Roman Polanski legt mit DIE NEUN PFORTEN seinen 15. langen
Spielfilm vor. Bereits auf dem diesjährigen Münchner Filmfest
sprach Rüdiger
Suchsland mit dem Altmeister.
Artechock: Sie haben gerade einen neuen Film
fertiggestellt: DIE NEUN PFORTEN. Es ist eine Art mythische
Detektivstory?
Polanski: In gewissem Sinn, ja. es geht um einen Buchexperten -
gespielt von Johnny Depp - der einem Buch nachforscht, das
übernatürliche Kräfte besitzen soll. Während dieser Recherche
geschehen merkwürdige Dinge, offenbar ist er dem Satan auf der
Spur. Sie merken, es ist eine Komödie. Mehr sage ich Ihnen nicht,
sonst haben Sie keinen Spaß mehr, wenn Sie ihn sehen.
Sehr oft geht es in Ihren Filmen um die dunkle
Seite des Menschen. Was fasziniert Sie daran?
Die gehört untrennbar zum Menschen. Wenn Sie Filme über Menschen
machen, müssen Sie die dunkle Seite mit einbeziehen.
Interessiert es Sie überhaupt, in Ihren Filmen
ein komplettes Bild des Menschen zu geben?
Das kann ich kaum beantworten. Ich interessiere mich für
konkrete Themen. Ich bin viel weniger philosophisch, als Sie
denken. Mir geht es um die Vorlieben, die ich jetzt und hier habe.
Ich mache Filme, die ich gerne selber sehen würde. Und im Grunde
mache ich die Filme auch nur für mich selber.
Mögen Sie Ihre eigenen Filme?
Ich mag Sie, wenn Sie fertig sind. Der Prozeß des Filmemachens
ist sehr kompliziert, ein Haufen von Zufällen und Dingen, um die
Sie sich kümmern müssen, und gleichzeitig wollen Sie das umsetzen,
was Sie ursprünglich im Kopf hatten. Das kann man natürlich nie zu
100 Prozent. Man kann es meistens noch nicht einmal zu 50 Prozent.
Aber man versucht so nahe wie möglich an die ursprüngliche Idee
heran zu kommen. Aber wenn es fertig ist, freut man sich. Einige
Jahre später ist die Freude dann nicht mehr so groß. Zumindest gibt
es kaum einen meiner Filme, die ich von Anfang bis Ende mag. Da
sind wunderbare Momente, aber auch Szenen, die ich heute anders
machen würde. Das ist eine Frage der Perspektive, aber auch der
Zeit, die vergangen ist. Aber ich habe den Verdacht, daß es nicht
nur daran liegt, sondern daß man, wenn man älter ist, auch einen
immer objektiveren Blick hat, alles distanzierter sieht. Ich wäre
froh, wenn es eine Droge gäbe, die einen vergessen ließe, was man
gestern getan hat. Ich könnte meine Filme neu sehen, zum ersten
Mal.
Ist es schmerzhaft für Sie, Ihre alten Filme
wiederzusehen?
Es ist beides, eine Art sadomasochistischer Lust. Meine ganz
frühen Filme bringen mich wirklich in Verlegenheit.
Welchen Ihrer eigenen Filme mögen Sie heute am
liebsten?
"Tanz der Vampire" vermutlich, einen wirklich witzigen Film. Die
Atmosphäre war sehr angenehm. Ich glaube nicht, daß er eine große
filmische Leistung ist, und ein paar Momente sind eher mißglückt,
aber als Ganzes ist er sehr charmant.
Sie machen seit über 30 Jahren Filme. Fühlen
Sie keine Müdigkeit?
Nein, zu filmen ist meine Passion. Ich habe bisher noch keinen
Film gemacht, den ich ganz als "meinen Film" empfinde. Hoffentlich
geschieht das irgendwann, und vielleicht geht es mir danach anders.
Aber bisher habe ich meinen "Moby Dick noch nicht gefunden".
Vielleicht sollte ich einen Film über meine Kindheit machen. Auch
DIE NEUN PFORTEN: Wenn einer nach einem Buch mit übernatürlichen
Kräften sucht kann man das ja nicht wirklich ernst nehmen, oder
finden Sie?
Wenn das Filmemachen so eine Passion ist, was
genau ist das Objekt dieser Passion?
Der Prozeß des Filmemachens selber, das mag ich wirklich sehr,
aber die Leute verstehen das nicht. Film ist ein Spielzeug für
mich. Und es ist doch toll: Wir dürfen spielen und bekommen es noch
bezahlt. Wir bauen erst eine Brücke auf, dann sprengen wir sie in
die Luft - stellen Sie sich ein besseres Spiel vor! Wir müssen es
ja nicht allen sagen, daß es so viel Spaß macht.
Ihre Filme sind immer voller Humor. Wie
wichtig ist Ihnen Humor?
Er ist essentiell, das Allerwichtigste. Wenn Sie mich vorhin auf
die dunkle Seite meiner Filme hingewiesen haben: Hier ist die
helle! Horror und Humor gehören ja eng zusammen. Ja, ich finde
Horror auch sehr witzig. In den Filmen, nicht im Leben. Vielleicht
hält man den Horror im Leben besser aus, wenn man Horrorfilme macht
- ich weiß nicht, vielleicht. Denken Sie, daß ich Filmen als
Selbsttherapie betreibe?
Das haben Sie gesagt.
Ja, Sie haben mich dahin geführt. Wahrscheinlich ist das so.
Warum mögen Kinder gerne Horrorgeschichten? Es muß irgendwie
helfen, mit Angst und Schrecken der Wirklichkeit fertig zu werden.
Aber das sollten wir bei einem Therapeuten nachfragen.
Die Kritik zu DIE NEUN PFORTEN von Rüdiger
Suchsland
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