»Das ist schwierig, gefährlich und sehr interessant.« |
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„Wüste Film“-Produktion Emmas Glück |
Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.
Ralph Schwingel, geboren 1955 in Neunkirchen, ist einer der erfolgreichsten deutschen Filmproduzenten im Independent-Bereich. Zunächst ausgebildeter Psychologe, begann in den 80er Jahren als Filmemacher und gründete 1989 die Hamburger „Wüste Film“, deren Mitinhaber er bis heute ist. 2012 zog er sich aus dem operativen Geschäft zurück und arbeitete als Psychotherapeut. Vergangene Woche wurde gemeldet, dass Schwingels Berufung zum neuen Direktor der DFFB
„in Aussicht genommen“ würde. Nicht Schwingels Person, sehr wohl aber das Verfahren seiner Ernennung ist umstritten und wird von vielen Seiten kritisiert.
Am vergangenen Montag stellte sich Schwingel im Rahmen einer Vollversammlung den Dozenten und Studenten der DFFB zum Gespräch. Im Vorfeld dazu entstand dieses Interview – über die neueren Entwicklungen konnte dort noch nicht gesprochen werden.
artechock: Vergangene Woche wurde bekannt, dass, wie es etwas gewunden heißt, „in Aussicht genommen wird“, Sie zum neuen DFFB-Direktor zu berufen. Wie kam es überhaupt dazu?
Ralph Schwingel: Ausgangspunkt war, dass man mich Anfang Januar angerufen hat, und erkundigt, ob ich Interesse hätte, mich zu bemühen, Direktor an der DFFB zu werden. Das war von meiner Seite unvorbereitet. Die DFFB und ihre Geschichte kannte ich natürlich, aber ich habe mich dann zunächst mal bei Freunden, Bekannten und über öffentlich zugängliche Quellen über die aktuelle Situation an der DFFB, auch über den Streit um die Berufung informiert, um zu verstehen, wie es überhaupt dazu kommt, dass man mich fragt. Mein Eindruck war: Das ist schwierig, gefährlich und sehr interessant.
artechock: Haben Sie seitdem Vorgespräche geführt?
Schwingel: Es hat eine kurze Begegnung mit den geschäftsführenden Direktoren gegeben.
artechock: Wer genau hatte Sie gefragt?
Schwingel: Ich würde das ungern sagen und möchte mich da lieber zurückhalten. Das kam aus dem erweiterten Kreis des Kuratoriums
artechock: Sie kennen als Filmemacher und Dozent in Potsdam natürlich die DFFB und viele ihrer Absolventen der vergangenen Jahrzehnte. Was braucht eine Filmhochschule in unserer jetzigen Film- und Medienlandschaft?
Schwingel: Die Freiheit des Gedankens. Die gehört zur DNA der DFFB. Das sollte auch voneinander immer verlangt werden können. An Hochschulen sind Jahrgänge oft wichtig, die sich untereinander anstacheln.
Wenn man von einem DFFB-Stil sprechen kann, ist mir schon etwas aufgefallen: Etwas Strenges. Eine Grundentscheidung, sich dem Zuschauer auf gar keine Weise irgendwie anzubieten. Das kann eine vehemente Stärke sein. Es ist auch eine Stärke dieser Schule, das zu dürfen. Wenn man sich von Grund auf und für jeden erzählerischen Zweck darauf verständigt, das nur auf diese Weise zu tun, dann kann das nach hinten losgehen. Solche Filme meine ich, öfter gesehen zu haben.
In Deutschland könnten wir mehr Offenheit für Genrefilme und Humor gebrauchen. Humor ist eine so große Ressource. Es ist tatsächlich so, dass wir auf die neue deutsche Humorschule bisher noch warten. Aber das kann dennoch nicht die erste Selbstaufforderung der DFFB sein, eine neue deutsche Humorschule zu begründen?
artechock: Sie sind jetzt zitiert worden, Sie beneideten Til Schweiger. Warum eigentlich? Was ist an Til Schweiger eigentlich so toll?
Schwingel: Er hat Kontakt zu seinem Publikum, muss sich nicht verstellen. Er trifft den Ton. Wer von uns hätte sich denn trauen können, einen Alzheimer-Film zu machen, den Warner rausbringt und viele Leute kommen wie ich höre, berührt und glücklich raus. Außerdem: Wer hätte nicht gern mal 6 Millionen Zuschauer?
artechock: Wer soll mehr Freiheit haben, der Regisseur oder Produzent?
Schwingel: Meine Regisseure haben am Set Freiheit der Entscheidung. Aber am Wochenende reden wir dar über, ob das wirklich alles gut ist.
artechock: Haben Sie Zusagen zur nicht völlig gesicherten Zukunft der DFFB bekommen? Zur finanziellen Ausstattung?
Schwingel: Es gibt die klare Verständigung: Eine Abwicklung der DFFB steht nicht im Raum. Ich habe Herrn Böhning danach gefragt, und sehr glaubhaft die Antwort bekommen, dass das nicht geplant ist. Darauf verlasse ich mich. Etwas Anderes wäre mit mir nicht zu machen, da kann ich sehr hartnäckig werden. Ich habe aber keinen Anlass, das zu befürchten: Wenn man überlegt, wie wenig die DFFB das Land Berlin kostet, und was sie Berlin bringt,
wäre es ja auch dumm, sich anders zu entscheiden.
Was das Gesamtbudget angeht, hätte ich mir ein bisschen mehr vorgestellt. Es soll nicht wie eine Anbiederung klingen: Aber die Dozenten sind viel zu schlecht bezahlt. Teilweise ist es eine Zumutung.
artechock: Sie sind in einer Hinsicht in einer unglücklichen Lage: Die Ernennung Ihrer Person ist mit großen öffentlichem Ärger um das Verfahren verbunden. Man beklagt die völlig fehlende Transparenz. Und es ist ein zumindest auffälliger Vorgang, dass die Staatskanzlei das selbstgegebene Verfahren plötzlich ignoriert und Sie quasi per ordre de mufti ernannt werden. Dem m üssen auch Sie sich stellen....
Schwingel: Das Verfahren ist nicht meine Baustelle. Dafür bin ich nicht verantwortlich. Die einzige Frage, die ich mir doch stellen muss, ist die: Bin ich in der Lage, ein Verfahren, das womöglich suboptimal gewesen ist, durch meinen Rückzug zu heilen? Kann ich das, und soll ich das? Das ist eine schwierige Frage – es ist nicht so, dass ich alles unverständlich finde, was da kommt, aber so einfach ist die Sache nicht.
Ich habe
mich mit meinen Gedanken zur Zukunft der DFFB beworben. Da waren die anderen Kandidaten noch gar nicht raus, aber es gab offenbar das Bedürfnis noch jemanden dazuzubitten, der für beide Seiten akzeptabel sein könnte.
artechock: Haben Sie nicht Angst, dass der Anfang zur Belastung wird?
Schwingel: Natürlich. Aber ich hoffe, dass das ein bisschen wird, wie bei diesen Filmen, die in der Vorbereitung extrem kompliziert sind und dann super werden. Natürlich ist es ein wahnsinniges Handicap für den Versuch, hier vertrauensvoll zu arbeiten. Meine Devise heißt: Diskurs, Diskurs. Wir müssen miteinander reden. Ich gehe an so einer Unsicherheit aber auch nicht zugrunde und höre mir zur Not auch noch vier Jahre an, welche Fehler das Verfahren hatte. Aber wir sollten trotzdem in die Zukunft schauen. Und uns wie Menschen begegnen.
artechock: 2012 haben Sie sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Was haben Sie seitdem gemacht?
Schwingel: Ich bin ja Diplom-Psychologe und habe mich fortgebildet; seit Mitte 2013 arbeite ich fest als klinischer Psychologe. Ende 2014 hatte ich mich entschlossen, den im Sommer auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern, und bereits wieder ein bisschen Film zu tun, die Auszeit war also erodiert.
Ich gehe jetzt nicht als Therapeut an die DFFB – das wäre richtig verkehrt. Als Therapeut darf man auch kein Beteiligter sein.
artechock: Wie geht es jetzt weiter?
Schwingel: Heute nehme ich die Gelegenheit wahr, mich allen an der DFFB vorzustellen, damit man sich kennenlernt. Ich biete ein Gespräch an mit dem Ziel, dass alles auf den Tisch zu bringen, was bisher ungehört geblieben ist.