Hans Eberhard Wieck, ein zwielichtiger Deutscher im besetzten
Budapest der 30er-Jahre: Das ist Ben Becker (35) in dem heute
anlaufenden Film EIN
LIED VON LIEBE UND TOD. Als Theaterschauspieler (Franz
Biberkopf) wie als Filmstar ist er einer der populärsten Darsteller
seiner Generation. Mit dem Schauspieler sprach Rüdiger Suchsland
Artechok: Guten Morgen, Herr Becker, Sie sehen etwas
verschlafen aus. . .
Ben Becker: Ja, bin ich auch. Gestern habe ich in Berlin
mein Flugzeug verpasst, und statt drei Stunden zu warten, dachte
ich mir: Ich fahr' lieber mit dem Zug, aber das dauerte dann doch
ganz schön lang. Da kam ich erst nachts hier an und hatte natürlich
leicht einen in der Hacke, weil man ja früher oder später doch in
den Speisewagen geht.
Damit sind wir gleich beim Thema. Sie sagten:
Ich habe kein Problem damit, der nächste Harald Juhnke zu sein.
Ja, das hat aber nichts damit zu tun, dass ich Vorstellungen
platzen lassen möchte. Sondern mit der Rolle, die Juhnke in Berlin
spielt. Der ist ein moderner Volksschauspieler, überall beliebt.
Und auch mir passiert, dass mich Straßenarbeiter oder Verkäufer
ansprechen und sagen: Weiter so! Das heißt nicht, dass ich nur noch
am Kurfürstendamm auftreten möchte. Ich will ein ernst zu nehmender
Charakterdarsteller sein. Ich möchte bodenständig bleiben.
Ist das der Grund, warum Sie regelmäßig
boxen?
Ich boxe gar nicht regelmäßig. Gerade spiele ich in Berlin
Theater, das ist schon so anstrengend, das reicht mir als
Konditionstraining. Aber ich lasse nie ganz die Finger davon. Sport
räumt ja auch die Birne auf.
Sind Sie auch mal k.o. gegangen?
Ja. Da sieht man wirklich bunte Sterne. Einmal passierte es
sogar bei den Dreharbeiten zu dem "Tatort", in dem ich einen Boxer
spiele. Da hat mein Partner mir so etwas von gewummst, und ich ging
zu Boden. Die Szene sieht man auch in dem Krimi - alles echt!
Sie möchten volksnah sein. Wie schafft das
einer überhaupt, der so viel arbeitet wie Sie? Sie spielen im
Theater und im Kino, machen Lesungen, singen. . .
Ich schaffe das durch die Art und Weise, wie ich arbeite, dass
ich Menschen wirklich zum Lachen und zum Weinen bringe. Dadurch
haben die Leute einen direkten Bezug zu mir. Und ich habe auch das
Gefühl, dass die Leute meine direkte Art mögen, dass ich sozusagen
einer zum Anfassen bin.
Geht Ihnen das nie auf die Nerven, wenn
wildfremde Menschen Sie erkennen, beobachten, ansprechen?
Doch, absolut. Man gewöhnt sich daran und entwickelt ein dickes
Fell - aber oft geht es mir auch auf den Senkel. Das sind eben die
Geister, die ich rief.
Sind Sie eigentlich eitel?
Ja, supereitel. That's part of the job. Ich bin schon ein sehr
selbstverliebter Mensch. Aber das geht nicht so weit, dass ich
damit anderen Leuten weh tue. Das habe ich inzwischen gelernt.
Als Schauspieler sind Sie ein physisch
orientierter Typ. Wie haben Sie sich auf diesen so ganz anderen
Menschen eingestellt, den Sie jetzt in "Ein Lied von Liebe und
Tod" darstellen?
Ich habe den weniger intuitiv gespielt als sonst. Diesmal habe
ich sehr genau mit dem Kopf gearbeitet. Sehr feinmechanisch. Bei
den Sprüngen, die die Rolle hat, muss man sehr aufpassen. Die Figur
hat eine Gefährlichkeit, die sehr heutig, sehr modern ist. Das ist
kein Nazi, bei dem man denkt: Der Typ ist seit 50 Jahren vermodert.
Das wollte ich auch so. Den einfachen blonden Nazi hätte ich nicht
gegeben, ich möchte nicht der Vorzeigenazi der Nation werden.
Wie war das für Sie, zum ersten Mal mit Ihrem
leiblichen Vater Rolf Becker aufzutreten?
Das war wunderbar. Mir hat die Idee von Regisseur Rolf Schübel
gefallen. Zu meinem Erzeuger habe ich auch ein gutes Verhältnis.
Wir treffen uns öfters, und mein Stiefvater Otto Sander und er
schätzen sich durchaus.
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