»In diesem Justizdrama entfaltet sich das Portrait eines Bürokraten, der sich beflissen an Gesetz und Hierarchie hielt und als Funktionsträger und Nazioffizier für die Vernichtung von Millionen Menschen verantwortlich war – ein monströser Verbrecher im zwanzigsten Jahrhundert. Der Angeklagte Adolf Eichmann ist ein Mann mittlerer Größe, um die Fünfzig, kurzsichtig, fast kahl, mit seltsam nervösen Zuckungen. Während des gesamten Prozesses sitzt er in einer Glas-Box, umgeben von sorgfältig gestapelten Dokumenten, die er mit Anmerkungen versieht, in denen er nachliest und unermüdlich blättert. Experte für Emigration, Spezialist für die ›jüdische Frage‹, zwischen 1941 und 1945 verantwortlich für den Transport der ›aus rassischen Gründen‹ Deportierten in die Nazilager, beschreibt er seine Arbeit mit beklemmender bürokratischer Präzision. Angesichts des Gerichts und der Opfer, die der Hölle entkamen und nun einander in den Zeugenstand folgen, räumt er ein, den Todesfabriken die Kontingente zur Vernichtung geliefert zu haben. Er gibt sich alle Mühe, seinen Konflikt zwischen beruflicher Pflicht und menschlichem Gewissen darzulegen und besteht dann darauf, daß niemand ihm vorwerfen könne, seine Arbeit schlecht getan zu haben. Berauscht vom Wahngebilde seiner eigenen Ohnmacht, beschreibt sich der Angeklagte als einen ›Tropfen im Ozean, Instrument in den Händen übergeordneter Mächte‹. Wenn er es nicht gemacht hätte, so sagt er, dann hätte ein anderer seinen Platz eingenommen. Der Kontrast zwischen der Monstrosität des Verbrechens und der Mittelmäßigkeit des Angeklagten frappiert auf den ersten Blick – aber mehr noch in dem Maße, wie die 13 Szenen aufeinanderfolgen, aus denen dieser Film komponiert ist: das Portrait eines entsetzlich normalen Menschen. Un spécialiste wurde ausschließlich unter Verwendung der 350-stündigen Filmaufzeichnungen von Leo Hurwitz montiert. Er hatte 1961 in Jerusalem mit der Videokamera den spektakulären Prozeß gegen den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann dokumentiert.« (Dok.fest München 2002)