»So ein Museum ist ein Spiegel der Gesellschaft« |
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Handy-Foto im Museum: In den Uffizien | ||
(Foto: Piffl Medien GmbH) |
Die »Uffizien«, das sind ganz wörtlich »Büros«. Aber schon in der Spätrenaissance wurde dieser Gebäudekomplex zu einer Gemäldegalerie und -sammlung und damit zum ersten öffentlichen Museum der Welt.
Die Kölner Dokumentarfilmregisseurin Corinna Belz hat diesen jetzt ins Zentrum ihres neuen Films gedreht: In den Uffizien entstand als
Gemeinschaftsarbeit mit Enrique Sánchez Lansch. Es ist ein seltener Einblick in den Maschinenraum eines Museums, ein Film mit einmaligen wunderbaren Innenansichten geworden, der zugleich den Blick öffnet für das Originäre und Neue der Renaissance.
Corinna Belz, die Philosophie und Kunstgeschichte studierte, hat seit 1992 über 20 Filme als Regisseurin gedreht, in weiteren trat sie als Darstellerin auf oder war für die Montage verantwortlich. Bekannt wurde sie in den letzten
Jahren vor allem mit Gerhard Richter – Painting (2010) für den sie 2011 den Bundesfilmpreis gewann, und mit Peter Handke – Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte (2016).
Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland
artechock: Du hast mit einem Co-Regisseur gedreht. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Corinna Belz: Ich hatte dieses Thema schon lange im Kopf, und hatte zugleich Lust, mit jemandem zusammen zu arbeiten: In dem Sinne, dass man während des Drehens Schwerpunkte sucht, und überhaupt stärker in einen Dialog kommt – was man ja manchmal, wenn man alleine arbeitet ein bisschen vermisst. Ich habe Enrique Sánchez Lansch auf einer Veranstaltung kennengelernt, und wir sind dann ins Gespräch gekommen.
artechock: Ihr zeigt viel: Die Zuschauer lernen die ganze Maschinerie der Uffizien kennen, und bekommen einige seltene Einblicke.
Manchmal konzentriert ihr Euch ganz auf die dortigen Bilder, auch in Ausschnitten. Diese Passagen sind wie kleine Clips, poetisch und philosophisch, manchmal auch angeregt durch das, was davor oder danach gesagt wird. Ihr leitet das schon ganz zu Anfang ein, indem ihr darauf hinweist, dass »ein neues Bild vom Menschen« In der Renaissance begründet und in den Uffizien in gewissen Sinn propagiert wurde. Was hast du vorher für ein Verhältnis zu den Uffizien und der Renaissance-Malerei gehabt?
Belz: Ich hatte vorher das Verhältnis eines Besuchers. Ich war das erste Mal mit 17 mit der Schulklasse in Florenz. Später habe ich Kunstgeschichte studiert und da ist es ganz selbstverständlich, dass man sich mit der Renaissance auseinandersetzt.
Die Idee der Renaissance ist ja, dass das Menschenbild individualisiert wird. Das ist das, was in der Renaissance entdeckt wurde. Die Künstler fingen an, ihre Bilder zu signieren,
die ersten kunstgeschichtlichen Schriften entstanden in Buchform, Vasari hat die Idee des Künstlers als Schöpfer begründet. Die Säle der Uffizien sind ja chronologisch aufgebaut. Und so werden die Dargestellten immer individueller, von Giotto bis hin zu Botticelli, oder Caravaggio. Deren Gesichter haben oft etwas sehr Gegenwärtiges und ähneln manchmal auf ganz verblüffende Weise den Zuschauern, die ihnen gegenüber stehen.
artechock: Was war die Renaissance? Ein neues Menschenideal, oder die Hinwendung zum Realismus, die Entdeckung auch der hässlichen Seite des Menschen?
Belz: In der Antike ist mit den Mythen schon die hässliche, gewalttätige Seite des Menschen sogar im Göttlichen repräsentiert. Natürlich auch in der Bibel. Insofern ist in der Renaissance beides gegenwärtig. Der Rückgriff auf die Antike und ihren Bildfundus hat die Renaissance und Florenz zur Blüte gebracht. Und natürlich das Geld der Medici. Die Erfindung des Goldflorin, also des einheitlichen Geldstandards mit seinem Tauschwert hat den ganzen Warenhandel auf eine neue Ebene gebracht. Die Zünfte waren auch Auftraggeber für Künstler und haben neben der Kirche aus der Kunst überhaupt erst ein Riesenbusiness gemacht.
artechock: Ihr zeigt ja auch, dass die Uffizien eine gewisse Art von Bühne für Propaganda und Selbstdarstellung waren. Wie ist das heute? Für was sind die Uffizien heute eine Bühne? Wir sehen bei euch zum Beispiel Szenen, in denen reiche Geldgeber vom Direktor einer Exklusivführung bekommen.
Belz: In gewissem Sinne sind die Uffizien für jeden eine Bühne, der dort eintritt. Es ist ja ein Phänomen, dass die Besucher sich selber vor den Bildern fotografieren – natürlich haben sie einen anderen Status, als Geldgeber, oder Künstler die dort ausstellen.
So ein Museum ist ein Spiegel der Gesellschaft, und kein egalitäres utopisches Wunderland. Das ist auch das Wunderbare an Museen, dass alle gesellschaftlichen Brüche sich
darin und an den Bildern ablesen lassen.
artechock: Einmal sagt der Hausmeister der Uffizien, man müsse eigentlich vier bis fünf Tage in den Uffizien verbringen, er mokiert sich über diejenigen die da sehr schnell durchheizen. Kann man das heute noch, sich tagelang Zeit nehmen für einen Besuch?
Belz: Natürlich kann man die Uffizien so besuchen. Das ist eine Frage des eigenen Zeitmanagements. Wenn ich zwei Wochen Urlaub habe, kann ich statt nach Mallorca oder auf die Malediven zu fliegen, mich auch zwei Wochen In Florenz in eine Pension einmieten, und jeden Tag ins Museum gehen. Und natürlich wird man das dann auch anders erfahren und erleben. Denn dieses Museum ist eine Überforderung, die man mit einem Mal gar nicht erfassen
kann.
Man kann schon sagen, dass eigentlich alle Mitarbeiter dort Spezialisten sind. Während sie da arbeiten schauen sie immer noch die Bilder an.
artechock: Wie habt ihr gedreht? Wie lange hat das gedauert und wie war das überhaupt möglich?
Belz: Wir sind ungefähr elf Mal dorthin gefahren. Beim ersten drei Block waren wir drei Wochen da, Dabei haben sich gewisse Themen ergeben, die wir danach dann weiter verfolgt haben. Dies war von der Logistik her ungeheuer kompliziert, weil das Museum unter Umständen viel spontaner plant, als man denken würde.
Es war eine der größten Schwierigkeiten, wirklich in dem Moment da zu sein, indem etwas passierte. Insgesamt hatten wir glaube ich
50 Drehtage – was eine Menge ist. Wir haben auch vieles gedreht, was wir dann in den Film nicht integrieren konnten.
Gerade in einem Museum ist ein gewisser Atem so wichtig – denn das ist ja das, womit man in ein Museum gehen sollte oder könnte. Und das ist es ja, was das Museum vor anderen Angeboten auszeichnet. Ich denke manchmal, wenn der Flaneur oder die Passante irgendwo überlebt hat, dann ist es im Museum.
Ich mag die Idee, dass man im Museum nicht in ein
dramaturgisches Konzept gezwungen ist, sondern selber bestimmt, wo man stehen bleibt.
Im Film ist das natürlich nicht möglich. Diese Faszination des Einzelbildes, und das Ideal eines emanzipierten Betrachters, der seine Aufmerksamkeit selber einteilt, und dem Bild schenkt, solange er gerne möchte, das existiert in den anderen Unterhaltungsangeboten nicht. In der Unterhaltungsindustrie geht es meistens darum, die Zuschauer zu fesseln. Das Museum ist sozusagen eine
Entfesslungskünstlerin.
artechock: Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden bist Du mit Deinen Portraits über Gerhard Richter und über Peter Handke. Wer waren diesmal Deine Protagonisten?
Belz: Die Bilder sind eigentlich die Hauptfiguren, weil der ganze personelle Aufwand und auch das Gebäude den Bildern ein Zuhause gibt. Was uns die Mitarbeiter erzählt haben: dass sie oft das Gefühl haben, die Bilder schauen sie an.
Natürlich ist es ein Riesen-Unterschied, weil man beim Porträt eines Museums seinen Fokus erst finden muss. So ist der Film auch erzählt: Vieles passiert gleichzeitig. Deswegen hat der Film so eine
episodische Struktur.