»Bilder können nicht anders, sie lügen« |
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Robin Williams als Sy Parrish |
Sein Spielfilmdebut liegt eine gute Weile zurück: 1985 drehte Mark Romanek den schrägen Static. Seither machte er durch (teils unvergessliche: siehe Nine Inch Nails' Closer) Musikvideos auf sich aufmerksam. Mit dem Thriller One Hour Photo kehrt der Regisseur auf die große Leinwand zurück.
Mit Mark Romanek sprach André Grzeszyk.
artechock: Hattest du Schwierigkeiten One Hour Photo zu realisieren?
Mark Romanek: Nichts an diesem Film machte Schwierigkeiten. Ich habe in den letzten sieben, acht Jahren viele Projekte zu realisieren versucht, aber nichts davon hat geklappt. Bei One Hour Photo haben die Dreharbeiten zehn Monate, nachdem ich mich für die Idee interessierte, begonnen – und da gab es noch nicht einmal das fertige Drehbuch. Der Film wollte gemacht werden, so wie er jetzt ist. Und das beinhaltet auch Robin Williams.
artechock: War er von Anfang an beteiligt?
Romanek: Ich hatte zu Beginn gar nicht an Robin Williams gedacht. Ein wirklicher Star würde nicht in einem so düsteren Film mitmachen wollen... Also, warum hätte ich ihn belästigen sollen? Ich wollte mit einem guten Independent-Schauspieler drehen. Aber dann hat Robins Agent das Drehbuch gelesen, und so kam die Idee auf. Ich für meinen Teil war zunächst nicht besonders begeistert – was nicht daran liegt, dass ich kein Fan von Robin
Williams bin – aber diese Figur sollte jemand sein, den der Zuschauer, fünf Minuten nachdem er ihn gesehen hat, wieder vergisst. Das ist ein Widerspruch, weil der ganze Film sich um ihn dreht. Also muss der Charakter gleichzeitig faszinierend und leicht zu vergessen sein. Und mit einem Star in der Hauptrolle treibt man diesen Widerspruch natürlich auf die Spitze.
Das ist auch der Grund, warum wir Robin in seiner körperlichen Erscheinung so stark verändert haben. Das war von
Anfang an klar, denn wir mussten die Zuschauer dazu bringen, nicht in erster Linie Robin Williams zu sehen. Er verstand sofort, was die Grundstimmung des Films bedeutet und wollte den Film machen. Im Nachhinein ein Glücksgriff. Das Studio fühlte sich sicherer mit einem Star im Film, weil wir dadurch natürlich mehr Aufmerksamkeit bekommen würden. Und zugleich bedeutete die Besetzung Robin Williams, dass der Film noch subversiver werden würde.
artechock: Was bedeutet Dir die Figur des Sy Parrish?
Romanek: Schon als ich das Drehbuch fertig geschrieben hatte war mir klar, dass dies ein Film mit einem unheimlichen Heiligen werden würde, nicht mit einem bösen, erschreckenden Menschen. Deshalb endet One Hour Photo auch so überraschend für den Zuschauer. Ich sehe in dem Stoff eine Lovestory über einen Typen, der sich in die Idee einer Familie verliebt, auch wenn sich seine Liebe in sehr krasser Art und Weise manifestiert.
artechock: Noch einmal zum Ende, das wirklich unkonventionell ist. Hattest du das Recht auf den final cut?
Romanek: Das Studio sagte, dass sie mich nicht zwingen würden, Sachen zu ändern oder herauszuschneiden. Es ist nicht diese Art von Studio. Sie bezahlen den Leuten nicht besonders viel Geld und sie verlangen, dass du deine Filme innerhalb eines sehr straffen Budgets realisierst. Im Gegenzug bekommt man völlige kreative Freiheiten.
Das Ende ist so überraschend, weil der ganze Film immer wieder mit den Erwartungen der Zuschauer spielt. In
dem Moment, wo das Jagdmesser auftaucht, denkt man, dass bald Blut fließen wird. Aber dem ist nicht so. Die Familienphotos sind trügerisch, weil sie immer nur perfekte Momente abbilden. Und vielleicht sind die Bilder, die uns der Film zeigt genauso trügerisch. Und vielleicht ist dies eines der Themen, von denen One Hour Photo tatsächlich erzählt: Bilder können nicht anders, sie lügen.
artechock: Wie sah der Produktionsprozess aus?
Romanek: Der Film wurde in 43 Tagen abgedreht. Dann habe ich mir aber 13 Monate Zeit für den Schnitt genommen. Zum einen, weil ich die Arbeit gemocht habe. Zum anderen war der Film wirklich schwer zu schneiden. Die Zuschauer sollen sich so auf die Charaktere einlassen, wie ich es will und der Linie bis zum Schluss folgen. Robin Williams bot mir viele Möglichkeiten in seinem Spiel, viele Variationen, so dass ich One Hour Photo noch düsterer hätte schneiden können, oder auch lustiger und leichter. Allein Robin gerecht zu werden hat neun Monate gedauert. Man kann im Schnitt die Leistung eines Schauspielers unterstützen, man kann sie aber auch zunichte machen, und ich fühlte mich Robin gegenüber einfach enorm verpflichtet.
artechock: Vor One Hour Photo hast du viele Videoclips gemacht. War es ein großer Schritt von dort zum Spielfilm?
Romanek: Die Videos waren eine große Hilfe und gaben mir die Möglichkeit, diesen Film zu machen. 10 Jahre Clips haben mich das Handwerk gelehrt. Ich musste mir während des Drehs nicht so viele Gedanken über die technische Seite der Produktion machen und konnte mich so auf die Schauspieler konzentrieren. Und ich hatte viele Mitarbeiter, die ich mitbringen konnte. Es ist fast wie eine Familie mit der ich arbeite. Das gibt mir ein starkes
Gefühl von Sicherheit.
Jedoch bringen dir die Videos nicht wirklich bei, wie man einen Film macht. Ich habe mich mit One Hour Photo immer gefühlt wie mit einem klassischen Musikstück, wie mit einer Symphonie. Es gibt Tempiwechsel, der Rhythmus ist mal schneller, mal langsamer, was es beim Clip nicht gibt.