So straight ist der Film, daß er schon wieder die surreale Qualität erreicht, die man von Lynch gewohnt ist. Unbeirrt geradeaus tuckert der Rasenmäher auf dem der Alte mit dem ausgegärbten Gesicht sechs Wochen lang, von Iowa bis nach Wisconsin fährt. Nie ist er so weit von zuhause weg gewesen, jetzt muß es sein, weil sein Bruder vielleicht bald stirbt. Zehn Jahre haben beide nicht miteinander gesprochen, nun sucht Alvin Versöhnung.
Sanft und doch unerbittlich zieht Lynch seine Zuschauer in den Sog der Geschichte, in die scheinbar immergleiche Landschaft der gelben Kornfelder des middlewest, in die Langsamkeit des dortigen Lebens. Wie er das macht, ist wunderbar. Man muß nicht mit der Rehabilitierung der Provinz, mit der naiven Gutmütigkeit sympathisieren, um The Straight Story als Gegenentwurf Lynchs zu akzeptieren, der weder ironisch, noch antimodern gemeint ist. Es genügt, in diesem filmischen Minimalismus auch einen Gegenentwurf zu allem anderen zu erkennen, was es sonst so im Kino zu sehen gibt. Und sich staunend, auch ein wenig ratlos wieder vor ein Rätsel stellen zu lassen: Der Regisseur, der bisher am eindringlichsten das Leben als Alptraum beschrieb, wagt nun etwas Neues – das Leben als Traum.