (Code of Ethics) reagieren?

5. Welche praktisch wirksamen Maßnahmen gedenkt die AG Film­fes­tival für die Zukunft gegen Nepo­tismus und Selbst­be­die­nungs­men­ta­lität im Rahmen von Film­fes­ti­val­po­si­tionen und ihrer Neube­set­zung zu ergreifen?

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Die Antworten der AG Film­fes­tival

Antwort auf Frage 1:

Die Verfahren und Moda­li­täten zur Besetzung der Festi­val­lei­tungen sind für die jewei­ligen Träger­schaften der Festivals unter­schied­lich. Das DOK.fest München basiert als juris­ti­sche Körper­schaft auf den Träger­verein Inter­na­tio­nales Doku­men­tar­film­fes­tival e.V. Die Satzung des Träger­ver­eins beinhaltet unter dem Paragraph 7, Vorstand, Ziffer 6, die Klausel der Bestel­lung von beson­deren Vertreter*innen für wesent­liche Geschäfts­be­reiche durch Beschluss (§ 30 BGB). Die Bestel­lung obliegt dem Vorstand des Träger­ver­eins. In der Pres­se­mit­tei­lung am 12.03.2025, zur Verkün­di­gung des Ausschei­dens von Daniel Sponsel als Festi­val­leiter und Geschäfts­führer, hatte der Vorstand des Träger­ver­eins Inter­na­tio­nales Doku­men­tar­film­fes­tival e.V. die notwen­digen Schritte für das Verfahren der Nachfolge angekün­digt. Auf der Basis des Satzungs­zwecks und Präambel des Träger­ver­eins, folgt der Vorstand für die Besetzung von Leitungs­auf­gaben für das DOK.fest München einem selbst­auf­er­legten Krite­ri­en­ka­talog mit den folgenden Aspekten: 1. Kultu­relle und künst­le­ri­sche Kompetenz / 2. Gemein­wohl­ori­en­tie­rung und Werte­bin­dung / 3. Leitungs­er­fah­rung und stra­te­gi­sche Kompetenz / 4. Erfahrung in der Bildungs- und Vermitt­lungs­ar­beit / 5. Kommu­ni­ka­tions- und Netz­werk­kom­pe­tenz / 6. Inno­va­ti­ons­kraft und Zukunfts­ori­en­tie­rung. Bei Bedarf kannst Du hierzu weiter­füh­rende Infor­ma­tionen von Seiten des DOK.fest München erhalten.

Nach Rück­sprache und Prüfung der oben benannten Klausel in der Satzung durch die Rechts­be­ra­terin des Träger­ver­eins und des benannten Krite­ri­en­ka­ta­logs, hat der Vorstand des Träger­ver­eins Inter­na­tio­nales Doku­men­tar­film­fes­tival e.V. den Beschluss der Bestel­lung von Adele Kohout zur Geschäfts­füh­rung des DOK.fest München einstimmig gefasst: Adele Kohout hat Kunst­ge­schichte und Neuen Geschichte mit dem Schwer­punkt Film an den Univer­si­täten Düssel­dorf und Zürich studiert. 2010 schloss sie ihr Master­stu­dium in Kultur­ge­schichte und Kultur­ma­nage­ment an der Hoch­schule in Ludwigs­burg ab. Seit 2008 arbeitet sie für das DOK.fest München, seit 2016 ist sie stell­ver­tre­tende Geschäfts­füh­rerin und Ko-Leiterin des Festivals und gestaltet die orga­ni­sa­to­ri­sche und konzep­tio­nelle Weiter­ent­wick­lung des Festivals, unter den Aspekten Finan­zie­rung, Spon­so­ring Programm­ge­stal­tung, und Part­ner­kom­mu­ni­ka­tion feder­füh­rend mit. Der Nachweis der Kompetenz für die Wahr­neh­mung der Position der Festi­val­lei­tung und der Geschäfts­füh­rung des DOK.fest München ist gegeben.

Antwort auf Frage 2:

Zur Besetzung dieser Aufgabe gelten ebenfalls alle oben benannten Kriterien. Maya Reichert arbeitet seit 2009 für das DOK.fest München und ist seit 2013 Leiterin der Bildungs­platt­form DOK.education. Sie hat DOK.education zu einer ganz­jäh­rigen und bundes­weit agie­renden Initia­tive zum Erwerb von Medi­en­kom­pe­tenz ausgebaut. Maya Reichert war von 2016–2024 Mitglied des BKM-Film­för­der­gre­miums im Staats­mi­nis­te­rium für Kultur und Medien. Sie hat erfolg­reich das europäi­schen Leader­ship-Programm Audio­vi­sual Women des Erich-Pommer-Instituts absol­viert. Im Rahmen des Programms vertiefte sie ihre Kennt­nisse in den Bereichen digitales Leader­ship, Inno­va­tion und Change Manage­ment. Maya Reichert ist diplo­mierte Film­ma­cherin mit eigener Filmo­gra­phie. Der Nachweis der Kompetenz für die Wahr­neh­mung der Position der stell­ver­tre­tenden Geschäfts­füh­rung des DOK.fest München ist gegeben.

Antwort auf Frage 3:

Durch eine Verfügung des Baye­ri­schen Staats­mi­nis­te­rium für Wissen­schaft und Kunst vom 26.07.2013 sind Koope­ra­tion zwischen der HFF München und Kultur­anbie­tern, die durch die Nutzung der Räum­lich­keiten der HFF München wahr­ge­nommen werden, von der Entrich­tung einer Miete befreit. Die Regelung für das Aufkommen der Neben­kosten erfolgt durch die Immo­bi­lien Freistaat Bayern und ist für alle Koope­ra­tion gültig. Aktuell koope­rieren drei Film­fes­tival mit der HFF München und nutzen die Räum­lich­keiten zur Durch­füh­rung von Veran­stal­tungen: Das Filmfest München das Film­school Festival und das DOK.fest München. Für alle drei Festivals gelten die minis­te­riell verfügte Gebüh­ren­ord­nung für die Neben­kosten.

Antwort auf Frage 4:

Aus den oben benannten Gründen sieht der Vorstand der AG Film­fes­tival in dem Vorgehen des Träger­ver­eins Inter­na­tio­nales Doku­men­tar­film­fes­tival e.V. bei der Bestel­lung beider Perso­na­lien keine Verlet­zung der Selbst­ver­pflich­tung. Die AG Film­fes­tival wird, bei Bedarf, weiterhin jede Besetzung indi­vi­duell prüfen und setzt sich für offene trans­pa­rente Verfahren ein. Ergänzend hier noch einmal der Hinweis, dass bereits mit der ersten Pres­se­mit­tei­lung – dem Weggang Daniel Sponsels – mitge­teilt wurde, dass nun ein Nach­be­set­zungs­ver­fahren ange­strebt wird.

Antwort auf Frage 5:

Die Verfahren und Moda­li­täten zur Besetzung der Festi­val­lei­tungen sind auf der Basis der jewei­ligen Träger­schaft unter­schied­lich. Die AG Film­fes­tival als Verband der Film­fes­ti­vals in Deutsch­land kann und darf keinen direkten Einfluss auf die Verfahren der Bestel­lung von leitenden Mitar­beiter*innen ausüben. Unseren Code of Ethics werden wir in diesem Punkt über­ar­beiten. Selbst­ver­s­tänd­lich setzen wir auf Nach­voll­zieh­bar­keit und Trans­pa­renz in Beset­zungs­ver­fahren, was in diesem Fall gegeben war (siehe oben).

Ich hoffe, dass wir deine Fragen ausrei­chend beant­worten konnten.

Grüße,

Vorstand der AG Film­fes­tival – Verband der Film­fes­ti­vals in Deutsch­land:

Vertre­tungs­vor­stand:

Svenja Böttger, Film­fes­tival Max Ophüls Preis, Vorsit­zende
Daniel Sponsel, DOK.fest München, Vorsit­zender
Nils Menrad, DokKa Festival Karlsruhe, stv. Vorsit­zender
Julia Scheck, Filmfest Osnabrück, stv. Vorsit­zende

Weitere Vorstands­mit­glieder:

Sebastian Brose, achtung berlin Film­fes­tival
Dieter Krauß, Stuttgart
Thorsten Schaumann, Inter­na­tio­nale Hofer Filmtage
Ludwig Sporrer, Film­kunst­wo­chen München
Johanna Süß, Lichter Filmfest Frankfurt Inter­na­tional
Florian Weghorn, Inter­na­tio­nale Film­fest­spiele Berlin
Julia Weigl, Filmfest München