Peter Thomas, Filmkomponist |
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Sounds, die einem eine Ära des deutschen Films zurückbringen, die gar nicht so schlecht war | ||
(Grafik: Peter Thomas / Philip Thomas) |
Der im Mai 2020 verstorbene Peter Thomas gehörte zu den meistbeschäftigten und profiliertesten Filmkomponisten in Deutschland. Er prägte den Sound der Edgar-Wallace-Filme, schrieb die Musik zu vielen TV-Straßenfegern und Krimiserien („Der Kommissar“, „Der Alte“ usw.) und schuf mit der Titelmelodie von Raumpatrouille Orion einen Ohrwurm. Er bediente unterschiedliche musikalische Genres und Repertoires, aber seine Musik trug eine unverkennbare Handschrift. Das erkannten auch die nachfolgenden Musikergenerationen. In den 2000er Jahren feierte Peter Thomas ein Comeback in der Sound-Sampling-, Remix- und Easy-Listening-Kultur. Peter Thomas blieb bis zu seinem Tod populär und war als witziger und schlagfertiger Interviewpartner gefragt.
Diese Woche zeigt nun das Werkstattkino mit 13 Filmen eine durchaus repräsentative Auswahl aus den 60er und 70er Jahren, die uns Peter Thomas’ musikalisches Spektrum in seiner ganzen Farbigkeit zu vermitteln versucht. Recht anschaulich und kontrastreich zeigen das die beiden Filme, die heute zum Auftakt laufen: Einmal der unabhängig produzierte Debütfilm von Will Tremper, Flucht nach Berlin (1961), der mit einem eindringlichen Score im Stil von ostzonaler Revolutionsmusik unterlegt ist. Zum anderen Die Schlangengrube und das Pendel (1967), eine sehr freie Edgar-Allen-Poe-Verfilmung von Harald Reinl, mit Gruselmusik klassischer Prägung. Vormerken sollte man sich auch den 20-Uhr-Termin am Samstag, den 15.1.22: Eine Lecture mit Trailern, Clips und Filmausschnitten und ein Filmgespräch mit Philip Thomas, dem Sohn des Komponisten, der sich ganz dem Nachlass seines Vaters widmet. Einen Vorgeschmack auf die Begegnung mit Philip Thomas geben wir hier mit einem Interview, das schon 2020 von Ulrich Mannes, Herausgeber von SigiGötz-Entertainment, geführt wurde.
artechock: Herr Thomas, Sie haben geschrieben, dass Sie sich fortan ganz dem Nachlass Ihres Vaters widmen wollen. Das wird also eine Lebensaufgabe?
Philip Thomas: Ja, allerdings würde ich es eher als Aufgabe meines neuen Lebensabschnitts bezeichnen. Nach dem Ableben meines Vaters wurde mir innert kürzester Zeit klar, dass ich mich fortan voll und ganz seinem musikalischen Nachlass widmen möchte. Ich weiß noch, wie ich ihm im Sommer 2019 nach einem Abendessen in Lugano versprochen habe, mich dieser Aufgabe anzunehmen. Aber losgelöst von diesem Versprechen ist es mir ein echtes Bedürfnis, mich fortan ganz der Pflege seiner Musik zu widmen. Jede andere Entscheidung oder ein Zuwarten wären falsch für mich gewesen. Also habe ich Ende Juni 2020 meine Anstellung als Justitiar einer großen Schweizer Arbeitnehmerorganisation gekündigt. Am 1. Dezember, zum 95. Geburtstag meines Vaters, habe ich mein »neues Amt« angetreten.
artechock: Hat Ihr Vater seinen Nachlass gut gepflegt?
Thomas: Ja, er hat wunderbare Vorarbeit geleistet und bereits zu Lebzeiten einen Großteil seiner Bänder digital erfasst. Das erleichtert mir die Aufgabe ungemein, denn ich kann sein musikalisches Werk einfach per Mausklick abrufen. Aber es gibt auch noch unveröffentlichtes Material auf BASF-Bändern, das ich in einem nächsten Schritt angehen werde. Gott sei Dank sind es deutsche Bänder, die, anders als die amerikanischen Bänder, nicht mit der Zeit zu schmieren anfangen. Als Preuße hat er natürlich auch den vertrags- und urheberrechtlichen Teil immer sorgfältig gepflegt. So sind sämtliche Verträge und Gema-Anmeldungen seit 1950 vorhanden. Echt eindrücklich, was er dort an Arbeit geleistet hat. Diese Unterlagen sind mir heute für das Einarbeiten in die Materie extrem hilfreich, denn oftmals sind die Firmen selber nicht mehr im Besitz dieser Unterlagen.
artechock: Haben Sie unter den Arbeiten Ihres Vaters persönliche Favoriten?
Thomas: In den letzten sechs Monaten habe ich mich vom Sohn zum Fan entwickelt. Natürlich haben wir zu Hause immer viel von seiner Musik mitbekommen. Sein Klavier stand im Wohnzimmer, daneben die beiden Wellensittiche (Max & Moritz, die z.T. noch auf Bändern zu hören sind) und die Kinder beim Aufgabenmachen. Musik gehörte also zum familiären Background, wurde allerdings nicht immer gewürdigt, ein bisschen à la »Prophet im eigenen Land«… Heute bin ich voller Stolz und Bewunderung für das, was er geschaffen hat. Sein Werk ist so vielseitig und umfasst so verschiedene Facetten, dass es schwierig ist, einen Favoriten auszumachen. Über all die Jahre hatte ich immer ein Faible für die Titelmelodie von Onkel Toms Hütte: »Old, old Mississippi« gesungen von Eartha Kitt. Aber auch der Soundtrack aus Erinnerungen an die Zukunft gefällt mir ungemein. Ferner liebe ich den Titel »Meine Stadt« gesungen von Hana Hegerovà – als Kind durfte ich den Aufnahmen in München damals beiwohnen. Ich höre jetzt auf, denn die Aufzählung würde vermutlich den Rahmen dieses Interviews sprengen.
artechock: Ihr Vater war ja sehr gut vernetzt, bis zum Ende seines Lebens. Nützen Ihnen diese Kontakte?
Thomas: Oh, ja! Ich stoße auf sehr viel Wohlwollen in der Branche. Obwohl ich ein ziemliches Greenhorn bin, kann ich überall anklopfen, bekomme Zutritt, Ratschläge, Kontakte. Besonders schön ist, wie alle in den höchsten Tönen von meinem Vater reden. Und ja, ich kann bei meinen ersten Schritten im Musikgeschäft auf die Unterstützung von treuen Weggefährten meines Vaters zählen. Namentlich möchte ich hier Matthias Künnecke (Universal), Dietmar Bosch (Allscore), Walter Potganski (Moviemax) und Stephan Reichenberger danken.
artechock: Was ist sonst noch geplant?
Thomas: Als nächstes werde ich versuchen, die nicht mehr erhältlichen Tonträger/Aufnahmen einer Veröffentlichung wieder zugänglich zu machen. Ein neues Label „MuziKBeater“ (mein Vater hat gerne mit dieser Wortkreation signiert) soll einer der Publikationsträger werden. Für 2022 ist eine 250-seitige Peter-Thomas-Biographie geplant.
Alles weitere auf www.peterthomas.tv oder auf dem offiziellen Peter Thomas Künstler-kanal auf YouTube.
Aus: SigiGötz-Entertainment #35 (Dezember 2020)