13.11.2003

Dreizehn

Holly Hunter und Catherine Hardwicke
Holly Hunter und Catherine Hardwicke

Interview mit Regisseurin Catherine Hardwicke

Die in Texas geborene Catherine Hardwicke wurde in der Filmszene zunächst als Produk­ti­ons­de­si­gnerin bekannt. Unter anderem schuf sie Kostüme und Kulissen für so bekannte Filme wie Vanilla Sky, Three Kings und Tank Girl. Mit ihrem Debüt Dreizehn gelang Hardwicke nun ein inter­na­tio­naler Über­ra­schungs­er­folg bei Publikum und Kritik. Der Film über den ganz normalen Alltag zweier Teen­ager­mäd­chen gewann beim renom­mierten Festival von Sundance des Regie­preis, sowie zwei „Silberne Leoparden“ beim Festival von Locarno.
Mit Catherine Hardwicke sprach Rüdiger Suchsland.

artechock: Was an Dreizehn besonders gefällt, ist sein Realismus. Der Film beschreibt kühl, mora­li­siert nie. Woher wissen Sie soviel über die heutigen Jugend­li­chen?

Catherine Hardwicke: Ich wusste gar nichts. Aber durch meine Stief­tochter Nikki Reed, die auch die eine Haupt­rolle spielt, und ihre Freunde, habe ich viel gelernt. Wir haben das Drehbuch zusammen geschrieben, aber die meisten Fakten stammen von ihr. Und das Verhältnis der Mutter, die Holly Hunter spielt, und der Tochter trifft etwa unser Verhältnis zu jener Zeit.

artechock: Erwach­sene tun sich schwer, Heran­wach­sende zu verstehen. Das ist ein uraltes Thema. Was ist das neue in »Dreizehn«?

Hardwicke: Wer seinen 13. Geburtstag feiert, der steht zwischen Kindheit und Erwach­sen­sein. Zu allen Zeiten setzten sich Jugend­liche von ihren Eltern ab. Man probiert Drogen aus, lernt Sex kennen – ich will das alles nicht verherr­li­chen, aber es scheint dazu­zu­gehören. Die Welt der Kiddies ist den Erwach­senen verschlossen. Und die Eltern glaubten, auch wenn sie selbst das Gleiche erlebt haben: »Mein Kind ist anders. Mein Kind tut so etwas nicht.« Aber das sind Illu­sionen. Man kann nur versuchen, den Kontakt zu den Kindern nicht zu verlieren.
Was aber neu ist, ist die Bedeutung des Konsums und einer Kultur des Ober­fläch­li­chen. Heute diktiert nicht so sehr der Wunsch zu expe­ri­men­tieren, die Welt und ihre Gefahren kennen zu lernen, das Leben der Teenies, sondern die Mode, der Drang perfekt auszu­sehen. Ich kenne 16jährige, die haben schon mehrere Schön­heits­ope­ra­tionen hinter sich. Sie stehen um 6 Uhr auf, und schminken sich zwei Stunden für die Schule. Das ist pervers – und keine Frage: Es hat schlechte Folgen!

artechock: Auch Konsum gibt es schon lange. Ist dies heute wirklich so neu?

Hardwicke: Ich denke schon. sehen Sie die Werbung an: Heute verspricht sie Sinn und ein besseres Leben, sie sugge­riert: Ohne Konsum sind wir unglück­lich. Es gab schon immer Extreme. Aber das Extreme ist heute normal geworden.

Was auffällt: In »Dreizehn« kommen kaum Jungs vor, und wenn, dann nur am Rand...

Hardwicke: Ja, [Lacht] da sehen die Männer, mal, wie es Frauen geht, wenn sie einen normalen Hollywood-Film sehen. Ich wollte alles aus der Sicht der Mädchen zeigen. Und das heißt: Die Clique zählt. Jungs sind nur eine Art Preis, den man gewinnen will, ein Objekt. Es geht nicht um Liebe, sondern um Trophäen. Ich denke, in den letzten zehn Jahren sind Jungen zum schwachen Geschlecht geworden. Die Mädchen sind überlegen: schneller, intel­li­genter, weiter entwi­ckelt, und durch ihren Sex-Appeal viel mächtiger.