Frankreich/Spanien 1999 · 132 min. · FSK: ab 12 Regie: Roman Polanski Drehbuch: John Brownjohn, Roman Polanski Kamera: Darius Khondji Darsteller: Johnny Depp, Lena Olin, Emmanuelle Seigner, Frank Langella u.a. |
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Samtweich fliegt die Kamera geschwind in die Dunkelheit, ein schweres Holztor tut sich auf, und weiter geht es, tiefer hinein ins Nichts. Noch ein Tor, noch eins, solange bis das neunte erreicht ist.
Vielversprechend ist dieser Beginn von Roman Polanskis neuem Film, mit dem er, so scheint es, zu seinen Anfängen zurückkehrt. Ende der 60er Jahre galt der Pole vor allem als Horrorexperte. Hatte er danach Gesellschaftskomödien und Melodramen verfilmt, kehrte er bereits in seinen letzten Filmen (Bitter Moon, Der Tod und das Mädchen) zum – freilich realistischen – Thriller zurück. Hier nun wird der Realismus in seiner Selbstgewißheit gebrochen, und wir dürfen ihm zuschauen, wie er verfliegt.
Die neun Pforten funktioniert wie ein Entwicklungsroman. Man begleitet Dean Corso (in seiner Mischung aus Arroganz und Unsicherheit überzeugend gespielt von Johnny Depp) auf einer Reise in neue unbekannte Regionen. Corso ist ein Bücherdetektiv, ganz von dieser Welt, für reiche Sammler beschafft er seltene Erstausgaben.
Cool und scheinbar abgebrüht begegnet er auch seinem neuen Auftrag; für einen Okkultismus-Forscher soll er ein Buch beschaffen, das nur einmal existiert. Dessen Autor: Satan persönlich.
»So ein Unsinn. Das kann doch nicht wahr sein.« scheint jeder Blick Corsos zu sagen. Und welcher ernsthafte, aufgeklärte Mensch könnte schon solchen esoterischen Phantasiegespinsten glauben.
Indem wir Corso auf seiner Reise ins Land des Teufels und die Reiche des Satanismus begleiten, erleben
wir, wie diese Skepsis erschüttert wird. Denn allzu eindeutig sind die Zeichen, und mit der Zeit scheint sich auch die letzte rationale Erklärung für all die Merkwürdigkeiten, denen Corso ausgesetzt ist, in Luft aufzulösen.
Polanski inszeniert dies beiläufig, ohne Aufwand, anspielungsreich aber ohne Schock und echten Horror, in einem Stil, den die Thriller der 70er Jahre hatten. Ähnlich wie zuletzt in Stanley Kubricks Eyes Wide Shut – mit dem der Film in vielem vergleichbar ist – wirkt hier das Abseitige, das dunkle Innenleben der bürgerlichen Normalität, in die diese Hauptfigur uns führt, nur zitiert. Wie durch eine Traumlandschaft reisen wir, mit skeptischem Blick, aber gebannt das Unglaubliche zur Kenntnis nehmend. Es wird schon eine Erklärung geben, glaubt man bis zum Schluß, eine Auflösung, die alles wieder ins Lot rückt, uns die hexenhafte schwarze Witwe (Lena Olin) verstehen läßt, deren Attacken Corso – und wir mit ihm – ebenso ratlos ausgesetzt ist, wie den Rettungstaten eines blonden Engels (Emmanuelle Seigner).
Gibt es wirklich eine Erklärung? Polanski scheint sich anders zu entscheiden. Zwar ironisiert er dezent das ganze Genre. Ohne zu denunzieren macht er sich lustig über jene, die dem Schrecken eine Bedeutung, einen Sinn über seine reine Leere hinaus geben wollen (und es sich damit in ihm heimisch machen). Damit kommentiert Polanski zugleich die plötzliche Wiederkehr des Okkulten in den Filmen des letzten Jahres (von End of Days über Blair Witch bis zu The Sixth Sense). Der Teufel ist einfach der Teufel, mehr nicht. Du kannst Dir kein Bild machen, scheint er zu sagen.
Doch noch mehr inszeniert er – wie schon im Kameraflug des Beginns – bis zum Ende den Sog zur »anderen« Seite, den faszinierten Drang, der einen nicht losläßt, bis man das Ungesehene geschaut hat. So entsteht die alptraumhafte Studie eines Skeptikers, der plötzlich auch seiner Skepsis zu mißtrauen lernt.