»Schönheit ist meine Geheimwaffe« |
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Halle Berry und Billy Bob Thornton in Monster’s Ball |
Mit der Schauspielerin Halle Berry wurde die erste Schwarze überhaupt mit einem Preis für die beste Hauptrolle belohnt. Für Monster’s Ball , der im Herbst in Deutschland anlaufen wird, hatte sie bereits bei der diesjährigen Berlinale einen Silbernen Bären erhalten.
Mit Halle Berry sprach Rüdiger Suchsland
artechock: So hervorragend Monster’s Ball gelungen ist – im Vorfeld war das nicht abzusehen. Im Gegenteil barg das Projekt Gefahren: Ein Regisseur, der bisher unbekannt war, eine Geschichte, die leicht ins Billig-Sentimentale hätte abgleiten können, eine Rolle, die so freizügig ist, dass sie Ihrem persönlichen Ruf leicht hätte schaden können...
Halle Berry: Jede Rolle kann eindimensional oder sentimental werden – wenn man nicht richtig an ihr arbeitet. Ich habe hier Regisseur Marc Forster viel zu verdanken: Er wollte kein Melodram, er wollte einen kühlen, intelligenten Film, und war sehr wachsam, um dies sicher zu stellen. Es war eine kompromisslose Arbeit. Sie blieb genau am Script, das wunderbar geschrieben ist. Monster’s Ball war die Art von Film, bei der man das Drehbuch liest, und sofort weiß: Dies ist großartig. Wir alle wollten in jeder Szene das tun, was angemessen ist – nicht in einem politisch-korrekten Sinn, sondern den Charakteren.
artechock: Es scheint schwer zu sein, in Hollywood überhaupt an solche guten Rollen zu kommen? Wie wählen Sie Ihre Rollen, welche Probleme gibt es dabei?
Berry: Ja in Hollywood selbst ist es sehr schwer – für farbige Frauen, aber auch für weiße –, Rollen zu bekommen, die nicht eindimensional sind, sondern komplex und human. Es ist eine männerbestimmte Industrie.
Meine persönliche Rollenauswahl leidet natürlich unter großen Einschränkungen durch meine Hautfarbe. Was ich darum zu tun versuche, ist, Rollen zu spielen, die in sich sehr verschieden sind, mir eine Möglichkeit
geben, mein wirkliches Können zu zeigen. Zugleich ist es aber wichtig für meine Karriere, auch in Big-Budget-Hollywoodfilmen mitzuspielen, wenn ich die Möglichkeit habe. Denn dadurch kann ich auch etwas zu wirklicher Gleichberechtigung beitragen, dazu, dass es selbstverständlicher wird, Schwarze in Mainstream-Filmen zu zeigen. Darum sind solche »Großfilme« für meine Karriere genauso wichtig, wie der wunderbare ernste Schauspielauftritt in Monster’s Ball.
artechock: Sie sind nicht nur eine gute Schauspielerin, sondern auch eine schöne Frau. Schönheit wird schnell zum Markenartikel, Sie können sie benutzen, aber es gibt für eine Schauspielerin auch die Gefahr, hinter ihr zu verschwinden. Wie gehen Sie damit um?
Berry: Gut. Schönheit ist eine Hilfe. Ich kann mir mehr aussuchen, als andere. Wenn es darauf ankommt, gelang es mir immer, den Stereotypen zu entkommen. Und für eine Farbige ist Schönheit eine Geheimwaffe gegen Vorurteile. [Lacht]
artechock: Die arme Kellnerin Laetitia in Monster’s Ball hat den Amerikanischen Traum nicht so ausgekostet, wie Sie selbst. Wie haben Sie sich dieser Rolle genährt?
Berry: Glauben Sie es oder nicht: Aber ich habe den Amerikanischen Traum nicht immer bemerkt. Es gab in meinem Leben viele Höhen, aber auch Tiefen, es war bestimmt nicht ohne Mühe und Kampf und auch Schmerz. Einiges davon ist sehr privat. Was mich auch mit Laetitia verbindet, ist dass ich von einer alleinstehenden Mutter aufgezogen wurde. Mein Vater verließ die Familie, als ich sehr klein war, er war Alkoholiker und hatte sich nicht unter Kontrolle. Diese Erfahrung wirft ihren Schatten auf Laetitia, die auch ein Alkoholproblem hat. Für die Rolle musste ich einen Teil Laetitias in mir selbst suchen, herausfinden. Ich habe allerdings mit ein paar Frauen gesprochen, deren Männer im Todestrakt sitzen.
artechock: Wie ist Ihre persönliche Haltung zur Frage der Todesstrafe?
Berry: Ich bin gegen sie. Andererseits habe ich durchaus Mitgefühl und Verständnis für die Wut und den Schmerz von Menschen, deren liebste Menschen Opfer von Verbrechen wurden. Aber ich würde nie selbst einen Menschen töten. Oder bei einer Hinrichtung zugucken.
artechock: Diese Laetitia, fällt durch Ihren unsicheren Gang auf. War das ein Mittel, innere Unsicherheit zu zeigen?
Berry: Für mich ist die Art, wie eine Figur geht, tatsächlich immer das erste, um mich einem Charakter zu nähern. Wie sie läuft bestimmt, wer sie ist. Vor dem Dreh hatten Marc Forster und ich viele Gespräche über äußerliche Merkmale der Figur. So zum Beispiel ist sie auch Kettenraucherin. Solche habituellen Dinge – ohne dass man sie zu dick aufträgt – sind im Film sehr wichtig. Man muss der Figur anmerken, was sich hinter der
gefassten Erscheinung verbirgt: Ein hartes Leben, viel Schmerz und Angst.
Es war besonders schwer, mit dem Kind zu arbeiten, das meinen zehnjährigen, übergewichtigen Sohn spielt. Man musste einfühlsam sein, weil er – wie die Figur im Film – unter Übergewicht leidet, und verspottet wird.
artechock: Was hat Sie an der Rolle am meisten gereizt?
Berry: Es ging um das, was ich den „Kuss des Lebens“ nennen möchte: Die Chance von zwei verlorenen Seelen, ihr Leben radikal zu verändern, noch einmal neu in den Griff zu bekommen. Sie kamen zusammen und haben sich selbst gegenseitig Hoffnung gegeben.
artechock: Es war das erste Mal für Sie, dass Sie mit einem europäischen Filmemacher zusammengearbeitet haben. Gibt es Unterschiede?
Berry: Ja, es ist sehr unterschiedlich. Ich möchte meine andere Arbeit nicht verraten, aber Marc Forster war perfekt für diese so äußerst amerikanische Geschichte Der Grund dafür war, dass er sich alldem von Außen nähert. Einfach als Mensch. Er erzählt eine Liebesgeschichte, ohne sich in der politischen Debatte für und wider die Todesstrafe klar zu positionieren, ohne sich an die unausgesprochenen Regeln für diese Debatte zu halten. Das gleiche gilt für das Thema Rassismus. Marc Forster ist das alles mit sehr leichter Hand angegangen. Beides – Todesstrafe und Rassismus – sind unterschwellig immer präsent, aber nie wirkt es dick aufgetragen. Ich fürchte in den Händen eines US-Regisseur wäre daraus etwas Platteres geworden. Aber Monster’s Ball handelt von soviel mehr, hat so viele Ebenen.
artechock: Die hat in anderem Sinne auch ihr nächster Film, der neue James-Bond Die Another Day.
Berry: Das ist ja gerade das Schöne am Schauspieler-Dasein: Man kann von einem so realistischen Film wie Monster’s Ball zu einer puren Phantasie wie James-Bond wechseln. Ich würde nicht jedes Mal so etwas wie Monster’s Ball drehen wollen, sondern alle Extreme ausreizen. Hoffentlich gibt es immer wieder etwas Neues.