»Ist Helmut Kohl erotisch?« |
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Frau Tabatabai |
Jasmin Tabatabai gehört zu den besten und erfogreichsten deutschen Schauspielerinnen ihrer Generation. Nicht so blond und glatt wie andere setzt man die in Persien Geborene, in Deutschland Aufgewachsene gern als verführerisch-exotische femme fatale ein. So auch in Helmut Dietls Late Show, so in Oskar Roehlers Gierig, der demnächst anläuft, und in Xavier Kollers Tucholsky-Verfilmung Gripsholm, der im kommenden Herbst in den Kinos zu sehen ist.
Mit Jasmin Tabatabai sprach Rüdiger Suchsland.
artechock: Zuletzt hast Du in Helmut Dietls Film Late Show eine toughe Medienfrau gespielt: Carla. Wie charakterisierst Du Deine Rolle?
Jasmin Tabatabai: Carla hat in ihrer Jugend immer ferngesehen, und fand Alexis Colby ganz toll. Eine Frau, der das was sie tut sehr wichtig ist, die dabei so weit wie möglich kommen will, da manchmal Wege geht, über die man streiten kann. Im Grunde genommen ist sie eine Gefangene ihres eigenen Ehrgeizes und ihrer Machtsucht, und fällt damit ja auch ganz schön auf die Schnauze.
Generell ist es natürlich immer eine dankbare und schöne Rolle,
wenn man ungestraft allen möglichen wichtigen und prominenten Leuten Gemeinheiten an den Kopf werfen darf.
artechock: Das ist jetzt das erste Mal, daß Du so eine richtige böse Frau, eine mächtige Intrigantin spielst...
Tabatabai: In der Form auf jeden Fall, ja. Das hat auch sehr viel Spaß gemacht.
artechock: Wie ist das, wenn Frauen mächtig sind? Sind die anders mächtig als Männer?
Tabatabai: Es gibt so wahnsinnig wenig Frauen in der Entertainment-Branche, die wirklich mächtig sind. Madonna ist da sicher eine Vorreiterin. Ich persönlich betrachte mich nicht als besonders mächtig, deswegen kann ich das schlecht sagen.
artechock: Machtgeil, machtbesessen ?
Tabatabai: Ich glaube, Machttrieb ist einfach eine menschliche Eigenschaft. Ich versuche halt immer davon auszugehen, das kein Mensch als Arschloch oder als machtbesessener Mensch auf die Welt kommt. Also überlege ich mir: was könnte das sein ? Was ist das ? Ich glaube daß Machttrieb wie jede Art von Sucht eine Kompensation ist für einen Mangel. In jedem Fall ist das bei dieser Carla ihre Art, geliebt werden zu wollen. Wenn Sie gut ist, machtvoll ist, dann wird sie dafür geliebt. Im Grunde genommen will jeder Mensch für das, was er macht, geliebt und akzeptiert werden. So einfach ist das, glaube ich.
artechock: Ist es so, daß Menschen leichter geliebt werden, wenn sie mächtiger sind, oder ist das dann schwieriger ?
Tabatabai: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Ich selbst fühle mich nicht so mächtig. Aber ich kann mir schon vorstellen, daß es gefährlich werden kann. Es gibt ja Liebe und Liebe. Wieviel gute, richtig gute Freunde hat man im Leben? Die kann man an einer Hand abzählen. Und in dem Moment, wo Du entweder prominent wirst, oder sehr mächtig, hast Du unglaublich viele Leute, die davon profitieren, daß sie sich in Deiner Umgebung aufhalten, von Deiner Energie etwas abkriegen. Ich glaube, man wird unglaublich vorsichtig und mißtrauisch.
artechock: Ist Macht erotisch?
Tabatabai: Ist Helmut Kohl erotisch? [LACHT] Vielleicht für Deine Oma...
artechock: Wie ist es bei Dir? Wenn Du Karriere machst, mußt Du in gewisser weise auch Macht ausstrahlen, zumindest so eine Coolness, Toughness ausstrahlen. Bei manchen Leuten kommst Du damit übel an. Kennst Du das auch ?
Tabatabai: Schauspieler haben es da einfacher. Das ist ein Job, bei dem einem unglaublich viel nachgesehen wird. Denn man weiß ja, daß Schauspieler dadurch, daß sie ihren Körper, ihre Stimme und ihr Gesicht als Instrument einsetzen, sich auch angreifbar machen. Und viele sehen es einem nach, wenn man 'mal schlecht drauf ist, oder unsicher. Insofern fühlt man sich als Darsteller ein bißchen aufgehobener und freier.
Aber jeder, der
diesen Beruf ergreift, ist zu einem bestimmten Ausmaß Exhibitionist, und mag das auch.
artechock: Du bist es jedenfalls?
Tabatabai: Ja natürlich. Sonst wäre ich nicht Schauspielerin. Ich verkaufe meine Emotionen, mein Wesen, mein Ich, meine Seiten – und ich möchte, daß mich Leute dabei sehen, und mich dafür mögen. Das ist jeder. Wer immer behauptet: Ich bin Schauspieler, und will dabei nicht gesehen werden, lügt.
Es ist ein Beruf, der exhibitionistisch ist. Man muß so etwas in sich haben, und das auch genießen.
artechock: Apropos Exhibitionismus: es gibt in Late Show Szenen, in denen Du nackt zu sehen bist... Zum ersten Mal ?
Tabatabai: Nee, leider nicht zum ersten Mal.
artechock: Leider? Ist das blöd für Dich, oder...
Tabatabai: Nee. Ich finde, das ist Teil meines Berufes. Wenn es einen Sinn macht, und hier macht es sehr viel Sinn. Und wenn es darüberhinaus auch noch schön photographiert ist, daß man nicht scheiße dabei aussieht, dann ist es auch völlig ok.
Das ganze dann später anzugucken, womöglich noch mit meiner Mutter nebendran oder mit meiner persischen Familie, ist eine andere Geschichte. Das ist dann halt...
artechock: Die gucken das schon an?
Tabatabai: Jaa. [LACHT] Aber das ist dann der Moment, wo ich dann über meinen Schatten springe und meine Erziehung, meine Herkunft.
artechock: Bist Du denn so traditionell erzogen ?
Tabatabai: Nein, ich komme aus einer sehr modernen persischen Familie. Aber natürlich ist das schon sehr... Also: ich gehe schon sehr weit. Es ist schon eine sehr andere Welt, in der ich große Teile meiner Kindheit verbracht habe. Und das ist teilweise noch heute kompliziert. Ich lebe schon sehr lange in Deutschland, und betrachte mich auch sehr klar als Europäerin. Aber wenn ich auf meine Verwandten treffe, die noch im Iran leben, merke ich schon: das ist eine andere Welt. Das ist eine Kultur – soviel anders war es ja hier vor einiger Zeit auch nicht – in der die größte Leistung einer Frau darin besteht, sich einen möglichst reichen Mann zu angeln. Das ist gut, und alles andere... Für einen traditionellen Perser bin ich schon ein seltsamer Fall: Eine Frau, die ihr eigenes Geld verdient, keinen reichen, einflußreichen Mann hat – irgendetwas ist komisch daran. Man kennt es einfach nicht.
artechock: Eine Provokation?
Tabatabai: Persien ist alles in allem in solchen Punkten nicht so weit, wie Deutschland. Das ist eine andere Kultur und Tradition, die auch sehr viele schöne Seiten hat.
Ich gucke nachts zum Beispiel gerne Fernsehen, lasse den Fernseher laufen...
artechock: ...zum Einschlafen ?
Tabatabai: ... Nein, ich bin jemand, der nachts wach ist. Wenn ich zum Beispiel an Musik arbeite oder so, dann mache ich das nachts. Da klingelt kein Telefon.
Und wenn ich dann zwischendrin diese Sex-Werbungen sehe, dann denke ich mir schon manchmal: Ist das ok, ist das richtig ? So perfekt ist unsere Gesellschaft auch nicht. Oder die Talk-Shows.
artechock: Fernsehen ist am wenigsten perfekt. Was hast Du überhaupt für ein Verhältnis dazu ?
Tabatabai: Ich bin ein Fernsehkind. Ich bin mit Fernsehen aufgewachsen. Ich schaue sehr gerne fern. Gut: Es gibt zwar sehr viele Phasen, in denen ich überhaupt nicht fernsehen kann. Aber wenn ich wieder zuhause bin, dann schaue ich mit großer Regelmäßigkeit meine Lieblingsserien.
Ich schaue jetzt keine Soaps. Das ertrage ich nicht. Aber „Emergency Room“ oder „Akte X“ oder „Star Trek – Next
Generation“ oder „Al Bundy“ – damit bin ich aufgewachsen, ich bin Fernsehkind.
artechock: Das ist eine Generationensache: Soaps sind nur für Jüngere, nicht ?
Tabatabai: Wem immer das nichts ausmacht, daß man da wahnsinig beschhhhh... Das ist Konsumware, das ist Trash, das nimmt man nebenbei so mit. Ich gucke wahnsinnig gerne Filme. Als Kid kommst Du nicht oft ins Kino, also hab' ich viel ferngeguckt. So ist überhaupt mein Wunsch entstanden, Schauspielerin zu werden.
artechock: In Berlin läuft in zwei Wochen ein neuer Film, den Du mit Oskar Roehler gedreht hast: Gierig
Jasmin Tabatabai: Ich kenn' ihn auch nur als Roh-Roh-Rohschnitt. Das ist eine völlig andere Welt, als Late Show. Oskar Roehler ist auch ein völlig anderer Regisseur, das ist auch das Tolle in meinem Beruf. Das ist eine Geschichte zwischen Richy Müller und mir. Wir sind lange zusammen, und haben so ein Arrangement, daß wir uns zwar lieben und alles – aber jeder geht so seine Wege, schläft mit anderen Leuten und so weiter. Und dann kommt ein Schicksalsschlag, der alles durcheinanderwirft. Plötzlich ist man mit dem Unfaßbaren konfrontiert, und muß sehen, wir man dabei umgeht, und vielleicht ein paar Sachen wieder auffrischt. Es ist in richtiger Berlin-Film, der spielt viel im Nachtleben. Ich freue mich sehr über den Film.
artechock: Wenn Du sagst „Berlin-Film“: Womit kann man ihn stilistisch vergleichen? Mit Lola rennt, schnell geschnitten?
Tabatabai: Nee, Nein überhaupt nicht. Es ist ganz eindeutig ein Oskar Roehler-Film. Er erinnert mich viel mehr an Filme von Almodóvar. Oskar hat auch eine Betrachtungsweise, eine Art zu schneiden, die völlig unkonventionell ist. Was mich daran interessiert: der Film paßt überhaupt in kein Genre. Deswegen fällt es mir jetzt wirklich schwer zu sagen: es ist eine Komödie oder eine Tragödie. Es ist ein völlig eigenständiges Ding. Und Oskar ist so ein Typ, der viel schreibt. Er ist wirklich ein Schriftsteller. Das merkst Du an seinen Dialogen und an der Art, wie er plötzlich Sachen sieht. Ich habe nie so jemanden erlebt, wie ihn, der wirklich auch so seltsame Ideen hat: in einer Kamerarichtung steht dann plötzlich eine nackte Frau im Bild. Die steht einfach da. Surreale Bilder. Aber es ist auch ein sehr emotionsgeladener Film, der hat sehr viel Pathos.
artechock: Wonach suchst Du Deine Rollen aus?
Tabatabai: Bauch.
artechock: Bauch, richtig Bauch, nicht Herz?
Tabatabai: Das ist ja eine Einheit.